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Das Amt der Wehrbeauftragten Was macht die Anwältin der Soldaten?

Mobbing, kaputte Panzer, Horror-Chefs – wenn Soldaten Probleme haben, können sie sich an die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages wenden. Wir erklären, wie sie hilft und warum es sie gibt.

Wehrbeauftragte Eva Högl (links) übergibt den Wehrbericht Bundestagsvizepräsidentin Kathrin Göring-Eckardt

Eine der Aufgaben der Wehrbeauftragten ist es, den jährlichen Wehrbericht an den Bundestag zu übergeben – in diesem Fall an Vizepräsidentin Kathrin Göring-Eckardt (rechts). © DBT/Leon Kügeler/photothek

„Fettes Bauernstück“ hatte der Hauptfeldwebel zu ihm gesagt, als der Stabsunteroffizier seine Waffe nicht richtig zusammensetzte. Es kam noch schlimmer: Er nannte ihn „Scheiß-Sanitäter“ und trat ihm ins Gesäß.

Wenn Soldaten Derartiges widerfährt und sie vor Ort nicht weiterkommen, können sie sich an sie wenden: die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages – und zwar ohne dass die Betroffenen ihre Vorgesetzten um Erlaubnis fragen müssen. Auf Wunsch bleibt das Ganze anonym. „Anwältin der Soldaten“ wird die Wehrbeauftragte daher auch genannt. Ihre Mission: Aufklären und Abhilfe schaffen.

Auf dem Laufenden bleiben

Ob aus dem Einsatz in Mali, dem Nato-Hauptquartier in Litauen oder einer Dienststelle in Deutschland: 2.606 Bitten und Beschwerden von Soldaten gingen 2021 bei der Wehrbeauftragten ein. Daneben gibt es auch sogenannte „meldepflichtige Ereignisse“, von denen sie und ihr Team beim Parlament ohnehin erfahren müssen.

Doch die Wehrbeauftragte wartet nicht nur, bis ein Missstand auf ihrem Schreibtisch landet. Sie besucht auch häufig unangekündigt die deutsche Truppe im In- und Ausland, um auf dem Laufenden zu sein. Kriegt sie mit, dass irgendwo etwas schiefläuft, schreibt sie mit.

Schwarz auf Weiß

Einmal im Jahr legt die „Anwältin der Soldaten“ dem Deutschen Bundestag einen Bericht vor. Der sorgt immer für Schlagzeilen in den Medien. Denn in dem über 100 Seiten dicken Schriftstück steht schwarz auf weiß, wo bei der Bundeswehr der Schuh drückt. Was alles gut läuft – so viel sei an dieser Stelle noch gesagt – bleibt außen vor.

Mieses Verhalten von Vorgesetzte gegenüber nachgeordnetem Personal, unterirdische Umgangsformen zwischen den Soldaten, Probleme bei Waffen, Panzern oder Hubschraubern, weil zum Beispiel Ersatzteile fehlen, mangelhafte Unterkünfte oder etwa Papierkrieg und unsinnige Bürokratie – all das kommt schonungslos ans Licht. Dabei stechen manche Vorfälle besonders ins Auge, etwa wenn es um sexuelle Übergriffe, Fremdenfeindlichkeit oder anderen Extremismus geht.

Die Parlamentsarmee

Doch warum sitzt die Person, die sich um Missstände in der Bundeswehr kümmert, beim Parlament und nicht etwa im Bundesministerium für Verteidigung? Die Bundeswehr ist eine sogenannte Parlamentsarmee. Mehr dazu erfahrt ihr in unserem Video-Beitrag.

Hüterin der Grundrechte

Um sicherzustellen, dass das Band zwischen den Streitkräften und dem Parlament hält, wurde 1956 ein eigenes Amt geschaffen – das Amt der Wehrbeauftragten. Sie ist das Bindeglied zwischen den beiden Welten, und sie hat eine ganze Reihe von Aufgaben.

Ihre Kernaufgabe: Über die Grundrechte von Soldaten wachen und kontrollieren, ob die sogenannten Grundsätze der Inneren Führung eingehalten werden.

Der Kodex

Doch was genau heißt das? Die „Innere Führung“ ist eine Art Kodex, nach dem Soldaten handeln und denken sollen. Dazu gehören: Menschenwürde, Freiheit, Frieden, Gerechtigkeit, Gleichheit, Solidarität und Demokratie. Soldatisches Handeln ist diesen Werten verpflichtet.

Soldaten nennt man in Deutschland auch Staatsbürger in Uniform. Das bedeutet, dass sie – wie alle anderen Bürger des Landes auch – den Werten und Normen des Grundgesetzes verpflichtet sind und dass sie im Gegenzug durch Werte und Grundrechte geschützt werden.

Extra Stuhl

Die Wehrbeauftragte ist weder Beamtin noch Abgeordnete, ihre besondere Stellung sieht man auch daran, dass sie einen eigenen Sitz im Plenarsaal des Bundestages hat. Ernannt wird sie von der Bundestagspräsidentin, trotzdem ist sie eine unabhängige Parlamentsbeauftragte. Aktuell hat das Amt Eva Högl (SPD) inne.

Mit Fingerspitzengefühl

Dabei kann es passieren, dass die Wehrbeauftragte mit Beschlüssen des Parlaments über Kreuz liegt. Etwa, wenn der Bundestag einen Einsatz der Bundeswehr beschließt, der aber von den Truppen kritisiert wird – zum Beispiel wenn aus Sicht der Soldaten gar nicht genügend Personal oder Material für den vorgesehenen Einsatz zur Verfügung stehen. In solchen Fällen ist es auch die Aufgabe der Wehrbeauftragten, zwischen dem Parlament und den Streitkräften zu vermitteln.

Vermittlung mit Fingerspitzengefühl ist auch oft gefragt, wenn es um einzelne Vorfälle zwischen den Soldaten geht. Doch wo guter Wille nicht hilft oder gar ein Dienstvergehen vorliegt, gibt es auch andere Konsequenzen. Der Hauptfeldwebel mit dem unflätigen, gewalttätigen Verhalten wurde übrigens durch das Truppendienstgericht zu einer empfindlichen Disziplinarmaßnahme verurteilt.

(ls)

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