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Bildungspolitik Neue Lehrer braucht das Land

An vielen Schulen fehlen Lehrer – kein neues Problem. Doch was kann die Politik dagegen tun? Die Linksfraktion macht Vorschläge, die im Bundestag kontrovers diskutiert wurden.

Eine junge Lehrerin zeigt mit der Hand auf einen Laptop, der vor einer Schülerin auf dem Tisch steht.

Was kann die Politik tun, um mehr Nachwuchskräfte an die Schulen zu bringen? Darüber debattierten die Abgeordneten im Bundestag. © Jacob Lund/shutterstock

Unterrichtsausfall, verpasster Lernstoff, fehlendes Technikwissen: Nicht erst seit der Corona-Pandemie spüren Schüler und Eltern, dass es nicht genug Lehrkräfte gibt. Bildung ist in Deutschland hauptsächlich Ländersache, doch der Lehrermangel erregt inzwischen bundesweit die Gemüter.

Kein Wunder, dass sich auch die Abgeordneten des Deutschen Bundestages darüber Gedanken machen, wer hier seine Hausaufgaben nicht gemacht hat. Die Fraktion der Linken stellte kürzlich einen Antrag mit dem Titel „Bildung am Limit – Ausbildungsoffensive für mehr Lehrkräfte und Erzieherinnen und Erzieher“, über den der Bundestag am 17. Februar 2022 knapp 50 Minuten debattierte.

Fehlen bald 45.000 Lehrer?

Im Jahr 2025 würden an Schulen bereits 45.000 Lehrerinnen und Lehrer fehlen, schreibt die Linke in ihrem Antrag und bezieht sich auf den Bildungswissenschaftler Prof. Klaus Klemm.

Ganz konkret fordert Die Linke die Bundesregierung dazu auf, gemeinsam mit den Bundesländern mehr Geld in zusätzliche Lehramtsstudienplätze zu investieren und ein Sonderprogramm für die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern auf den Weg zu bringen. Im Anschluss an die Diskussion im Plenum wurde der Antrag in den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung überwiesen.

Wie läuft eine Lehrerausbildung ab?

Möchte man Lehrerin oder Lehrer werden, muss man zunächst an einer Universität ein Lehramtsstudium absolvieren. Das Studium kann mit einem Staatsexamen oder einem Master of Education abgeschlossen werden. Die jeweiligen Bundesländer entscheiden über die Bildungspolitik vor Ort. Es gibt also unterschiedliche Regelungen und Ausbildungskonzepte.

Wie sich das Studium gestaltet, hängt auch von der gewählten Schulform ab, die man später unterrichten möchte: also Primarstufe, Sekundarstufe I oder Sekundarstufe II. Die Schulformen sind abhängig vom Bundesland wiederum aufgeteilt in Grundschule, Hauptschule, Mittelschule, Realschule, Gymnasium, die zum Teil in den Ländern anders bezeichnet werden (so heißen in Brandenburg Realschulen zum Beispiel Oberschulen).

Da es in den Bundesländern also zum Teil unterschiedliche Schulformen und Studienfächer gibt, ist es sinnvoll, die Lehrerausbildung in dem Bundesland zu machen, in dem man im Anschluss auch gerne arbeiten möchte.

Neben all den Unterschieden gibt es aber auch bundesweite Gemeinsamkeiten: In fast allen Fällen müssen Studierende mindestens zwei Fächer wählen, etwa Englisch und Geschichte.

Im Anschluss an die Uni ist das sogenannte Referendariat vorgesehen, was so viel wie die praktische Phase der Ausbildung ist: Die angehenden Lehrer unterrichten hier bereits an Schulen und verdienen auch etwas Geld. Wie lange das Referendariat dauert, ist wieder abhängig vom Bundesland, in der Regel ist es zwischen 12 und 24 Monaten.

Immer mehr  „Seiteneinsteiger“

In einigen Bundesländern werden in den letzten Jahren vermehrt auch sogenannte „Seiteneinsteiger“ eingestellt, da in bestimmten Fächern zu wenig regulär ausgebildete Lehrer zur Verfügung stehen. Seiteneinsteiger sind also Leute, die eigentlich gar keine Lehrerausbildung gemacht, aber zum Beispiel Mathe studiert haben. Auch sie müssen entweder ein Referendariat machen oder eine pädagogische Qualifizierung während der ersten Berufsjahre nachholen.

Linke: „Eltern und Kinder leiden unter Unterrichtsausfall“

„Die Linke bringt heute einen Antrag ein, um den dramatischen Fachkräftemangel in den Kitas und an den Schulen anzugehen“, begann Nicole Gohlke von der Linksfraktion die Debatte. Sie kritisierte, der Fachkräftemangel würde in der Rhetorik der Ampel-Fraktionen nicht einmal auftauchen. „Die Situation in den Schulen und Kitas war schon vor Corona eine Zumutung“, so Gohlke, seit der Pandemie sei es nur noch „irre“.

