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Renata Alt (FDP) „Svetlana Kupreeva ist nicht allein“

16 Monate Untersuchungshaft unter schlimmsten Bedingungen: So lange wurde Svetlana Kupreeva aus Belarus gefangen gehalten. Renata Alt (FDP) hat uns im Interview die Geschichte der jungen Oppositionellen erzählt.

Renata Alt hält ein Foto von Svetlana Kupreeva hoch.

„Ich weiß, wie mutig man sein muss, sich gegen Diktaturen einzusetzen“, sagt Renata Alt (FDP), deshalb engagiere sie sich für junge Frauen wie Svetlana Kupreeva. © DBT/photothek/Felix Zahn

Sie engagieren sich in dem Programm „Parlamentarier schützen Parlamentarier“ (PsP). Warum finden Sie es wichtig, bei dem Programm mitzumachen?

Beim PsP-Programm geht es um den Schutz politisch gefährdeter Menschen. Politiker aus dem Deutschen Bundestag übernehmen eine Patenschaft für eine Person, die sich in einem anderen Land für Menschenrechte, Freiheit und Demokratie einsetzt und deshalb verfolgt wird. Nicht selten werden die Betroffenen sogar festgenommen und müssen zeitweise ins Gefängnis.

Es ist ein Privileg der deutschen Abgeordneten, das Mandat in Sicherheit ausüben zu können. Viele Kolleginnen und Kollegen im Ausland haben dieses Glück nicht. In dem Programm sehen wir es als unsere Pflicht, uns für die Freilassung solcher Menschen einzusetzen.

Wie heißt die Person, für die Sie eine Patenschaft übernommen haben und woher kommt sie?

Ich habe eine Patenschaft für Svetlana Kupreeva übernommen. Sie lebt in Belarus und war Mitglied des Teams von Viktor Babariko, der im Jahr 2020 der oppositionelle Präsidentschaftskandidat war. Svetlana Kupreeva hat als freiwillige Unterstützerin Unterschriften für seine Kandidatur gesammelt. Deshalb wurde sie unter Druck gesetzt und festgenommen.

Ich selbst bin in der Tschechoslowakei aufgewachsen, also in dem Land, aus dem später die Tschechische Republik und die Slowakei entstanden sind. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren in der Tschechoslowakei die Kommunisten an der Macht, wie auch in der Sowjetunion. Damals war es auch dort schwierig, sich kritisch über die Regierung zu äußern oder sich für jemanden aus der Opposition zu engagieren. Man konnte dafür wegen Systemkritik verhaftet werden. Ich kann deshalb nachvollziehen, wie mutig man sein muss, sich gegen Diktaturen oder autokratische Systeme einzusetzen.

Sie haben gesagt, dass Svetlana Kupreeva festgenommen wurde. In welcher Situation lebt sie derzeit?

Svetlana Kupreeva wurde am 12. Oktober 2021 nach 16 Monaten Untersuchungshaft unter Auflagen der Meldepflicht freigelassen. Die Haft fand unter absolut menschenunwürdigen Bedingungen statt: Zunächst wurde sie für zwei Monate in Einzelhaft genommen. Anschließend kam sie in eine Zelle, die für vier Insassen ausgelegt war, in der aber sechs Frauen untergebracht waren. Sie mussten auf dem feuchten Holzboden schlafen, nur einmal in der Woche durften sie duschen. In der Zelle gab es keine Toilette, nur einen Eimer. Lange hat man niemanden zu ihr gelassen, auch keinen Anwalt.

Nun ist sie nicht mehr im Gefängnis und kann zumindest zu Hause in Minsk leben, obwohl es fast wie Hausarrest ist. Sie wartet derzeit auf den Prozess.

Landkarte mit Markierung Belarus

Belarus ist ein osteuropäischer Binnenstaat, der 9,4 Millionen Einwohner hat. Die Hauptstadt ist Minsk. © BOLDG/shutterstock

Was wirft man Svetlana Kupreeva denn vor?

