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Jugend und Corona Die verlorene Generation?

Eric Matt

Was kann Jugendlichen in der Corona-Krise helfen? Im Bundestag lagen einige Konzepte auf dem Tisch. Es ging um mehr Beteiligungsrechte, Lern-Buddy-Programme und die Frage, wie die Schulen für alle wieder öffnen können.

Junge mit Mund-Nasen-Schutz

Maske tragen, kaum Freunde treffen, zuhause lernen – die Corona-Pandemie ist für Kinder und Jugendliche eine Belastung.© shutterstock/Prostock-studio

Gemeinsam Sport machen, Freunde treffen oder einfach nur in den Unterricht gehen – was früher Alltag war, ist durch die Corona-Pandemie für Jugendliche und Kinder kaum noch möglich. Für viele findet ein Großteil des Unterrichts zu Hause vor dem Bildschirm statt, die Freizeit verbringen sie überwiegend alleine.

Das sagen Experten

Forscher der Universität Hamburg fanden in ihrer Studie „Corona und Psyche“ (COPSY) heraus, dass diese Situation starke Auswirkungen auf junge Menschen haben kann. Sie befragten über 1.000 Kinder und Jugendliche im Mai 2020 und im Frühjahr 2021. Ihr Ergebnis: Nach einem Jahr Pandemie leidet fast jedes dritte Kind unter psychischen Auffälligkeiten. Vier von fünf Kindern fühlen sich durch die Pandemie belastet und haben zum Bespiel mehr Kopfschmerzen.

Dies beschäftigt auch die Politik. Im März und April debattierten die Abgeordneten im Deutschen Bundestag zwei Mal über die Lage von Kindern und Jugendlichen. Dabei ging es vor allem um Oppositionsanträge der Fraktionen der FDP und von Bündnis 90/Die Grünen. Diese wurden letztendlich von der Mehrheit der Abgeordneten abgelehnt. Einig waren sich alle Fraktionen aber dennoch in einer Sache: Die Schulen müssen schnell wieder für alle öffnen.

FDP: Krisengipfel und Lernbuddy-Programm

Die FDP befürchtet, dass Kinder die Krise „mit ihrer psychischen und physischen Gesundheit“ bezahlen, wie Katja Sunding in der Aussprache anmerkte. Fast jedes dritte Kind zeige psychische Auffälligkeiten. „Unsere Kinder leiden unter Angststörungen, depressiven Symptomen wie Schlaf- und Essstörungen, unter Kopf- und Bauchschmerzen“, sagte die FDP-Abgeordnete.

In ihrem ersten Antrag fordern die FDP-Abgeordneten daher einen „Hilfeplan für die physische und psychische Gesundheit unserer Kinder und Jugendlichen“. Denn bisher übersehe die Politik „Kinder und Jugendliche als Opfer der Auswirkungen durch die Corona-Pandemie“. Laut FDP-Fraktion müsse nun das oberste Ziel sein, „schnellstmöglich zurück zum Präsenzunterricht zu kommen“. Außerdem brauche es einen „Krisengipfel“, der die gesundheitliche Lage von jungen Menschen in den Blick nehme.

Der zweite FDP-Antrag setzt sich für ein „Chancen-Aufholprogramm“ ein, um so „entstandene Lernrückstände und Kompetenzverluste“ wieder aufzuholen. Beispielsweise wollten die FDP-Abgeordneten ein Lern-Buddy-Programm einführen, um Schüler und Studierende kostenfrei zu unterstützen.

Während der zweiten Lesung brachte die FDP zudem einen weiteren Antrag ein. Darin fordert sie einen umfangreichen Maßnahmenkatalog der Bundesregierung. Außerdem sollen in einem „Digitalpakt 2.0“ Mittel zur digitalen Weiterbildung von Lehrkräften im Bereich digitaler Methodik und Didaktik bereitgestellt werden.

Grüne: Jugendliche stärker beteiligen

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen möchte mit ihrem ersten Antrag von zweien „Perspektiven für junge Menschen in Zeiten der COVID-19-Pandemie“ aufzeigen. Während nämlich ökonomische und finanzielle Folgen ausführlich diskutiert würden, sei „bis vor Kurzem die Perspektive von Jugendlichen und jungen Erwachsenen weitgehend ungehört“ geblieben. Um die Interessen junger Menschen besser berücksichtigen zu können, möchte die Grünen-Fraktion „Beteiligungsrechte von Jugendlichen nachhaltig und institutionell stärken“. Ihre Vorschläge: Neben der Senkung des Wahlalters von 18 auf 16 Jahre sollen zum Beispiel auch Kinderrechte im Grundgesetz verankern werden. Letzteres plant auch die Koalition aus Union und SPD und hat dazu bereits einen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht. Mehr dazu erfahrt ihr hier.

