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Wehrbericht Fraktionen diskutieren Zustand der Bundeswehr

Der Bundeswehr mangelt es an Material und Personal. Die Wehrbeauftragte kritisiert den Zustand der Truppe im aktuellen Wehrbericht. Im Plenum diskutierten die Fraktionen darüber.

Eine Fahrschule des Kampfpanzers Leopard 2 fährt durch matschiges Gelände, Wasser spritzt hoch.

Fahrschule mit dem Leopard 2: Die Bundeswehr unterstützt ukrainische Soldaten in der Ausbildung. Eine der vielen aktuellen Herausforderungen, um die es im Wehrbericht geht.© Bundeswehr/Susanne Hähnel

Von Kasernen in „erbärmlichen Zustand“ spricht die Wehrbeauftragte Eva Högl (SPD) in ihrem aktuellen Wehrbericht, den sie Anfang März an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas übergeben hat. Einmal im Jahr legt die „Anwältin der Soldaten“ dem Deutschen Bundestag diesen Bericht vor.

Sondervermögen nicht ausreichend

Seit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine wird der Zustand der Bundeswehr mit größerer Sorge gesehen. Im Juni 2022 wurde deshalb ein Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro beschlossen. Damit sollte die Bundeswehr auf Vordermann gebracht und die Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit gestärkt werden. Im vergangenen Jahr sei bei den Soldaten aber „noch kein Cent aus dem Sondervermögen angekommen“. Das Beschaffungswesen sei „zu behäbig“, kritisiert Högl im Wehrbericht.

Die Wehrbeauftragte

Die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages wird auch die „Anwältin der Soldaten“ genannt. Ihre Mission: Aufklären und Abhilfe schaffen. Wenn Soldaten Probleme haben, können sie sich – auf Wunsch anonym – an sie wenden. Außerdem besucht sie regelmäßig unangekündigt die deutschen Truppen. 2022 war die Wehrbeauftragte 100 Tage unterwegs und hat mehr als 70 Standorte im In- und Ausland besucht. Einmal im Jahr legt die Wehrbeauftragte dem Deutschen Bundestag einen Bericht über den Zustand der Truppe vor.

Steigende Verteidigungsausgaben auch in Zukunft

Zudem hält die Wehrbeauftragte des Bundestages das 100-Milliarden-Sondervermögen für nicht ausreichend, um die volle Einsatzbereitschaft der Streitkräfte herzustellen. Dafür sei nach Einschätzung von Militär-Experten eine Summe von insgesamt 300 Milliarden Euro notwendig, schreibt Högl. Unter anderem hänge das mit steigenden Preisen auf dem Energie- und Rohstoffmarkt zuammen. Außerdem bringe die internationale Nachfrage nach militärischer Ausrüstung, die durch den Ukraine-Krieg entstanden sei, höhere Kosten mit sich.

Verteidigungspflicht gewährleisten

Die Wehrbeauftragte mahnt, Deutschland müsse angesichts des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine seine Verpflichtungen gegenüber der Nato erfüllen. Högl fordert deshalb vor allem eine deutlich schnellere Beschaffung von militärischer Ausrüstung.

Die angestoßenen Reformen bei der Beschaffung müssten „mit Hochdruck“ beschleunigt werden. Gleiches gelte auch für die Sanierung von Infrastruktur und Kasernen. Wenn es bei dem aktuellen Tempo und den bestehenden Rahmenbedingungen bliebe, würde es etwa ein halbes Jahrhundert dauern, bis allein nur die jetzige Infrastruktur der Bundeswehr komplett saniert wäre, schreibt Högl.

Großer Personalmangel

Ein großes Problem ist laut Wehrbericht auch die derzeitige Personalsituation: Bis 2021 sollte die Truppe auf 203.000 Soldaten vergrößert werden. Die Truppenstärke Ende des vergangenen Jahres habe bei ungefähr 183.000 gelegen. Damit sei die Truppe sogar kleiner als im Vorjahr. Zudem habe sich das Bewerberaufkommen um rund elf Prozent verringert. Viele Einheiten hätten so im vergangenen Jahr unter einer hohen Zahl unbesetzter Dienstposten gelitten.

In einer knapp 70-minütigen Debatte diskutierten die Fraktionen am 21. April im Bundestag über den Bericht und seine Ergebnisse.

Wehrbeauftragte Eva Högl: „Von allem zu wenig“

Die Bundeswehr habe von allem zu wenig, sagte Eva Högl zu Beginn der Bundestagsdebatte mit Blick auf das Thema Materialmängel. Aber obwohl von dem Sondervermögen 2022 noch nichts ausgegeben worden sei, sei spürbar, dass es voran gehe. In Sachen Beschleunigung sei nun einiges auf den Weg gebracht worden, so die Wehrbeauftragte.

Högl betonte, dass die Bundeswehr neben Material auch eine moderne Infrastruktur benötige. Das betreffe etwa Unterkünfte, Toiletten, Duschen, Sportanlagen, Truppenküchen. Man brauche aber auch mehr Digitalisierung. Das wichtigste Thema für Högl sei allerdings das Thema Personal. Zwar seien im vergangenen Jahr zwölf Prozent mehr Personal eingestellt worden. Die Abbrecherquote liege aber innerhalb der ersten sechs Monate bei 21 Prozent.

