Zum Inhalt springen

Abgeordnete Wie stehen Sie zum Werbeverbot?

Ärzte dürfen Schwangerschaften beenden. Doch nur unter bestimmten Voraussetzungen. Selbst darauf hinweisen, dass sie diese Leistung anbieten, dürfen sie nicht. Soll das so bleiben? Soll das "Werbeverbot" gelockert oder ganz abgeschafft werden? Abgeordnete aller Fraktionen beziehen Position.

CDU/CSU
Portraitfoto

Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU) © PR

Ärzte dürfen unter bestimmten Voraussetzungen Schwangerschaften beenden – für diese Leistung werben dürfen sie nicht. Ist das gut oder nicht gut?

Ich finde das Verbot richtig. Im Mittelpunkt muss das Kind stehen, das sich im Bauch der Mutter entwickelt. Das Bundesverfassungsgericht sagt, dass es schon Menschenwürde und Lebensrecht hat. Die Frau denkt aber oft vor allem an die Probleme, wenn sie ungewollt schwanger ist. Deshalb hat das Gericht gesagt, dass es wenigstens eine Beratung der Frau geben muss, die sie zu einer Entscheidung für das Kind ermutigt und sie über alle Ansprüche und Hilfsmöglichkeiten informiert. Die Frau entscheidet danach allein, ob sie das Kind bekommt, oder nicht. So ist es in Deutschland gesetzlich geregelt.

Die Beratung ist der einzige Schutz für das Kind. Ich finde, dass es keine Werbung geben darf, die die Beratung schwächt, indem sie eine Abtreibung verharmlost und so tut, als wäre das eine normale ärztliche Leistung. Werbung könnte am Ende nicht nur auf den Internetseiten der Ärzte erfolgen, sondern auch zum Beispiel in Zeitungsanzeigen.

Anlass für die aktuelle Debatte ist ein Urteil gegen eine Gießener Ärztin. Sie wurde zu einer Geldstrafe verurteilt. Was halten Sie von diesem Urteil?

Die Ärztin hat mehrmals gegen das Werbeverbot verstoßen, indem sie ihr Angebot zu Abtreibungen auf ihre Homepage gestellt hatte. In den Infos schreibt sie so, als ob das sich entwickelnde Kind bloß ein Zellhaufen wäre. Damit wollte sie Patientinnen finden, die die Abtreibung bei ihr machen lassen und dafür bezahlen. Das hat das Gericht als Werbung angesehen. Sie soll deshalb so viel Geld zahlen, wie sie an 40 Tagen verdient, also 6000 Euro. Das finde ich nicht zu viel und nicht zu wenig.

Gegner des Werbeverbots argumentieren zum einen, dass schwangere Frauen nur schwer an Informationen zu Abtreibung kämen. Zum anderen sagen einige, die geltende Regelung unterstelle Frauen, dass sie nicht verantwortungsvoll entscheiden könnten. Was sagen Sie dazu?

Das ist beides falsch! Alle Informationen – auch über alle medizinischen Fragen – kann jeder einfach im Internet googeln. Es gibt außerdem einige offizielle Listen mit Ärzten, die Abtreibungen durchführen. Am wichtigsten ist die vorgeschriebene Beratung bei einer unabhängigen, geschulten Beraterin, bei der über alle Fragen gesprochen werden kann. Zum Beispiel über Betreuungsmöglichkeiten, über Kindergeld und Elterngeld oder über Ansprüche gegenüber dem Vater des Kindes. Hier sollte die Frau auch eine Liste der Ärzte bekommen, zu denen sie gehen kann, wenn sie trotzdem die Abtreibung will. So sieht es unser Gesetz jetzt schon vor und es gibt einige gute Vorschläge, wie man das noch klarer regeln kann.

