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Studienplatzvergabe „Ich bin sicher, dass wir die Frist einhalten“

Lange Wartesemester, Numerus Clausus, Quoten-Regelung: Wie Studienplätze vergeben werden, ist zum Teil rechtswidrig. Bis Ende dieses Jahres muss deshalb eine neue Regelung her. Wiebke Esdar (SPD) erklärt, wie es jetzt weitergeht.

Portraitfoto von Wiebke Esdar.

„Kein Zulassungskriterium allein wird den Studierenden gerecht“, meint Wiebke Esdar. © privat

Ist die Studienplatzvergabe in Deutschland ungerecht?

Ja – und es ist gut, dass wir das mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts jetzt schwarz auf weiß haben. Für mich wurde damit noch einmal deutlich, dass kein Zulassungskriterium (wie Abiturnote oder Einstufungstest) für sich allein den Studierenden gerecht wird, sondern nur, wenn wir sie klug kombinieren. Jetzt müssen die Länder sicherstellen, dass das künftig garantiert ist.

Was hat das Bundesverfassungsgericht genau kritisiert?

Dass Studien-Bewerberinnen und -Bewerber aktuell keine gleichen Chancen bei der Entscheidung haben, was sie studieren wollen. Denn Wartezeiten wie 15 Semester seien zu hoch und schränkten die freie Berufswahl ein.

Zudem mahnten die Richterinnen und Richter an, dass der Zulassungsantrag für ein Studium nicht auf sechs Studienorte begrenzt werden dürfe, denn das heißt in der Praxis: Ob ich genommen werde oder nicht, hängt weniger von meiner Eignung als von der Wahl meines Studienortes ab.

Auch hat das Verfassungsgericht deutlich gemacht, dass die Zulassungskriterien so ausgestaltet sein müssten, dass sie den Bewerberinnen und Bewerbern genug Verlässlichkeit geben. Und schließlich hat es klargestellt: Die Abiturnote ist zwar ein verfassungsrechtlich zulässiges Eignungskriterium. Allerdings verstößt es gegen das Grundgesetz, dass es bei den Auswahlverfahren der Hochschulen keinen Ausgleichsmechanismus gibt, um zum Beispiel Abiturnoten aus Bayern und Berlin vergleichbar zu machen.

Wird die Studienplatzvergabe mit der neuen Regelung deutschlandweit einheitlicher und transparenter?

Ja, das soll der Staatsvertrag garantieren, den die Länder bereits miteinander vereinbart haben und dem jetzt noch die Landtage zustimmen müssen. Andernfalls besteht die Gefahr eines Flickenteppichs. Denn das Grundgesetz erlaubt dem Bund zwar, die Studienplatzvergabe zentral zu regeln, aber die Länder dürften dann mit eigenen Regelungen abweichen.

Bis Ende des Jahres soll die Gesetzesänderung durch sein. Ist das realistisch?

Ja, ich bin überzeugt, dass wir die Frist einhalten. Wir haben uns im Bildungsausschuss fraktionsübergreifend darauf geeinigt, das Gesetzesverfahren möglichst rasch über die Bühne zu bringen. So hat auch der Bundesrat Gelegenheit, sich das vor Dezember nochmal gründlich anzuschauen und seine Zustimmung zu erteilen.

Die zukünftigen Regeln für das Auswahlverfahren bestimmen die Länder, nicht der Bund. Ist das manchmal frustrierend, das Thema Bildung zu debattieren, ohne wirklich inhaltlich etwas bewirken zu können?

Einerseits ja, andererseits nein. Auf der einen Seite sind wir als Bundespolitikerinnen und -politiker darauf angewiesen, dass die Länder bei der Hochschulzulassung gute Regelungen finden. Da schränkt uns das Grundgesetz ein, auf Bundesebene entscheidend mitzuwirken.

Auf der anderen Seite bewirken wir aber inhaltlich sehr viel: Wir erhöhen das BAföG, führen einen Mindestlohn für Auszubildende ein, investieren in Schulen in sozial schwierigen Lagen, geben Geld für Studienplätze und gute Lehre an Hochschulen aus und, und, und. Das sind wichtige Erfolge, die das Leben vieler Schülerinnen und Schüler, Auszubildender und Studierender leichter machen. Und die haben wir als Bundespolitik auf den Weg gebracht.

Die Linke hat in einem Antrag vorgeschlagen, die einzige Bedingung für eine Studienzulassung solle ein entsprechender Abschluss sein. Wer den hat, solle innerhalb von zwei Jahren den Studienplatz seiner Wahl bekommen. Was halten Sie davon?

Für mich ist das ein Luftschloss und auch nicht zielführend. Denn da bleiben viele Fragen offen: Wo sollen die Länder das Geld hernehmen, um so viele Studienplätze zu schaffen, dass wirklich alle zu jedem Studiengang zugelassen werden könnten? Was machen wir mit den Studienplätzen, die in den verschiedenen Studiengängen übrig bleiben und ja auch Geld kosten? Und soll das am Ende heißen, dass in Deutschland künftig 500.000 Menschen BWL studieren können?

Für mich ist die Linke da auf einem Irrweg, denn Zulassungsbeschränkungen haben auch eine gewisse Lenkungswirkung. Deshalb ist es unsere Aufgabe als Politik, bei 2,9 Millionen Studierenden ein Gleichgewicht zu schaffen: auf der einen Seite die im Grundgesetz garantierte Berufsfreiheit möglichst allen zugänglich zu machen, aber eben auf der anderen Seite auch dafür zu sorgen, dass in allen akademischen Berufen ausreichend Personal vorhanden ist.

Es ist nicht leicht, einen Medizin-Studienplatz zu bekommen. Dabei werden Ärzte doch eigentlich händeringend gesucht. Sollte man da nicht besser mehr Studienplätze schaffen, statt die Zugangsbedingungen zu verändern?

Ja, das ist für mich der eigentliche Punkt und deshalb bin ich überzeugt: Wir müssen mehr Geld in die Hand nehmen. Daher bin ich sehr froh, dass der Bund jetzt dauerhaft die Hochschulen mitfinanziert, denn das war bisher allein Aufgabe der Länder und hat nicht funktioniert. Mit dem Zukunftsvertrag Studium und Lehre wird der Bund ab 2021 jedes Jahr etwa zwei Milliarden Euro in die Hochschulen investieren. Damit bauen wir entscheidende Hürden ab, die heute vielen Menschen das Studium verwehren, das ihnen Spaß macht und für das sie Talent mitbringen.

Über Wiebke Esdar

Wiebke Esdar ist seit 2017 Abgeordnete des Bundestages und Teil der SPD-Fraktion. Sie vertritt den Wahlkreis Bielefeld-Gütersloh II und ist Mitglied im Ausschuss Bildung, Forschung und Technologiefolgenabschätzung sowie im Ausschuss für Finanzen. Für weitere Informationen könnt ihr euch auf ihrem Profil beim Bundestag durchklicken.

(DBT/tl)

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