Deshalb brauche es jetzt eine bundesweite Ausbildungsoffensive, in den letzten Jahren sei das Thema verschleppt worden. Die Lehrkräfte müssten diesen Mangel, der nichts anderes als politisches Versagen sei, Tag für Tag ausbaden und durch mehr Arbeit ausgleichen. Die Folgen seien ein hoher Krankheitsstand, Burnout oder vorzeitiges Aussteigen aus dem Beruf.

Nach zwei Jahren Pandemie sei es die Aufgabe der Politik, die Fachkräfte zu entlasten. Außerdem forderte Gohlke, dass Lehrkräfte an Grund- und Mittelschulen genauso bezahlt würden wie Lehrer an Gymnasien. Zum Schluss ihrer Rede sprach sie sich noch für die Abschaffung des Kooperationsverbotes aus und sagte, dass Bildungsaufgaben gemeinsam von Bund, Ländern und Kommunen angegangen werden müssten.

Einfach erklärt: Das Kooperationsverbot

Der Begriff „Kooperationsverbot“ bezeichnet den Umstand, dass Bund und Länder in Deutschland per Grundgesetz nur in Ausnahmefällen zusammenarbeiten, also kooperieren, dürfen. So heißt es in Artikel 30 der Verfassung: „Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben ist Sache der Länder, soweit dieses Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zuläßt.“

So kommt es, dass Bildungspolitik in Deutschland auf Landesebene stattfindet und der Bund grundsätzlich keinen Einfluss auf die Schulpolitik der Länder ausüben kann. In den letzten Jahren wurde das Kooperationsverbot mehrfach gelockert, zuletzt 2018/2019 im Rahmen des sogenannten „Digitalpakts Schule“, durch den der Bund mehrere Milliarden Euro in die Schulen pumpte, damit dort die Digitalisierung vorankommt.

SPD: „Neue Kultur der Bildungszusammenarbeit“

Katrin Zschau von der SPD-Fraktion wies zunächst auf ihre vormalige Tätigkeit als Geschäftsführerin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Mecklenburg-Vorpommern (MV) hin. Im Rahmen der „Respekt“-Kampagne habe man schon in diesem Kontext auf den Lehrermangel aufmerksam gemacht.

Im April 2021 hätten die Landesregierung in MV, Gewerkschaften und Verbände eine gemeinsame Vereinbarung mit dem Namen „Bildungspakt für Gute Schule 2030“ unterzeichnet, die nun im Koalitionsvertrag verankert sei. Gemeinsam sollten so alle notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, um ausreichend Lehrkräfte für die Schulen zu finden, zu halten und auszubilden, so die SPD-Politikerin.

Es sei ihr aber auch wichtig, zu betonen, „dass die Verantwortung bei der Fachkräftegewinnung in den Händen der Länder liegt“. Dennoch könne es sinnvoll sein, einige Probleme länderübergreifend zu betrachten und entsprechende Instrumente zu entwickeln.

Der Ampel gehe es um eine „neue Kultur und um eine neue Form in der Bildungszusammenarbeit von Bund, Ländern, Kommunen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft“. Gemeinsam mit den Ländern und relevanten Akteuren wolle man eine Gesamtstrategie entwickeln und so den Fachkräftebedarf für Erziehungsberufe sichern. Außerdem strebe man einen bundeseinheitlichen Rahmen für die Ausbildung an.

CDU/CSU: „Antrag ist blinder Aktionismus“

Corona habe viele Probleme an Schulen aufgedeckt und verschärft, begann Lars Rohwer von der CDU/CSU-Fraktion seinen Redebeitrag. „In diesen Zeiten macht sich der Lehrer- und Erziehermangel in den Schulen und Kitas besonders bemerkbar“, so Rohwer. Der Antrag der Linken sei jedoch blinder Aktionismus, „da er kurzfristig keine Lehrer und Lehrerinnen in die Schulen bringt.“ Außerdem betonte der Unions-Abgeordnete, dass laut Grundgesetz die Länder für die Schulen zuständig seien.

Die letzte, CDU-geführte Bundesregierung habe die Länder im Bereich Bildung massiv unterstützt, und das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern bereits gelockert. Außerdem werde mit der Qualitätsoffensive Lehrerbildung bis Ende 2023 eine halbe Milliarde Euro vom Bund zur Verfügung gestellt, um die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern zu fördern.

Er kritisierte, dass sich das Problem nicht einfach durch eine Bundesfinanzspritze lösen lasse und forderte, das Thema differenzierte zu betrachtet. So gebe es an den Gymnasien beispielsweise keinen Lehrermangel, sondern einen Überschuss. Problematisch sei vor allem die Ausbildung im MINT-Bereich (Fächer aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik).

Außerdem sei es sinnvoll, die Qualität der frühkindlichen Bildung zu verbessern, statt „immer wieder am Grundgesetzt herumzuschrauben. Abschließend betonte Rohwer, man wolle „die Länder bei der Sanierung ihrer Schulgebäude und bei der Digitalisierung weiter unterstützen“.

