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Fortschritt "KI ist kein Killer-Roboter"

Fabian Ernstberger

Sollten wir Angst vor Künstlicher Intelligenz (KI) haben? Nein, sagt Wissenschaftler Dr. Aljoscha Burchardt. Der Experte findet, Technik und Programmieren gehören schon in die Schule und erklärt, wie KI beim Shoppen hilft.

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"Angst ist kein guter Berater", sagt Experte Dr. Aljoscha Burchardt vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz in Berlin.©privat

Herr Burchardt, was ist überhaupt Künstliche Intelligenz (KI)?

Das ist schwer zu sagen, denn wir wissen ja nicht einmal genau, wie man Intelligenz bei Tieren und Menschen definiert. Bei der KI geht es kurz gesagt um die Simulation von intelligentem Verhalten, also das Führen von Dialogen oder Treffen von Entscheidungen. In der Wissenschaft gibt es keine hieb- und stichfeste Definition – es ist ein „Sammelbegriff“ für viele verschiedene Technologien und Anwendungen.

Was ist die häufigste Form der KI?

Richtig angefangen hat es in den 1970er-Jahren mit Expertensystemen, die häufig „Wenn X, dann Y“-Regeln folgen. Ein Beispiel: Ich möchte abends ausgehen und gehe auf eine Homepage, die Unternehmungen vorschlägt. Dort gibt es einen sogenannten Chatbot. Also ein System, in das ich eine Frage eintippen kann und das mir dann eine Antwort sendet. Wenn ich eintippe „Ich möchte in ein Restaurant gehen“, dann fragt der Chatbot mich als Antwort beispielsweise „Wann?“.

Diese Systeme werden im Kern mehr oder weniger fest programmiert. Die heute erfolgreichen Systeme lernen aber überwiegend aus Daten. Beispielsweise Diktiersysteme, die unsere gesprochenen Worte in geschriebenen Text verwandeln. Das kann man gar nicht wirklich programmieren. Die Systeme lernen es aus Beispieldaten, also Audioaufnahmen mit dem dazugehörigen Text.

Brauchen wir KI überhaupt?

Unserer Welt wird immer digitaler. Künstliche Intelligenz ist bereits vielerorts präsent – beispielsweise in Navigationsgeräten. Und das, obwohl viele Leute gar nicht wissen, dass es sich schon dabei um KI handelt. Früher oder später hilft in unserer komplexen Welt KI, um Prozesse zu optimieren. Zum Beispiel, wenn es um die Prognose von Staus geht.

Wo steckt KI noch im Alltag „drin“?

Hier gibt es unendlich viele Beispiele: Songempfehlungen bei Musik-Streaming-Diensten, die Vervollständigung von Suchbegriffen bei Google und die Suche selbst, Nachrichtenempfehlungen, bei Online-Übersetzungsdiensten, smarten Sprachassistenten und natürlich auch bei den autonom-fahrenden Autos.

Warum macht KI vielen Menschen Angst?

Da spielt leider eine große Rolle, dass Hollywood KI oft negativ darstellt. Doch KI ist kein Killerroboter, wird aber oft gleichgesetzt. Die „Zerstörung der Menschheit“ als Urangst kommt zu Tage. Außerdem haben viele Personen Angst davor, dass sie ersetzt werden könnten.

Als Beispiel kann man die industrielle Fertigung nennen: erst gab es Webstühle, dann Fließbandarbeit und jetzt Roboter mit KI. Viele Menschen sind verunsichert. Natürlich kann man KI wie jedes andere Werkzeug auch besser oder schlechter einsetzen und darüber muss man reden. Aber Angst ist kein guter Berater.

Wie macht man das Thema KI dann verständlich?

Die meisten von uns sind nicht besonders technikfreundlich. Deshalb sollten wir mit dem Nutzen und den Anwendungen von Technik argumentieren. Wir könnten Technologien nutzen, um Medikamente individuell für Personen zu dosieren und ihnen bestmöglich zu helfen. Auch beim Shoppen lässt sich Zeit sparen, weil sich das Onlineportal beim letzten Einkauf direkt die Lieblingsmarke und die Größe gemerkt hat. Und mittlerweile gibt es sogar Apps, die den Körper abscannen und dann die perfekte Kleidergröße bei der entsprechenden Marke ermitteln.

Haben Sie auch Bedenken bei KI?

Bei mir überwiegt die Hoffnung – jeden Abend erledige ich meine Büroaufgaben, also beantworte Mails, checke mein Konto und vieles andere. Aktuell kann man diese Aufgaben nicht von einer KI erledigen lassen, da Sie viel zu individuell sind. Meine Hoffnung ist, dass mir das alles irgendwann abgenommen wird, denn so kann ich die gewonnene Zeit in die Forschung stecken oder mit meinen Kindern spielen.

Sollte KI in der Schule behandelt werden?

Ja, unbedingt. Kinder und Jugendliche sollten definitiv Informatikkenntnisse in der Schule erwerben und auch KI anwenden. Letzteres wäre in fast allen Fächern möglich: Man kann Wetterdaten im Erdkundeunterricht simulieren oder politische Reden im Politikunterricht analysieren lassen. Großartig finde ich die Möglichkeit, ein gefaktes Video selbst zu erstellen, damit die Schüler lernen, Inhalte im Internet zu reflektieren. So ein Praxisversuch bringt wesentlich mehr, als wenn der Lehrer es mit Kreide an die Tafel schreibt.

Welche Entwicklungen sehen Sie in nächster Zeit?

Künstliche Intelligenz kann aktuell Daten verarbeiten und sie zu neuen Mustern verknüpfen. Das ist für uns oft schwer nachvollziehbar, was da genau passiert. In Zukunft wird die KI Lernen und Wissen-Erzeugen zusammenbringen. Das heißt, man muss bei falschen Daten nicht Unmengen an Daten nachsteuern, damit sie sich umstellt, sondern sagt ihr quasi „intellektuell auf Augenhöhe“: „Bitte stelle dich um, berücksichtige dieses Mal folgende Sache …“. An dieser Stelle wird aktuell geforscht.

Was ist Ihnen noch ein besonderes Anliegen?

Wir müssen massiv darauf achten, dass wir alle in die neue KI-Welt mitnehmen – alte und junge Leute. Sonst gehen unglaublich viel Kompetenz und Erfahrung verloren. Gerade dieses Wissen der unterschiedlichen Generationen sollte in die digitale Welt eingebracht werden.

Über Dr. Aljoscha Burchardt

Dr. Aljoscha Burchhardt forscht seit 10 Jahren am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz in Berlin. Er ist Experte auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz und der Sprachtechnologie. Nach seiner Promotion in Computerlinguistik an der Universität des Saarlandes koordinierte er das Center of Research Excellence „E-Learning 2.0“ an der Technischen Universität Darmstadt. Burchardt ist stellvertretender Vorsitzender der Berliner Wissenschaftlichen Gesellschaft.

Zur Person

Portraitfoto von mitmischen-Autor Fabian Ernstberger
Mitmischen-Autor

Fabian Ernstberger

ist 19, gelernter Bankkaufmann, lebt in der Oberpfalz und macht gerade sein Abitur. Er engagiert sich in der Schülervertretung und anderen Gremien für mehr Jugendbeteiligung in der Politik. Außerdem ist er beim Bundesprogramm „Demokratie leben!“ aktiv.

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