Das Gesetz achtet darauf, dass Beratung und Durchführung der Abtreibung immer strikt getrennt sind, damit die Beratung auch unabhängig und objektiv ist. Wenn die Frau sich für eine Abtreibung entscheidet, muss der Arzt sie natürlich persönlich nochmals ausführlich beraten. Das hat mit Werbung aber nichts mehr zu tun. Die geltende Regelung sagt, dass allein die schwangere Frau die schwierige Entscheidung über Abtreibung oder Geburt treffen kann und darf. Mehr Respekt vor der Frau und ihrer Entscheidung geht nicht.

Gleichzeitig kann man nicht abstreiten, dass Werbung die Menschen beeinflusst. Deshalb ist beispielsweise auch Werbung für gesundheitsschädliche Zigaretten oder für starke Medikamente ebenfalls an vielen Stellen verboten. Werbung für Abtreibung, die das als etwas Normales darstellt, würde mit der Zeit ebenfalls alle beeinflussen: nicht nur die Frau, sondern auch ihre Freunde und den Vater des Kindes, die dann sagen könnten: "Es ist doch nicht schlimm, wenn du das Kind abtreibst." Das halte ich für falsch.

Befürworter des Werbeverbots befürchten, dass Abtreibungen zum Geschäftsmodell für Ärzte werden könnten und ungeborenes Leben dadurch weniger geschützt wäre. Wie ordnen Sie das ein?

Es gibt jetzt schon Ärzte, die sehr viele Abtreibungen durchführen und daran auch nicht schlecht verdienen. Das ist aber nicht der kritische Punkt. Es gehört zur Gesamtregelung dazu, dass es auch Ärzte gibt, die dazu bereit sind; sonst wäre die Beratung ja nicht ehrlich. Die Ärzte sollen sich aber an die Regeln halten und Abtreibungen nicht durch Werbung oder einseitige Information verharmlosen.

Bei der Debatte geht es auch immer wieder um Abtreibungen generell. Diese sind in Deutschland zwar rechtswidrig, aber straffrei. Sollte auch das neu debattiert werden?

Nein. Die geltende Regelung schreibt der Frau nichts vor, bringt aber das Lebensrecht des Kindes zur Sprache, sodass es nicht einfach übergangen werden kann. Das Kind wird mit der Frau geschützt, nicht gegen sie. Eine bessere Regelung kenne ich nicht.

Über Elisabeth Winkelmeier-Becker:

Elisabeth Winkelmeier-Becker, geboren 1962, ist seit 2005 Mitglied der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag. Sie ist Mitglied im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, sowie im Wahlausschuss. Ihr Wahlkreis ist Rhein-Sieg-Kreis I in Nordrhein-Westfalen.

SPD
Portraitfoto

Eva Högl (SPD) © dpa

Ärzte dürfen unter bestimmten Voraussetzungen Schwangerschaften beenden – für diese Leistung werben dürfen sie nicht. Ist das gut oder nicht gut?

In der aktuellen Diskussion geht es nicht um Werbung für Schwangerschaftsabbrüche. Niemand möchte, dass Ärzte in reißerischer oder anpreisender Weise für Schwangerschaftsabbrüche werben. Mediziner müssen allerdings sachlich über Schwangerschaftsabbrüche informieren dürfen. Denn diese Informationen sind für schwangere Frauen unverzichtbar, um sich für oder gegen einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden zu können.

Anlass für die aktuelle Debatte ist ein Urteil gegen eine Gießener Ärztin. Sie wurde zu einer Geldstrafe verurteilt. Was halten Sie von diesem Urteil?

Das Urteil ist für die Gießener Ärztin Kristina Hänel eine harte Entscheidung. Tatsache ist allerdings, dass die aktuelle strafrechtliche Regelung Verurteilungen auch dann ermöglicht, wenn Ärztinnen wie Kristina Hänel nur Informationen über Schwangerschaftsabbrüche bereitstellen. Deshalb brauchen wir eine gesetzliche Änderung im Strafrecht, um sicherzustellen, dass zukünftig Mediziner keine Angst vor Verurteilungen mehr haben müssen, wenn sie lediglich über Schwangerschaftsabbrüche informieren.

