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Grundgesetz Die Anatomie unserer Demokratie

Naomi Webster-Grundl und Jasmin Nimmrich

Was hält unseren demokratischen Rechtsstaat zusammen? Wer stellt sicher, dass das Grundgesetz gewahrt wird? Und wie kontrollieren sich die Gewalten? Wir haben uns die Verfassungsorgane näher angeschaut.

Bundestag
Blick auf den vollen Plenarsaal des Deutschen Bundestages.

Der Plenarsaal des Deutschen Bundestages. © IMAGO / IPON

Der Bundestag ist das deutsche Parlament auf Bundesebene und das einzige Verfassungsorgan, das direkt vom Volk gewählt wird. Die Abgeordneten, die im Bundestag sitzen, werden im Normalfall alle vier Jahre durch freie Wahlen bestimmt. Sie sind nach Artikel 38 des Grundgesetzes Vertreterinnen und Vertreter des ganzen Volkes und nur ihrem eigenen Gewissen verpflichtet. An der Spitze des Bundestages steht die Bundestagspräsidentin beziehungsweise der Bundestagspräsident. Protokollarisch ist dies nach dem Amt des Bundespräsidenten das zweithöchste in der Bundesrepublik Deutschland.

Im Bundestag geht es darum, sich auszutauschen, unterschiedliche Standpunkte zu diskutieren, um darauf beruhend Entscheidungen zu treffen. Der Bundestag beschließt in seiner Funktion als Legislative neue Gesetze oder ändert bereits bestehende Gesetze, die für alle Menschen in Deutschland gelten. Er entscheidet über den Haushalt des deutschen Staates, also darüber, wofür in Deutschland wie viel Geld ausgegeben werden darf. Der Bundestag wählt die Bundeskanzlerin oder den Bundeskanzler und kontrolliert im Sinne der Gewaltenteilung die Bundesregierung (Exekutive), die den Bundestag über ihre Vorhaben oder bereits geschehene Handlungen informieren muss. Darüber hinaus ist der Bundestag an der Bestellung der Richter des Bundesverfassungsgerichts beteiligt. Außerdem entscheidet der Bundestag über Einsätze der Bundeswehr und genehmigt Verträge, die Deutschland mit anderen Staaten eingeht. Um mögliche Missstände aufzuklären, kann der Bundestag Untersuchungsausschüsse einrichten.

Die Aufgaben des Bundestages sind im Grundgesetz in Abschnitt III geregelt.

Bundesrat
Blick in den Sitzungssaal des Deutschen Bundesrates.

Der Bundesrat tritt alle drei bis vier Wochen, jeweils freitags, zu einer Plenarsitzung zusammen © picture alliance / photothek | Michael Gottschalk

Durch den Bundesrat wirken die 16 Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland an der Gesetzgebung des Bundes mit. Bei Änderungen des Grundgesetzes oder Gesetzen, die in bestimmter Weise Auswirkungen auf die Finanzen der Länder haben oder für deren Umsetzung in die Organisations- und Verwaltungshoheit der Länder eingegriffen werden muss, bedarf es der Zustimmung des Bundesrates. Diese Gesetze nennt man auch Zustimmungsgesetze. Im Fall von Einspruchsgesetzen kann der Bundesrat Einspruch erheben und somit seine abweichende Meinung kundtun. Kommt es zu einem Einspruch des Bundesrates kann dieser durch den Deutschen Bundestag überstimmt werden. Außerdem hat der Bundesrat ein Initiativrecht, er kann also selbst Gesetze entwerfen und die Entwürfe dem Deutschen Bundestag zur Beratung und Abstimmung vorlegen.