Auch im Bereich Bildung sehen die Grünen Probleme: Im Antrag heißt es, es brauche einen „bildungspolitischen Aufbruch, damit die nächste Krise nicht wieder auf Kosten der Schwächsten geht“. Geschlossene Schulen und Homeschooling hätten zu Bildungsrückständen geführt. Die Grünen-Abgeordnete Margit Stumpp sagte in der Aussprache im Bundestag: Es gebe „nicht nur Bildungsrückstände, sondern Bildungsgräben“.

CDU: „Dem Virus die Stirn bieten“

Bettina Margarethe Wiesmann von der Fraktion CDU/CSU erklärte in der Debatte, es sei sehr gut, „dass heute zur besten Zeit Kinder und Jugendliche im Fokus der Debatte stehen“. Die Oppositionsanträge würden wichtige Fragen etwa zur physischen und psychischen Gesundheit oder der Bildungskrise aufwerfen.

Hierbei gehe es „um unsere Zukunft, denn die Kinder sind unsere Zukunft“. Wiesmann plädierte dafür, die Schüler testbasiert zurück ins Klassenzimmer zu lassen und dem „Virus die Stirn zu bieten“. Dies lasse sich durch tägliche Selbsttests und „unter Einhaltung von Abstand, Händewaschen, Maskenpflicht, Luftreinigung“ realisieren. Ein ausführliches Interview mit Bettina Wiesmann lest ihr hier.

SPD: Milliardenhilfe geplant

Die SPD zeigte sich (selbst-)kritisch. „Auch heute, nach einem Jahr Pandemie, haben wir immer noch keine klaren Konzepte, wie wir mit Corona Schulen offenhalten und Jugendarbeit verlässlich ermöglichen können. Das ist kein Ruhmesblatt und schwer vermittelbar“, sagte Ulrike Bahr von der SPD-Fraktion in der ersten Lesung. Sie erklärte, dass „Kontaktbeschränkungen oder fehlende Sportangebote gesunde Kinder „traurig, aber nicht seelisch krank“ machen würden.

Während der zweiten Debatte wies sie zudem auf ein Förderprogramm im Umfang von zwei Milliarden Euro hin, dass die SPD für Kinder und Jugendliche plane. Aus ihrer Sicht braucht es keine „kurzfristige Aufholprogramme“, sondern „starke Regelsysteme“.

AfD: „Treten Sie zurück“

Der AfD-Abgeordnete Martin Reichardt bedankte sich „bei den Menschen in Deutschland, die seit Monaten friedlich auf der Straße sind, um für unsere Grundrechte zu demonstrieren, für Bürgerrechte“. Dies seien Menschen, die um ihre Existenz, Gesundheit oder auch Zukunft bangten. In Deutschland würden die „verbrieften Grundrechte der Bürger immer weiter und immer wieder“ eingeschränkt werden.

Er wandte sich an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und forderte sie zum Rücktritt auf: „Frau Merkel, wenn Sie jetzt da wären, dann würde ich Ihnen Folgendes raten: Beenden Sie die kinderfeindlichste Regierungsperiode der deutschen Nachkriegsgeschichte. Treten Sie endlich zurück.“

Einen Antrag der AfD „für eine Kindheit ohne Abstand und Maske“, der in der ersten Debatte mitberaten wurde, lehnte der Bundestag mit den Stimmen der übrigen Fraktionen ab.

Linke: „Grundrecht auf Bildung“

Norbert Müller von der Fraktion Die Linke sagte, die Bundesregierung zeige „ein deutliches Desinteresse an der Situation von Kindern und Jugendlichen in der Pandemie“. Wenn die Ministerpräsidenten und die Bundesregierung über junge Menschen sprächen, dann gehe es „maximal darum, ob Abschlussklassen noch ihre Noten kriegen und Prüfungen machen können und wann die Schnelltests in den Schulen ankommen“.

Müller forderte beispielsweise Luftfilter in den Schulen, Rettungsprogramme oder auch einen Pandemierat. Zudem wies er in der zweiten Debatte darauf hin, dass das Thema Kinder und Jugendliche ohne die Opposition „gar keine Rolle gespielt“ hätte. Besonders für die sozial schwächeren Familien forderte die Linke ein umfassendes Hilfsprogramm.

Alle drei Anträge der Linken (die ebenfalls unter dem Tagesordnungspunkt mitberaten wurden) für ein „Hilfsprogramm für gemeinnützige Bildungs- und Jugendstätten“, ein zwei Milliarden schweres Corona-Konjunkturpaket und einen Ausbau der Betreuung in Kindertagesstäten wurden von der Mehrheit der Abgeordneten abgelehnt.

Die komplette Debatte und alle Anträge könnt ihr hier nachlesen.

Portraitfoto von mitmischen-Autor Eric Matt
mitmischen-Autor

Eric Matt

... ist 22 Jahre alt und studiert an der Universität Konstanz Politik- und Verwaltungswissenschaften. Zurzeit macht er ein Auslandssemester in Israel.

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