Gegner des Werbeverbots argumentieren zum einen, dass schwangere Frauen nur schwer an Informationen zu Abtreibung kämen. Zum anderen sagen einige, die geltende Regelung unterstelle Frauen, dass sie nicht verantwortungsvoll entscheiden könnten. Was sagen Sie dazu?

Es ist in der Tat ein Problem, dass schwangere Frauen immer schwerer an gute und objektive Informationen über Schwangerschaftsabbrüche herankommen. Das hat auch damit zu tun, dass Abtreibungsgegner teilweise gezielt Anzeige gegen Ärzte erstatten, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Vor diesem Hintergrund besteht die naheliegende Gefahr, dass sich Mediziner aus Angst vor Anklagen und Verurteilungen nicht mehr trauen, objektive Informationen über Schwangerschaftsabbrüche anzubieten.

Befürworter des Werbeverbots befürchten, dass Abtreibungen zum Geschäftsmodell für Ärzte werden könnten und ungeborenes Leben dadurch weniger geschützt wäre. Wie ordnen Sie das ein?

Niemand bestreitet die große Bedeutung, die dem Schutz des ungeborenen Lebens nach dem Grundgesetz zukommt. Deswegen möchte ich nochmals betonen, dass es mir und der SPD-Bundestagsfraktion nicht um eine generelle Abschaffung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche geht. Reißerische und anpreisende Werbung für Schwangerschaftsabbrüche ist selbstverständlich vollkommen unangemessen und wird der Sensibilität des Themas überhaupt nicht gerecht. Sachliche Informationen hingegen müssen straffrei möglich sein, darum geht es uns.

Bei der Debatte geht es auch immer wieder um Abtreibungen generell. Diese sind in Deutschland zwar rechtswidrig, aber straffrei. Sollte auch das neu debattiert werden?

Die Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch in Deutschland sind das Ergebnis eines langen und kontrovers diskutierten Kompromisses. Bei der aktuellen Debatte geht es zunächst nicht um den generellen Umgang mit Schwangerschaftsabbrüchen, sondern darum, dass wir sicherstellen müssen, dass sachliche Informationen über Schwangerschaftsabbrüche straffrei möglich sind. Und ja, danach müssen wir das nochmal grundsätzlich diskutieren, denn das Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen hat im Strafrecht nichts zu suchen.

Über Eva Högl:

Dr. Eva Högl, geboren 1969, ist seit 2009 für die SPD im Bundestag. Sie ist Mitglied im Gemeinsamen Ausschuss und im Wahlausschuss und unter anderem Stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz. Ihr Wahlkreis ist Berlin-Mitte.

AfD
Portraitfoto

© Deutscher Bundestag / Julia Nowak

Ärzte dürfen unter bestimmten Voraussetzungen Schwangerschaften beenden – für diese Leistung werben dürfen sie nicht. Ist das gut oder nicht gut?

Ja, das ist richtig, weil es ansonsten zu einem Widerspruch führen würde: Man kann nicht einerseits über Paragraf 218 des Strafgesetzbuches dem Schutz des ungeborenen Lebens eine erhebliche Bedeutung beimessen und anderseits die Werbung für Abtreibungsmittel zulassen. Das Bundesverfassungsgericht hat den Schwangerschaftsabbruch nicht vollständig der werdenden Mutter überlassen.

Anlass für die aktuelle Debatte ist ein Urteil gegen eine Gießener Ärztin. Sie wurde zu einer Geldstrafe verurteilt. Was halten Sie von diesem Urteil?

Das Urteil ist nicht zu beanstanden. Es handelt sich um die Anwendung geltenden Rechts.

Gegner des Werbeverbots argumentieren zum einen, dass schwangere Frauen nur schwer an Informationen zu Abtreibung kämen. Zum anderen sagen einige, die geltende Regelung unterstelle Frauen, dass sie nicht verantwortungsvoll entscheiden könnten. Was sagen Sie dazu?