Jedes Bundesland ist im Bundesrat durch drei bis sechs Mitglieder der eigenen Landesregierung vertreten. Somit ändern sich mit einer Landtagswahl und einem Regierungswechsel unter Umständen auch die Mitglieder, die in den Bundesrat entsandt werden. Wie viele Stimmen ein Bundesland im Bundesrat hat, entscheidet sich anhand der Einwohnerzahl – so sitzen beispielsweise für das Saarland drei stimmberechtigte Vertreter und Vertreterinnen im Bundesrat, für Baden-Württemberg sind es sechs. Insgesamt hat der Bundesrat 69 Mitglieder. Bei den Abstimmungen im Bundesrat spricht jede Landesdelegation mit einer Stimme. Wenn also das Bundesland Thüringen im Bundesrat für einen Gesetzesentwurf stimmt, werden alle vier Stimmen der Landesvertreter gewertet. Bei Abstimmungen über Gesetzesentwürfe reicht eine einfache Mehrheit des Bundesrates, um sich für oder gegen diese auszusprechen. Für eine Änderung des Grundgesetzes ist eine Zweidrittelmehrheit nötig.

Jedes Jahr am 1. November kommt ein neuer Bundesratspräsident oder eine neue Bundesratspräsidentin ins Amt. Der Vorsitz rotiert zwischen den Regierungschefs der 16 Bundesländer. Zu seinen Aufgaben gehört es unter anderem, die Plenarsitzungen einzuberufen und zu leiten. Außerdem hat der Bundesratspräsident oder die Bundesratspräsidentin die Aufgabe, stellvertretend für den Bundespräsidenten tätig zu werden.

Die Befugnisse und Aufgaben des Bundesrates werden im Grundgesetz in Abschnitt IV in Artikel 50 bis 53 geregelt.

Bundespräsident
Blick auf ein großes weißes Gebäude, das wie ein Schloss anmutet. Davor ein gepflegter Vorgarten mit kurzem Rasen und akkurat geschnittenen Bäumen.

Der Sitz des Bundespräsidenten ist das Schloss Bellevue, das sich im Berliner Tiergarten befindet. © picture-alliance / akg-images

Der Bundespräsident ist das Staatsoberhaupt und repräsentiert die Bundesrepublik Deutschland nach innen und außen. Zu den Repräsentationsaufgaben gehören unter anderem Staatsbesuche im Ausland und der Empfang ausländischer Staatsgäste in Deutschland.

Der Bundespräsident ist für die Ernennung und Entlassung des Bundeskanzlers und der Bundesminister einer neuen Regierung zuständig. Ebenso kann der Bundespräsident den Bundestag als Ganzes auflösen. Zuvor muss es entweder zum Scheitern der Kanzlerwahl kommen oder dazu, dass „ein Antrag des Bundeskanzlers, ihm das Vertrauen auszusprechen, nicht die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages“ findet, wie es im Grundgesetz heißt. Außerdem hat der Bundespräsident das Ordensrecht des Bundes und verleiht den Bundesverdienstorden an Personen, die Herausragendes für das Gemeinwohl geleistet haben.

Der Bundespräsident ist auch die Person, der Gesetze vor dem Inkrafttreten zur Prüfung und Unterzeichnung vorgelegt werden müssen. Äußert der Bundespräsident Bedenken am Gesetzgebungsverfahren oder der Einhaltung des Grundgesetzes und verweigert seine Unterschrift, kann ein Gesetz nicht in Kraft treten. Dies ist zuletzt 2020 geschehen, als der amtierende Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität nicht unterzeichnete.

Die Befugnisse und Aufgaben des Bundespräsidenten werden im Grundgesetz in den Artikeln 54 bis 61 geregelt.

Bundesregierung
Blick auf die blauen Sitze der Regierungsbank im Plenarsaal des Deutschen Bundestages.

Die Regierungsbank im Plenarsaal des Deutschen Bundestages: Hier ist Platz für die Ministerinnen und Minister - und für den Kanzler, dessen Stuhl man an der leicht höheren Rückenlehne erkennt. © picture alliance / photothek | Thomas Trutschel

Die Bundesregierung besteht aus dem Bundeskanzler und den Bundesministern und Bundesministerinnen, die die Bundesministerien leiten. Die Bundesregierung ist Teil der Exekutive, also der vollziehenden Gewalt im Staat und setzt die Gesetze um, die der Bundestag und der Bundesrat beschlossen haben. Sie kann auch eigene Gesetzesvorlagen in den Bundestag einbringen. Sie bereitet in Verhandlungen Verträge mit anderen Ländern vor und gestaltet die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland.