Die Grünen: „Kinder, Lehrer, Erzieher sind ausgebrannt“

„Klar ist: Gute Kita und gute Schule brauchen ausreichend Lehrkräfte und Erzieherinnen“, sagte Laura Kraft von der Grünen-Fraktion. Es gelte, mit guter Bildung Lebenschancen zu schaffen. Die Pandemie habe Kinder belastet und Lehrer und Erzieher ausgebrannt. Das Problem des Fachkräftemangels sei nicht neu, jedoch habe sich die Situation durch Corona nochmals verschärft, betonte Kraft.

Die bisherigen Lösungen seien eher halbherzig gewesen. Kraft sagte, man könne schon lange nicht mehr alle offenen Stellen an Schulen besetzen und man müsse dabei auch die Berufsschulen berücksichtigen.

Ein Problem sei auch, dass Lehrer durch die Digitalisierung neue Aufgaben bekommen und dadurch weniger Zeit hätten, sich auf Schüler zu konzentrieren. „Ein digitales Endgerät macht noch lange keinen guten Unterricht.“ Multiprofessionelle Teams, die etwa aus IT-Fachleuten und Sonderpädagogen bestehen, könnten hier Abhilfe schaffen, so Kraft.

Außerdem kritisierte sie, dass der Antrag der Linken-Fraktion nicht ausreichend berücksichtige, dass Kompetenzen im Bereich Schule und Lehrkräfteausbildung hauptsächlich bei den Ländern lägen. Die Ampel wolle da ansetzen, wo der Bund unterstützend wirken könne, könne das Problem jedoch nicht allein lösen, sondern nur im Austausch mit den Ländern, den Kommunen und den Schulen.

AfD: „Dem Patienten Schule geht es nicht gut“

„Dem Patienten Schule geht es nicht gut“, sagte Götz Frömming von der AfD-Fraktion. Die Diagnose der Linksfraktion sei deshalb nicht ganz falsch, die Therapieempfehlung aber auch nicht richtig.

Der Grund für den Lehrermangel sei, dass zu wenige Lehrer ausgebildet worden seien und einige sich frühpensionieren ließen, so Frömming. Die Frage, warum so wenig junge Menschen sich für den Lehrerberuf entscheiden würden, begründete er damit, dass sie sich mit Blick auf die Schulen diesen Beruf nicht antun wollten. „Schuld daran ist natürlich auch eine seit Jahren betriebene links-grüne Gesellschaftspolitik, die jetzt bei uns in den Schulen angekommen ist“, behauptete der AfD-Politiker. Ein weiteres Problem sei auch der Verlust der Autorität des Lehrers, ebenfalls das Ergebnis des „linksgrünen Gesellschaftswandels“.

Frömming erwähnte außerdem den Digitalpakt, ein Programm, mit dem die Digitalisierung an Schulen gefördert werden soll. Es habe sich als Ladenhüter entpuppt, denn die bereitgestellten Mittel seien nicht abgerufen worden, da sie sich nicht am Bedarf vor Ort orientiert hätten. Zum Abschluss betonte er: „Natürlich brauchen wir mehr Lehrer, natürlich müssen wir mehr Lehrer ausbilden. Natürlich kostet das Geld.“ Es gelte nun, die Prioritäten anders zu setzen und das Geld an den Schulen für die Lehrer und die Kinder einzusetzen, anstatt für „links-grüne Genderprojekte“.

FDP: „Lehrkräfte als Chancenmotoren“

„Das deutsche Bildungssystem ist nicht erst seit der Corona-Pandemie aus den Zeiten gefallen“, eröffnete Peter Heidt von der FDP seine Rede. Der Antrag der Linksfraktion ginge in die richtige Richtung, reiche aber nicht aus.

„Bund und Länder müssen sich vernetzen, um zumindest in Teilgebieten wirklich zusammenzuarbeiten“, so der FDP-Politiker. Er bezeichnete hochqualifizierte Lehrkräfte als „Chancenmotoren für die Zukunft unserer Kinder“. Deutschland fehlten Zehntausende von Lehrern, da sei viel nachzuholen.

An den Schulen gebe es eine Vielfalt von Bedürfnissen und Begabungen, aber auch von sozialen Problemen. Nur durch „die individuelle Förderung aller Kinder kann eine Bildungsgerechtigkeit erreicht werden“, so Heidt. Lehrkräfte bräuchten deshalb Unterstützung durch professionelle Fachkräfte. Der Problematik wolle man mit einem Vierstufenmodell begegnen: „attraktive Arbeitsbedingungen, eine spitzenmäßige Aus- und Fortbildung, transparente Aufstiegsmöglichkeiten sowie eine Bezahlung, die eben Engagement belohnt“.

Außerdem weist Heidt darauf hin, dass die praxisferne Lehrerausbildung eine „Dauerbaustelle“ in der Schulpolitik sei: „Über 30 Prozent wollen nach ihrem Studium nicht in einer Schule arbeiten.“ Man müsse die Attraktivität des Lehrerberufs deshalb deutlich verbessern.

Die ganze Debatte seht ihr hier im Video. Das Protokoll findet ihr auf bundestag.de.

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