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Jugendoffizier „Bundeswehr wird anders wahrgenommen“

Jugendoffiziere besuchen Schulen und diskutieren mit den Jugendlichen über Fragen rund um das Thema Bundeswehr. Hauptmann Jan Czarnitzki hat uns erzählt, dass sich die Gespräche in letzter Zeit verändert haben.

Porträt von Jugendoffizier Jan Czarnitzki

„Wir sprechen grundsätzlich an, was Sache ist“, sagt Jugendoffizier Jan Czarnitzki. Authentizität sei in seiner Funktion wichtig.© Bundeswehr

Sie sind Jugendoffizier bei der Bundeswehr. Was genau machen Sie in dieser Funktion?

Die Jugendoffizierinnen und Jugendoffiziere sind Teil der Informationsarbeit der Bundeswehr. Unser verfassungsrechtlicher Auftrag ist die sicherheitspolitische Information. Das heißt: Wir informieren über die Aufgaben und den Auftrag der Bundeswehr. Zu unserer Arbeit gehört es beispielsweise, Schulen zu besuchen und dort mit den Jugendlichen zu sprechen. Wir sind aber nicht für die Nachwuchsgewinnung zuständig. Es ist wichtig, das zu betonen.

Bei unserer Arbeit orientieren wir uns – wie Lehrkräfte – am Beutelsbacher Konsens. Für uns gilt also ebenfalls das Überwältigungsverbot und das Kontroversitätsgebot. Mit unserer Arbeit sollen Schülerinnen und Schüler befähigt werden, sich eine eigene Meinung zu bilden. Die Vorträge, die wir halten, unterstreichen wir ergänzend mit unserer eigenen Meinung.

Warum betonen Sie, dass Sie nicht für die Nachwuchsgewinnung zuständig sind?

Grundsätzlich trennen wir bei der Bundeswehr zwischen Informationsarbeit und Nachwuchsgewinnung. Beide Tätigkeiten werden aber häufig in einen Topf geworfen. Sobald ein Jugendoffizier etwa an einer Schule auftaucht, gehen viele davon aus, dass wir Nachwuchswerbung machen, weil angenommen wird, dass die Bundeswehr gar nichts anderes wollen könnte. Als Jugendoffiziere kommen wir immer auf Einladung einer Lehrkraft an die Schule.

Wieso haben Sie sich für diese Laufbahn entschieden?

Als Jugendoffizier muss man gewillt sein, sich der öffentlichen sicherheitspolitischen Debatte zu stellen und kontrovers zu diskutieren. Außerdem sollte man natürlich Freude daran haben, mit jungen Menschen zu arbeiten und mit Mitbürgerinnen und Mitbürgern ins Gespräch zu kommen. Jugendoffiziere, die aus allen Teilstreitkräften und Organisationsbereichen der Bundeswehr kommen können, verstehen sich als eine Art Bindeglied zwischen Bundeswehr und Gesellschaft. All diese Dinge treffen auf mich zu.

Als Jugendoffizier besuchen Sie regelmäßig Schulen und sprechen dort über Themen rund um Bundeswehr und Sicherheitspolitik. Wie nehmen Sie die Einstellung der Jugendlichen gegenüber der Bundeswehr aktuell wahr?

Die Einstellung der Jugendlichen zur Bundeswehr hat sich meinem Empfinden nach gewandelt. Früher gab es eher ein „freundliches Desinteresse“. Heute ist daraus ein aktiver Diskurs geworden. Es gibt eine gewisse Neugier und wir bekommen viel mehr Anfragen von Schulen. Ich glaube, deutschlandweit hat sich die Wahrnehmung der Bundeswehr etwas verändert.

Man merkt, dass die Notwendigkeit einer gut ausgestatteten und einsatzbereiten modernen Parlamentsarmee in das Bewusstsein der Leute zurückgekehrt ist.

Führen Sie das auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine zurück?

Ja, ein Krieg war für die junge Generation – und auch für meine Generation – viel zu abstrakt, um zu begreifen, was das eigentlich bedeutet. Der völkerrechtswidrige Angriff Russlands auf die Ukraine hat uns nun ganz konkret gezeigt, dass man sich das Unvorstellbare vorstellen muss.

Wir hatten in Mitteleuropa das Glück, für fast 80 Jahre in absolutem Frieden zu leben. Er war für uns selbstverständlich geworden. Schüler und Schülerinnen haben jetzt ein erhebliches Interesse daran, zu verstehen, wie es zu diesem Krieg kam, welche Auswirkungen er auf uns haben und was die Zukunft mit sich bringen wird. Sorgen und Ängste sind für uns alle plötzlich greifbar geworden.

Der Bundeswehr mangelt es an Nachwuchs. Oft ist die Berichterstattung über die Bundeswehr negativ. Aktuell geht es darum, dass die Soldaten noch keinen Cent von dem Sondervermögen gesehen haben, das vergangenes Jahr beschlossen wurde. Hängt das zusammen?

Da ich nicht für Nachwuchsgewinnung zuständig bin, fehlt mir der Einblick, warum genau die Quoten im Nachwuchsbereich so niedrig sind. Tatsache ist, dass sich die Bewerberzahlen in den vergangenen Jahren reduziert haben. Aber ich glaube nicht, dass das im Zusammenhang mit dem Sondervermögen und der Situation steht, dass noch kein neu beschafftes Material bei den Soldatinnen und Soldaten angekommen ist. Herstellung und Auslieferung dauern meist etwas länger.

Ich weiß beispielsweise, dass man den Dienstbeginn in einer Einheit testweise nach hinten verschoben hat: von sieben auf acht Uhr. Dort hat man zuvor mit einzelnen Rekrutinnen und Rekruten gesprochen und festgestellt, dass der frühe Dienstbeginn ein Hinderungsgrund ist, diesen Weg einzuschlagen, und auch zu einer hohen Abbrecherquote führt.

Fehlende Munition, marode Kasernen – der schlechte Zustand der Bundeswehr ist seit Jahren Thema im Bundestag und in den Medien. Was sagen Sie Jugendlichen, die danach fragen?

Jugendoffiziere sprechen grundsätzlich das an, was Sache ist. Wir ordnen in aller Deutlichkeit Missstände innerhalb der Bundeswehr ein – sei es im Bereich Infrastruktur, Material oder Personal. Mir persönlich ist sehr daran gelegen, diese Themen nicht nur offen anzusprechen, sondern auch klar und deutlich darauf hinzuweisen, was diese Mängel für den Alltag von Soldatinnen und Soldaten bedeuten: Sie können zum Beispiel nicht ausreichend ausgebildet werden. Auf der anderen Seite erwartet man aber, dass die Truppe etwa in Krisengebieten einen herausfordernden Auftrag erfüllt. Das passt meiner Meinung nach nicht zusammen.

Jugendoffiziere orientieren sich immer an dem Credo: Authentizität und Transparenz ergibt Glaubwürdigkeit. Damit arbeiten wir und so begegnen wir der Öffentlichkeit.

Zur Person

Jan Czarnitzki

Hauptmann Jan Czarnitzki ist 1984 in Berlin geboren. Nach seinem Abitur 2004 trat er seinen Dienst in der Bundewehr an und ließ sich zum Offizier und Fluglotsen ausbilden. Während seiner Zeit als Fluglotse war er unter dem ISAF Mandat in Afghanistan tätig und bildete afghanische Fluglotsen in Masar-e Scharif aus. Seit 2017 arbeitet er als Jugendoffizier in Berlin.

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