Der Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin wird vom Bundestag gewählt, leitet die Geschäfte der Bundesregierung, bestimmt die Richtlinien ihrer Politik, legt die Anzahl und Zuständigkeiten der Bundesministerien fest und wählt die Bundesministerinnen und -minister aus. Die vom Bundeskanzler vorgeschlagenen Bundesminister müssen vom Bundespräsidenten ernannt werden. Die Bundesregierung nennt man auch Bundeskabinett, das sich einmal pro Woche trifft, um sich zu beraten. Als Regierungschef hat der Bundeskanzler die Richtlinienkompetenz über die Regierungspolitik. Diese umfasst die Vorgabe eines Rahmens für das Regierungshandeln, den die einzelnen Ministerien mit Inhalten füllen. Innerhalb der vom Bundeskanzler bestimmten Richtlinien leiten alle Bundesminister und -ministerinnen ihre Geschäftsbereiche selbstständig und unter eigener Verantwortung.

Die Zusammensetzung und Aufgaben der Bundesregierung sind in Abschnitt VI des Grundgesetzes geregelt.

Bundesverfassungsgericht
Seitlicher Blick auf einen Tisch mit Dokumenten. Personen mit Bleistiften in den Händen schreiben auf und hantieren mit dem Papier.

Die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichtes tragen rote Seidenroben. © picture alliance/dpa | Uli Deck

Das Bundesverfassungsgericht wacht über die Einhaltung des Grundgesetzes und gilt damit als „Hüter der Verfassung“. Die Existenz des Bundesverfassungsgerichts ist in ebendiesem Grundgesetz in Artikel 92 bis 94 festgeschrieben. Seine Arbeit nahm das Gericht im September 1951 in Karlsruhe auf. Damals saßen jeweils zwölf Richter in den beiden Senaten. Heute sind es in jedem Senat acht Richterinnen und Richter, also insgesamt 16, die jeweils zur Hälfte von Bundestag und Bundesrat gewählt werden. 

Die beiden Senate haben dabei unterschiedliche Zuständigkeiten. Der Erste Senat ist für die sogenannten Normenkontrollen verantwortlich, er befasst sich also mit der Vereinbarkeit von Gesetzen und Vorschriften mit den Grundrechten. Außerdem bearbeiten die Richterinnen und Richter des Ersten Senates die Verfassungsbeschwerden, die an das Bundesverfassungsgericht herangetragen werden. Der Zweite Senat befasst sich wiederum mit der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern sowie den Verfassungsorganen untereinander. Ernannt werden die Richterinnen und Richter durch den Bundespräsidenten. Der Eid, den sie dabei leisten müssen, lautet: „Ich schwöre, dass ich als gerechter Richter allezeit das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland getreulich wahren und meine richterlichen Pflichten gegenüber jedermann gewissenhaft erfüllen werde. So wahr mir Gott helfe.“ 

Alle Bürgerinnen und Bürger, die sich in ihren Grundrechten verletzt glauben, können beim Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde einreichen. Ebenso können andere Gerichte, die verabschiedete Gesetze für verfassungswidrig halten, das Bundesverfassungsgericht anrufen. Zwischenstaatliche Organe, wie zum Beispiel die Europäische Union, können sich bei Meinungsverschiedenheiten an das Bundesverfassungsgericht wenden. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgericht sind unanfechtbar und alle anderen Staatsorgane in Deutschland sind an seine Rechtsprechung gebunden. 

Die Zusammensetzung und die Aufgaben des Bundesverfassungsgerichtes sind im Grundgesetz in Abschnitt IX von Artikel 92 bis 94 geregelt.