SPD: „Zwei Prozent sind Ziel für Verteidigungshaushalt“

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) betonte ebenfalls, dass es für die Bundeswehr besonders wichtig sei, Personal zu gewinnen und zu halten. Denn ohne die richtigen Männer und Frauen seien die Aufgaben, die vor der Bundeswehr lägen, nicht zu bewältigen.

Pistorius kam auch auf die Fälle von Rechtsextremismus zu sprechen: Die gebe es zwar, der überwiegende Teil der Truppe stehe aber fest auf dem Boden des Grundgesetzes, sagte er. Zudem hoffe er, die Novelle des Soldatengesetzes könne noch in Kürze eingebracht werden. Zur Erklärung: Das neue Soldatengesetz soll ermöglichen, rechtsextreme Soldaten schneller zu entlassen.

Außerdem betonte der Minister, dass zwei Prozent das Ziel für den Verteidigungshaushalt seien und blieben. Damit ist gemeint, dass zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung ausgegeben werden sollen.

CDU: „Wehrbericht ist eine Warnung“

Der Wehrbericht sei eine Warnung vor dem „Weiter-so“, sagte Kerstin Vieregge von der Unionsfraktion. Das Jahr 2022 sei eine große Chance für die Bundeswehr gewesen, da durch den Ausbruch des Krieges großes öffentliches Interesse an der Truppe entstanden sei. Die Bundesregierung habe versäumt, die Situation zu nutzen und hätte deutlicher erklären müssen, was mit dem Sondervermögen erreicht werden könne.

Vieregge erklärte, sie halte die Finanzsprite von 100 Milliarden für notwendig, aber sie sei nur ein Notpflaster. Die derzeitige Finanzplanung der Ampel sei fahrlässig, so die Abgeordnete, die auch kritisierte, dass die Ampel den Verteidigungshaushalt sogar gekürzt und für die nächsten Jahre gedeckelt habe.

Grüne: „Brauchen gute Arbeits- und Lebensbedingungen“

Man brauche gute Arbeits- und Lebensbedingungen für die Angehörigen der Bundeswehr und ihre Familien, sagte Merle Spellerberg von der Grünenfraktion. Geld allein mache die Bundeswehr nicht attraktiv. Auch effiziente Strukturen und Gleichstellung von Männern und Frauen seien beispielsweise notwendig. Soldatinnen erlebten immer noch Sexismus und die Meldungen von sexualisierter Gewalt seien im vergangenen Jahr mit mehr als 50 Fällen im Vergleich zum Vorjahr gestiegen, merkte die Abgeordnete an.

Auch Spellerberg sprach das Thema Rechtsextremismus an: 2022 seien knapp 200 Fälle von rechtsextremer Gesinnung in den Reihen der Bundeswehr dokumentiert worden. Hier müsse gehandelt werden, forderte sie.

FDP: „Die Mängel stellen wir ab“

Marcus Faber von der FDP-Fraktion versprach, dass die im Wehrbericht beschrieben Mängel abgestellt würden. Als erste Maßnahme habe man deshalb persönliche Ausrüstung für die Soldatinnen und Soldaten bestellt. Diese Investitionen würden nicht als Selbstzweck getätigt, sondern weil sie zum Schutz des Landes und der Gesellschaft notwendig seien, so Faber. Man investiere jetzt in die Bundeswehr, um später nicht in Prothesen investieren zu müssen. Denn man habe jetzt die Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass Deutschland und die Bündnispartner keine leichten nächsten Opfer für Putin seien.

AfD: „Ein verheerendes Zeugnis“

Die AfD-Fraktion stelle schon seit Jahren die Forderungen, die von Eva Högl im Bericht formuliert würden, sagte Hannes Gnauck (AfD). Ein Jahr nach der Zeitenwende sei das Zeugnis, das die Wehrbeauftragte ausstelle, ein verheerendes. Gnauck kritisierte die Abgabe von militärischem Gerät an die Ukraine: Man brauche sich nicht wundern, dass die eigene Armee blank dastehe. Zudem kam er auf die Personalprobleme zu sprechen und sagte, man versuche, die falschen Leute anzusprechen. Gnauck zufolge wolle die Regierung ein „cooles Start-up mit Genderstern, Regenbogenfähnchen“. Das sei aber keine richtige Armee.

Linke: „Beschaffungswesen ist Fass ohne Boden“

Ali Al-Dailami von der Linksfraktion kritisierte, dass der Wehrbericht keine Erklärung für das „Versickern von Steuergeldern im Beschaffungswesen“ liefere. Solange die Rüstungsindustrie nicht in die Pflicht genommen werde, für Verzögerungen und Kostensteigerungen zu haften, bleibe das Beschaffungswesen ein Fass ohne Boden. Der Abgeordnete kritisierte zudem, dass die Bundesregierung sich bisher nicht verpflichtet habe, keine Minderjährigen zu rekrutieren. Die Bundesregierung ignoriere eine entsprechende Aufforderung der Vereinten Nationen, so Al-Dailami. Er forderte, diese Rekrutierungspraxis zu beenden.

Die komplette Bundestagsdebatte seht ihr hier im Video, das Protokoll findet ihr wie immer auf bundestag.de.

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