Ihr wird Hinterziehung von Steuern und Gebühren in großem Umfang vorgeworfen. Dafür gibt es keinerlei Beweise und die Vorwürfe scheinen politisch motiviert zu sein. Vor ihrer Haft war sie selbstständige Buchhalterin. Während ihrer Haft konnte sie natürlich bestimmten steuerlichen Verpflichtungen nicht nachkommen. Durch den Vorwurf der Steuerhinterziehung und die lange Haft wurde die berufliche Existenz von Svetlana Kupreeva zerstört, da sie viele Kunden verloren hat. Hinzu kommt, dass man in Belarus auch nicht auf einen fairen Prozess hoffen kann. Bei einer Verurteilung drohen ihr bis zu fünf Jahre Haft.

Wie können Sie Svetlana Kupreeva von hier unterstützen?

Das ist unglaublich schwierig und man muss auch gut überlegen, inwiefern ein zu enger Kontakt und zu viel Initiative den Festgenommen schadet. Zwar ist das PsP-Programm auch dazu gedacht, Öffentlichkeit herzustellen, aber politische Gefangene in Belarus gehören zu den Fällen, in denen man abwägen muss, ob Öffentlichkeitsarbeit hilfreich für die „Schützlinge“ ist.

Ich habe schon vor Übernahme der Patenschaft – und bevor die Corona-Pandemie begann – im Rahmen von verschiedenen Veranstaltungen mit dem belarussischen Botschafter gesprochen und die Menschenrechtslage in dem Land kritisiert, auch im Hinblick auf die Todesstrafe, die dort praktiziert wird.

Darüber hinaus habe ich versucht, schriftlich Kontakt zu Svetlana Kupreeva aufzunehmen. Ich kann leider nicht einfach nach Belarus reisen, schon gar nicht als Kontaktperson einer festgenommenen Person. Es könnte sein, dass man mir die Einreise verwehren würde. Außerdem könnte eine Einreise in diesem Zusammenhang auch Auswirkungen in der Zukunft haben, zum Beispiel auf Visa-Anträge.

Aber ich habe zum Beispiel eine Weihnachtskarte geschickt. Es ist wichtig, irgendeine Möglichkeit zu finden, zu solchen Häftlingen Kontakt zu halten und ihnen mitzuteilen, dass man von ihrem Schicksal weiß und sie nicht allein sind. Auch auf Social Media haben wir auf ihr Schicksal hingewiesen und uns mit ihr solidarisiert.

Ob sie unsere Karten bekommt, wissen wir nicht. Sie kann auch nicht antworten. Aber ich bin mir sicher, dass sie über irgendeinen Kanal erfahren hat, dass wir uns für sie einsetzen.

Ist es schwierig, nicht die Motivation zu verlieren, wenn Sie gar nicht erfahren, ob ihre Hilfe ankommt?

Nein, denn mir ist es sehr wichtig, dass wir uns besonders auch für Menschen engagieren, die nicht so bekannt sind. Für junge Frauen zum Beispiel, die sich im Hintergrund sehr mutig für demokratische Werte – unsere Werte – einsetzen.

Manchmal kann dieser Einsatz der Beginn einer großen politischen Karriere sein – sofern die Menschen nicht aufgeben. Ich denke immer an Václav Havel, den früheren Präsidenten der Tschechoslowakei und daran, wie oft er im Gefängnis saß. Seine Lunge wurde durch die lange Zeit in feuchten Zellen zerstört, aber er hat sich nicht entmutigen lassen. Und es hat sich gelohnt: Nach der Revolution 1989 und dem Ende des Kommunismus wurde er der erste Präsident der Tschechoslowakischen Republik. Es war für uns alle wichtig, dass er nicht aufgegeben hat. Das ist mein Ansporn, mich für solche Menschen einzusetzen.

Zur Person

Renata Alt wurde 1965 in Skalica, in der damaligen Tschechoslowakei, geboren. Nach der Schule absolvierte sie ein Diplom-Ingenieur-Studium in Bratislava, Slowakei. 1993 war sie Wirtschaftsattaché im Generalkonsulat der Slowakischen Republik in München. 2009 trat sie in die FDP ein, seit 2017 ist sie Mitglied des Deutschen Bundestages. Sie ist Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. Mehr erfahrt ihr auf ihrem Profil auf bundestag.de.

(Mira Knauf)

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