Nichtständige Verfassungsorgane

Neben den fünf ständigen Verfassungsorganen gibt es auch zwei nichtständige Organe, die nur zu bestimmten Anlässen zustande kommen.

Gemeinsamer Ausschuss
Blick auf die Rücken von Soldaten in Einsatzkleidung mit Schutzhelmen, eine Deutschlandflagge weht über ihnen.

Das Parlament erhält durch den Gemeinsamen Ausschuss während des Verteidigungsfalls Kontroll- und Informationsrechte. © Bundeswehr/Marco Dorow

Der Gemeinsame Ausschuss der Bundesrepublik Deutschland tritt nur zusammen, falls sich der Deutsche Bundestag im Verteidigungsfall aufgrund unüberwindlicher Hindernisse nicht versammeln kann. Es handelt sich also um ein Notparlament, das zu einem Drittel aus Mitgliedern des Deutschen Bundesrates und zu zwei Dritteln aus Mitgliedern des Deutschen Bundestages gebildet wird. Die insgesamt 48 Mitglieder des Gemeinsamen Ausschusses nehmen dann die Aufgaben von Bundestag und Bundesrat wahr. Er darf in dieser Vertretungsfunktion aber weder das Grundgesetz ändern, noch die Hoheitsrechte, also die Staatsgewalt, übertragen oder das Deutsche Bundesgebiet neu gliedern. Die amtierende Bundestagspräsidentin oder der Bundestagspräsident hat den Vorsitz des Gemeinsamen Ausschusses inne. Bis heute musste der Gemeinsame Ausschuss noch nicht zusammentreten.

Die Befugnisse des Gemeinsamen Ausschusses sind in Artikel 53a des Grundgesetzes geregelt.

Bundesversammlung

Die Bundesversammlung 2017. © DBT / Achim Melde

Die Aufgabe der Bundesversammlung ist es, den Bundespräsidenten oder die Bundespräsidentin zu wählen. Dies ist in der Regel alle fünf Jahre der Fall und wenn die Bundesversammlung zusammentritt, dann wird es im Plenarsaal des Deutschen Bundestages richtig voll. Denn die Bundesversammlung besteht aus allen Bundestagsabgeordneten sowie der gleichen Zahl an Delegierten, die von den Landtagen gewählt werden. Diese müssen kein politisches Amt innehaben, viele Vertreterinnen und Vertreter kommen aus Kunst, Kultur, Sport und Unterhaltung. Es gilt lediglich, dass zur Bundesversammlung nur diejenigen Personen wählbar sind, die auch in den Deutschen Bundestag gewählt werden können. Bei der letzten Bundesversammlung 2022, die aufgrund der Pandemie-Lage im Paul-Löbe-Haus stattfand, waren 1.472 Mitglieder stimmberechtigt.

Die geheime Wahl eines neuen Bundespräsidenten oder einer neuen Bundespräsidentin, und damit die Zusammenkunft der Bundesversammlung, muss spätestens 30 Tage vor Ablauf der Amtszeit des amtierenden Bundespräsidenten erfolgen. Sofern der Bundespräsident vorzeitig aus dem Amt austritt, muss die Bundesversammlung spätestens 30 Tage nach dem Amtsende zusammentreten. Die Berufung der Versammlung erfolgt durch den Bundestagspräsidenten oder die Bundestagspräsidentin, diese hat auch den Vorsitz der Bundesversammlung inne. Jedes Mitglied der Bundesversammlung darf Vorschläge für das Amt des Bundespräsidenten machen. Kandidatinnen und Kandidaten müssen dabei deutsche Staatsbürger sein, das Wahlrecht zum Bundestag besitzen und das 40. Lebensjahr bereits vollendet haben.

Der Ablauf der Wahl des Bundespräsidenten und die Zusammenkunft der Bundesversammlung sind in Artikel 54 des Grundgesetzes geregelt.

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