Schwangere Frauen haben genügend Möglichkeiten, an die erforderlichen Informationen zu gelangen. Nach der geltenden Rechtslage darf der behandelnde Arzt Auskünfte im persönlichen Gespräch erteilen, auch wenn er selbst den Eingriff vornimmt. Darüber hinaus bestehen bei den Verwaltungen der Gemeinden öffentlich zugängliche Listen, über die man sich zu Ärzten, die den Abbruch vornehmen, informieren kann.

Befürworter des Werbeverbots befürchten, dass Abtreibungen zum Geschäftsmodell für Ärzte werden könnten und ungeborenes Leben dadurch weniger geschützt wäre. Wie ordnen Sie das ein?

Diese Befürchtung teile ich nicht.

Bei der Debatte geht es auch immer wieder um Abtreibungen generell. Diese sind in Deutschland zwar rechtswidrig, aber straffrei. Sollte auch das neu debattiert werden?

Nein, das geltende Recht stellt einen mittlerweile bewährten Kompromiss dar zwischen dem Selbstbestimmungsrecht der Frau und dem Schutz des ungeborenen Lebens. Maßnahmen, die das ungeborene Leben beenden, sind ein Unrecht und deswegen prinzipiell erst einmal rechtswidrig. Daran sollte nichts verändert werden.

Über Jens Maier:

Jens Maier, geboren 1962, ist seit 2017 für die AfD im Bundestag. Er ist Obmann im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz und Mitglied im Gremium nach Artikel 13 des Grundgesetzes. Sein Wahlkreis ist Dresden I in Sachsen.

FDP

Stephan Tomae (FDP) © PR

Ärzte dürfen unter bestimmten Voraussetzungen Schwangerschaften beenden – für diese Leistung werben dürfen sie nicht. Ist das gut oder nicht gut?

Wir wollen keine Werbung für Schwangerschaftsabbrüche, wie etwa für eine Schönheitsoperation, das ist richtig. Schwangere, die sich nach Inanspruchnahme der gesetzlich vorgeschriebenen Beratungshilfen für eine Abtreibung entscheiden, sollten aber Zugang zu sachlichen Informationen haben, auch in zeitgemäßer Weise über das Internet. Niemand wird von einer sachlichen Information über Schwangerschaftsabbrüche dazu bewogen, eine Abtreibung vornehmen zu lassen.

Wir Freien Demokraten wollen aber auch nicht, dass grob anstößige Werbung künftig erlaubt wird. Schwangerschaftsabbrüche sind und bleiben nichts Alltägliches. Daher haben wir einen vermittelnden Vorschlag unterbreitet, der nicht die komplette Streichung des Paragrafen 219a des Strafgesetzbuches (StGB) einfordert, sondern die Werbung in grob anstößiger Weise weiterhin unter Strafe stellt. Sollte dieser vermittelnde Vorschlag keine parlamentarische Mehrheit finden, wird die FDP aber auch andere Wege mitgehen, mit der eine Änderung der Rechtslage erreicht werden kann.

Anlass für die aktuelle Debatte ist ein Urteil gegen eine Gießener Ärztin. Sie wurde zu einer Geldstrafe verurteilt. Was halten Sie von diesem Urteil?

Das Urteil ist der Beleg dafür, dass dringender gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht. Es ist absurd, dass ausgerechnet Ärzte nicht sachlich informieren dürfen. Bereits die Entscheidung des Amtsgerichts Gießen hat eine große Rechtsunsicherheit erzeugt. Deshalb ist der Gesetzgeber nun zur Klarstellung aufgerufen.

Gegner des Werbeverbots argumentieren zum einen, dass schwangere Frauen nur schwer an Informationen zu Abtreibung kämen. Zum anderen sagen einige, die geltende Regelung unterstelle Frauen, dass sie nicht verantwortungsvoll entscheiden könnten. Was sagen Sie dazu?

Auf jeden Fall ist doch klar, dass eine Frau sich heutzutage auch im Internet informieren will. Und was wäre naheliegender, als auch Informationen auf der Website eines Arztes einzuholen, der den Eingriff durchführt?

