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Jugendliche und Corona Was Experten im Bundestag berichteten

Lara Schwalb

Wie beeinflusst die Corona-Krise das Leben von Kindern und Jugendlichen? Dazu hat die Kinderkommission des Bundestages viele Fachleute befragt. Einige fordern mehr Mitsprache für Mädchen und Jungen.

Menschen warten in einer Schlange

Abstand ist in Corona-Zeiten wichtig – aber er kann auch zur Belastung werden.©shutterstock

Zu Hause vor dem Laptop sitzen statt in der Schule mit Freunden, nicht in den Chor oder in den Sportsverein gehen oder Oma und Opa besuchen – die Corona-Krise schränkt den Alltag von Kindern und Jugendlichen massiv ein. Wie geht es ihnen damit?

Das interessiert die Kinderkommission des Deutschen Bundestages (Kiko). In den vergangenen Monaten hat sie daher mehreren Anhörungen mit Experten durchgeführt. Kurz zur Kiko: Sie hat sechs Mitglieder, je ein Abgeordneter aus jeder Fraktion.

Schluss mit Jugendtreff und Co.

Für viele Kinder und Jugendliche bricht derzeit das vertraute Umfeld weg, zum Beispiel durch Schließungen von Freizeiteinrichtungen und Sportvereinen. Die jungen Menschen brauchten die Erfahrungen und Begegnungen in ihrer Gruppe, um autonom mit Gleichaltrigen ihre Wege zu finden, sagte Prof. Dr. Gunda Voigts von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg in einer Expertenanhörung. Es sei eine Katastrophe, dass der Jugendsport schon wieder geschlossen habe. Echte Wiedereröffnungen habe es bei den Kinder- und Jugendeinrichtungen auch im Sommer nach dem Lockdown nicht gegeben.

Das bestätigte auch ein Experte aus dem Bereich der Sozialarbeit in einer weiteren Anhörung: Hans Steimle von der Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelische Jugendsozialarbeit sagte, der Anteil der Jugendlichen, die durch Lockdown-Maßnahmen den Anschluss an soziale Betreuungsangebote verloren hätten, liege bei zehn Prozent; unter dem Abbruch der Kontakte zu Jugendarbeitern litten viele bis heute.

Kinder nicht stigmatisieren

Wer verbreitet sich Corona? Da ist die Wissenschaft inzwischen schlauer. Welche Rolle Kinder und Jugendliche in Kitas und Schulen bei der Verbreitung des Virus spielen, bleibt jedoch umstritten.

Zarah Abendschön-Sawall von der Initiative „Familien in der Krise“ warnte in einer Anhörung davor, Kinder zu stigmatisieren. Ihnen dürfe weder die Verantwortung für die Ausbreitung der Pandemie in die Schuhe geschoben werden noch dürfe man sie mit Maßnahmen konfrontieren, die eigentlich für die Erwachsenen gedacht seien.
Es sei falsch, die Kinder ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken, wenn es um den Schutz der Gesamtbevölkerung gehe. Im Gegenteil: „Wir Erwachsene sind verantwortlich für den Schutz der Kinder. Kinder können keinen Abstand halten.“
Kinder nähmen zudem die Inkonsequenz vieler Regeln genau wahr, etwa wenn sie bei Regen wegen zu großem Gedränge nicht unter das Schutzdach auf dem Schulhof dürften, aber dafür täglich im überfüllten Schulbus fahren müssten.

Digitale Spaltung

Schule von zu Hause ist praktisch – aber nur, wenn man daran teilnehmen kann. Allerdings fehlt vielen die nötige technische Ausstattung, um über Laptop oder Smartphone den Kontakt mit der Schule halten zu können. Diese digitale Spaltung sei ein ernstzunehmendes Problem, das vor allem die Bildungsmöglichkeiten der sozial Schwächeren einschränkt, betonte Julia Schad-Heim von der Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit e.V. in einer weiteren Anhörung.

Eine fehlende technische Ausstattung bemängelte auch Philipp Heinze, Sprecher der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi beim Sozialreferat München. Allerdings bei denen, die Kindern und Familien mit Betreuungsangeboten helfen. Die Wiederaufnahme des Schulbetriebes hat zwar aus seiner Sicht geholfen, Schüler wieder besser zu erreichen. Deshalb forderte er einer Anhörung eine bessere Unterstützung der Helfer mit mehr FFP-2-Masken, Diensthandys und Laptops, um mit Kindern und deren Familien in Kontakt zu beleiben.

Stress mit der Familie?

Kontaktbeschränkungen im Lockdown oder in der Quarantäne führen zu weniger sozialen Kontakte nach außen, gleichzeitig verbringen Jugendliche und Kinder mehr Zeit mit der Familie. "Corona schränkt vieles ein, was eine gute Kindheit ausmacht", sagte Dr. Holger Ziegler von der Fakultät für Erziehungswissenschaften der Universität Bielefeld in einer Anhörung. Damit meinte er, dass auch der Stress in den Familien und die Spannungen untereinander steigen. Ob die Corona-Zeit aber zu einem messbaren Anstieg von Gewalt und Missbrauch geführt hat, lässt sich aus seiner Sicht noch nicht sagen.

Auf einen ganz anderen Aspekt wies Ayse Dalhoff von der Initiative "Familie in der Krise" bei einer anderen Anhörung hin. Sie sagte, die soziale und sprachliche Entwicklung leide bei Kindern durch das tragen eines Mund- und Nasenschutzes.

Digitale Zeltlager

Die Jugendarbeit hat sich zum Teil in die digitale Welt verlagert. So berichtete Lisi Maier, Vorsitzende des Deutschen Jugendrings, in einer Anhörung sogar von "digitalen" Zeltlagern und anderen kreativen Ideen. So konnten dank ausgeklügelter Hygienekonzepte Ferienprogramme stattfinden: Anstelle von Jugenddiscos in engen Räumen gab es Beach-Partys.

Für das kommende Jahr benötigen Jugendbildungs-, Freizeit- und Begegnungsstätten eine geregelte Finanzierung, darauf wiesen einige Experten hin. Dabei sei es auch wichtig, die Meinung von Kindern und Jungendlichen einzuholen. So schlug Prof. Dr. Michael Klundt von der Hochschule Magdeburg-Stendal im September vor, einen „Kindergipfel“ ins Leben zu rufen. An diesem sollten Kinder und Jugendliche einbezogen werden, wenn es um Maßnahmen zur Bekämpfung des Virus geht.

Alle Anhörungen der Kinderkommission mit den ausführlichen Aussagen der Experten und Expertinnen findet ihr auf bundestag.de.

Zur Person

Portraitfoto von mitmischen-Autorin Lara Schwalb
Mitmischen-Autorin

Lara Schwalb

ist 20, lebt in Freiburg in Baden-Württemberg und studiert dort Politikwissenschaften und VWL.

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