Befürworter des Werbeverbots befürchten, dass Abtreibungen zum Geschäftsmodell für Ärzte werden könnten und ungeborenes Leben dadurch weniger geschützt wäre. Wie ordnen Sie das ein?

Den Lebensschutz stellt aktuelle Modell der sogenannten "Fristenlösung" sicher, indem eine Beratung bei einer anerkannten Beratungsstelle Pflicht ist. Die Information eines Arztes, der den Abbruch vornimmt, kann und soll diese Beratung nicht ersetzen.

Bei der Debatte geht es auch immer wieder um Abtreibungen generell. Diese sind in Deutschland zwar rechtswidrig, aber straffrei. Sollte auch das neu debattiert werden?

Das Thema Schwangerschaftsabbrüche ist ein sittlich und ethisch ernstes Thema. Die Freien Demokraten stellen den in den 1990er Jahren gefundenen Kompromiss zum Schwangerschaftsabbruch auch nicht infrage. Paragraf 219a StGB ist allerdings kein tragender Pfeiler dieses Konstruktes, verhindert rechtlich keine Abtreibungen und leistet keinen Schutz werdenden Lebens. Er erschwert aber den Zugang zu zusätzlichen sachlichen Informationen für Frauen, die sich in einer Notsituation befinden.

Über Stephan Tomae:

Stephan Thomae, geboren 1968, ist seit 2017 für die FDP im Bundestag. Er ist Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium und im Gremium nach Artikel 13 Absatz 6 des Grundgesetzes, sowie unter anderem Stellvertretendes Mitglied im Rechts-Ausschuss. Sein Wahlkreis ist Oberallgäu, Bayern.

Die Linke
Portraitfoto

Cornelia Möhring (Die Linke) © PR

Ärzte dürfen unter bestimmten Voraussetzungen Schwangerschaften beenden – für diese Leistung werben dürfen sie nicht. Ist das gut oder nicht gut?

Zuerst einmal: Es geht bei der Diskussion um das sogenannte Werbeverbot im Kern nicht darum, ob Ärzte für Schwangerschaftsabbrüche werben dürfen oder nicht. Das Gesetz, genauer gesagt der Paragraph 219a im Strafgesetzbuch, verbietet Ärzten nämlich sogar schon, dass sie darüber informieren, dass sie Abbrüche durchführen und was bei diesem Eingriff genau gemacht wird. Und das ist auf jeden Fall nicht gut und nicht richtig. Ärzte müssen ihre Patienten informieren können. Frauen, die eine Schwangerschaft beenden wollen, müssen diese Informationen ohne große Hindernisse erhalten können.

Anlass für die aktuelle Debatte ist ein Urteil gegen eine Gießener Ärztin. Sie wurde zu einer Geldstrafe verurteilt. Was halten Sie von diesem Urteil?

Dass die Gießener Ärztin Kristina Hänel zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, finde ich skandalös. Vor allem finde ich aber das Gesetz falsch, auf dessen Grundlage das Urteil gesprochen wurde. Deshalb muss das Verbot, über Schwangerschaftsabbrüche zu informieren, abgeschafft werden. Dann können Ärzte auch nicht mehr deshalb verurteilt werden.

Gegner des Werbeverbots argumentieren zum einen, dass schwangere Frauen nur schwer an Informationen zu Abtreibung kämen. Zum anderen sagen einige, die geltende Regelung unterstelle Frauen, dass sie nicht verantwortungsvoll entscheiden könnten. Was sagen Sie dazu?

Es ist für Frauen schwer, an Informationen zu kommen. In manchen Bundesländern gibt es die Information darüber, welche Ärzte Schwangerschaftsabbrüche durchführen, noch nicht einmal bei der Pflichtberatung. Und wegen des Informationsverbots informieren die wenigsten Ärzte selbst darüber.

Noch schwieriger ist es, herauszufinden welche Methoden Ärzte oder Kliniken anbieten, welche Risiken welche Methode hat, wie die Abläufe in der jeweiligen Praxis sind, ob Frauen jemanden zur Unterstützung mitbringen dürfen. All das sind aber wichtige Informationen für Frauen, die sich in der schwierigen Situation einer ungewollten Schwangerschaft befinden. Gerade um eine für sich gute und richtige Entscheidung treffen zu können, brauchen Frauen also Informationen. Gerade deshalb muss das Verbot abgeschafft werden.

Und sowieso: Es ist ein Märchen von konservativen Männern, dass Frauen wegen einer Hochglanzwerbung auf einmal denken, "joa, so einen Schwangerschaftsabbruch wollte ich schon immer mal ausprobieren".

Befürworter des Werbeverbots befürchten, dass Abtreibungen zum Geschäftsmodell für Ärzte werden könnten und ungeborenes Leben dadurch weniger geschützt wäre. Wie ordnen Sie das ein?

Es gibt ohnehin gesetzliche Regelungen, wie Ärzte für medizinische Verfahren und Behandlungen werben dürfen. Es braucht also keine besondere Regelung für Schwangerschaftsabbrüche, sondern hier sollten dieselben Regeln gelten wie bei anderen Behandlungen auch.

Bei der Debatte geht es auch immer wieder um Abtreibungen generell. Diese sind in Deutschland zwar rechtswidrig, aber straffrei. Sollte auch das neu debattiert werden?

Ja, unbedingt. Schwangerschaftsabbrüche gehören nicht ins Strafgesetzbuch. Der Paragraph 218 besagt, dass Frauen nur dann eine Schwangerschaft abbrechen dürfen ohne bestraft zu werden, wenn sie sich zwangsberaten lassen. Frauen müssen aber selbst entscheiden können, ob sie eine Schwangerschaft fortsetzen oder abbrechen wollen. Und sie müssen auch selbst entscheiden können, ob sie Beratung benötigen oder nicht.

Statt Verboten und Zwang brauchen wir eine gesetzliche Regelung, die das Recht auf sichere Schwangerschaftsabbrüche wohnortnah und einfach zugänglich garantiert. Im Fall einer gewollten genauso wie im Fall einer ungewollten Schwangerschaft müssen Frauen schnell professionelle Unterstützung erfahren, wenn sie diese brauchen, weshalb unabhängige Beratungsstellen ausgebaut werden müssen.

Über Cornelia Möhring:

Cornelia Möhring, geboren 1960, ist seit 2009 für die Linke im Bundestag. Sie sitzt im Ausschuss für Arbeit und Soziales und ist stellvertretendes Mitglied im Familienausschuss, im Rechtsausschuss und im Unterausschuss für zivile Krisenprävention. Ihr Wahlkreis ist Pinneberg in Schleswig-Holstein.

Bündnis90/Die Grünen
Portraitfoto

Alle Schauws (Bündnis90/Die Grünen) © PR

Ärzte dürfen unter bestimmten Voraussetzungen Schwangerschaften beenden – für diese Leistung werben dürfen sie nicht. Ist das gut oder nicht gut?

Wenn eine Frau feststellt, dass sie ungewollt schwanger ist, dann ist vor allem wichtig, dass sie gute und schnelle Informationen auch online bekommt. Das sollte im 21. Jahrhundert möglich sein. Angst oder Panik sollten vermieden werden. Dieser Paragraf 219a aus dem Jahr 1933 im Strafgesetzbuch verhindert aber die Möglichkeit, dass Ärzte über ihre Homepage informieren können.

Das Wort "Werbung" ist hier irreführend. Es geht vielmehr um das Informationsrecht von Frauen und für Ärzte. Mediziner dürfen nach ihrem Berufsrecht gar nicht werben. Aber wenn die, die sich am besten mit Schwangerschaftsabbrüchen auskennen, nicht online darüber informieren dürfen, was zum Beispiel im Falle eines Schwangerschaftsabbruchs zu beachten ist, dann kann keine Rede sein von Informationsfreiheit oder Selbstbestimmung.

Bis eine Frau zu einer Beratungsstelle kommt, kann es einige Tage dauern. Frauen sollten sich aber jederzeit umfassend und vor allem bei einer seriösen Quelle online informieren können. Das wäre alles möglich ohne den Paragrafen 219a. Darum finde ich wichtig, dass dieser sehr bald aus dem Strafgesetzbuch gestrichen wird.

Anlass für die aktuelle Debatte ist ein Urteil gegen eine Gießener Ärztin. Sie wurde zu einer Geldstrafe verurteilt. Was halten Sie von diesem Urteil?

Ich finde dieses Urteil falsch und nicht zeitgemäß. Kristina Hänel und weitere angeklagte Mediziner nehmen ihre Aufgabe nämlich sehr ernst. Sie sagen, dass sie Frauen in allen Lebenslagen mit medizinischer Hilfe beistehen wollen. Hierzu gehört, Schwangere bestmöglich in ihrer Schwangerschaft zu begleiten. Aber zur Realität gehört auch, dass ungewollt Schwangere Hilfe und einen legalen Schwangerschaftsabbruch benötigen. Die Ärzte wurden dafür verurteilt, dass sie auf ihrer Homepage das Wort "Schwangerschaftsabbruch" stehen haben. Nicht dafür, dass sie legale Abbrüche vornehmen. Das ist wie ein Tabu und nicht nachvollziehbar.

Gegner des Werbeverbots argumentieren zum einen, dass schwangere Frauen nur schwer an Informationen zu Abtreibung kämen. Zum anderen sagen einige, die geltende Regelung unterstelle Frauen, dass sie nicht verantwortungsvoll entscheiden könnten. Was sagen Sie dazu?

Ich habe keine Zweifel, dass Frauen verantwortungsvoll entscheiden und mit ungewöhnlichen Lebenslagen umgehen können. Aber solange Paragraf 219a im Strafgesetzbuch steht, ist die Chance für Frauen, an seriöse und fundierte Informationen zu gelangen, beschränkt. Die Abtreibungsgegner hingegen stellen auf ihren Seiten im Internet eine Menge schrecklicher Bilder und teils falsche Informationen ein, die angstmachend und verstörend wirken können. Die Beratungsstellen beraten gut, aber aktuelle Praxisadressen für einen Abbruch haben sie für die Frauen oft auch nicht.

Befürworter des Werbeverbots befürchten, dass Abtreibungen zum Geschäftsmodell für Ärzte werden könnten und ungeborenes Leben dadurch weniger geschützt wäre. Wie ordnen Sie das ein?

Wenn man sich im Vergleich mal genau ansieht, dass Ärzte an einem Schwangerschaftsabbruch sehr viel weniger verdienen als an der Geburt eines Kindes, wird deutlich, wie absurd der Gedanke ist, dies als ein Geschäftsmodell zu bezeichnen. Ich war selbst bei den Gerichtsverhandlungen in Gießen und Kassel dabei, wo die Ärzte genau erläutert haben, was es für sie bedeutet, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen. Es ging nicht um die Frage, ob sie dies gerne machen, sondern vielmehr darum, die Entscheidung einer Patientin zu respektieren. Frauen müssen die schwierige Entscheidung treffen, ob sie einen Abbruch machen lassen wollen. Das kann nur die Frau selbst entscheiden. Und das hat mit Paragraf 219a wenig zu tun. Die Befürworter des Werbeverbotes zeigen damit, wie viel Misstrauen sie gegenüber Ärzten haben.

Über Ulle Schauws:

Ulle Schauws, geboren 1966, ist seit 2013 für die Grünen im Bundestag. Sie ist Stellvertretende Vorsitzende und Obfrau des Familenausschusses. Ihr Wahlkreis ist Krefeld II - Wesel II in Nordrhein-Westfalen.

Mehr zum Thema