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Bedrohte Sprachen „Ja lubuju serbsku rěč“

Melanie Lal

Wusstet ihr, dass es in Deutschland dänische Schulen oder sorbische Jugendclubs gibt? Dort werden Minderheitensprachen gesprochen. Der Bundestag hat jetzt beschlossen, dass die 13 gefährdeten Sprachen gestärkt werden sollen. Die Debatte war ein Ohrenschmaus, hört selbst!

Die Sorben waren ursprünglich slawische Stämme aus einer Gegend nordöstlich der Karpaten. Sie kamen vor etwa 1.500 Jahren in das Gebiet der heutigen Bundesrepublik - und tragen auch jetzt noch ihre traditionelle Tracht zu feierlichen Anlässen. © dpa

"Dat Plattdüütsche kummt vun’t Hart, dat Hoochdüütsche ut’n Kopp" – wenn Karin Evers-Meyer (SPD) ihre Palaments-Kollegen auf Plattdeutsch begrüßt, Maria Michalk im Plenum auf Sorbisch sagt "Ja lubuju serbsku rěč – Ich liebe die sorbische Sprache" und Cem Özdemir (Grüne) breitestes Schwäbisch zum Besten gibt, kann es dafür nur eine Erklärung geben: Das Thema Sprachen steht auf der Tagesordnung des Bundestages. Genauer gesagt: Die Minderheitensprachen. Zwar handelt es sich bei den Schwaben nicht um eine anerkannte Minderheit, für Cem Özdemir ist seine Mundart trotzem ein Beleg dafür, worum es bei der Debatte am 2. Juni im Bundestag ging – Heimat, Identität und Kultur.

25-jähriges Jubiläum

Anlass war der jüngst eingebrachte Antrag zum Schutz und zur Förderung der Sprachen der anerkannten nationalen Minderheiten, von CDU/CSU, SPD und den Grünen. Sie berufen sich dabei auf das 25-jährige Jubiläum der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen. 1992 wurde diese Charta vom Europarat beschlossen. Mittlerweile machen 25 Staaten mit. Deutschland bekannte sich 1998 zur Charta und hat sich somit dem Schutz von Minderheits- und Regionalsprachen verschrieben. In der Wissenschaft werden Minderheitensprachen oft nach ihrer ethnischen Herkunft definiert. Regionalsprachen hingegen werden nach ihrer geographischen Verbreitung bestimmt.

Eigene Sprache, eigene Kultur

Als nationale Minderheiten werden in Deutschland Bevölkerungsgruppen angesehen, die sich aus deutschen Staatsangehörigen zusammensetzen, die sich von der Mehrheit des Volkes durch eine eigene Sprache, Kultur und Geschichte unterscheiden und die ihre Identität bewahren wollen. Dabei müssen sie auch eine gewisse Tradition im Staat haben und hier heimisch sein. Ein weiteres Kriterium sind ihre angestammten Siedlungsgebiete innerhalb Deutschlands. Bei uns gibt es 13 gefährdete Sprachen, darunter die von vier anerkannten nationalen Minderheiten: das sorbische Volk, die Friesen, die dänische Minderheit und die deutschen Sinti und Roma.

Von der Nordsee bis nach Sachsen

Die Volksgruppe der Friesen lebt im nordwestlichen Niedersachsen, an der Westküste von Schleswig-Holstein und im Kreis Cloppenburg. Je nach der Region, in denen die Friesen leben, werden sie als Nord-, Ost- und Saterfriesen bezeichnet. Dänisch wird hauptsächlich im nördlichen Schleswig-Holstein an der Grenze zu Dänemark gesprochen. Die dänische Minderheit bezeichnet ihr Siedlungsgebiet als Südschleswig. In Dänemark gibt es wiederum ein Nordschleswig, wo eine deutsche Minderheit lebt.

Romanes, Urdu, Hindi

Romanes ist der Sammelbegriff für die Sprachen der Sinti und Roma und gehört zur indoarischen Sprachfamilie, wie Urdu oder Hindi. Die Sinti und Roma leben im gesamten Bundesgebiet verteilt. Sorbisch ist eine westslawische Sprache und wird in der Lausitz, also in Teilen Brandenburgs, im nordöstlichen Sachsen und partiell auch in Polen gesprochen. Sie wird in Obersorbisch (Oberlausitz, Sachsen) und Niedersorbisch (Niederlausitz, Brandenburg) unterteilt. Als besondere Regionalsprache, unabhängig von Minderheiten, wird in Deutschland das Niederdeutsch (auch Plattdeutsch) geschützt, welches hauptsächlich im Norden Deutschlands verbreitet ist.

Gut, aber nicht gut genug

"Die Charta unterstreicht das unveräußerliche Recht, die eigene Regional- oder Minderheitensprache im privaten und öffentlichen Lebensbereich sprechen zu dürfen. Sprachliche Vielfalt und Mehrsprachigkeit sind zudem Grundwerte der Europäischen Union", heißt es in dem oben genannten Antrag. In diesem wird auch der aktuelle Bericht des Sachverständigenausschusses des Europarates zur Situation in Deutschland zitiert. Dort heißt es, dass bei einigen der geschützten Sprachen eine positive Entwicklung zu beobachten ist. Die Lage einiger anderer Regional- und Minderheitssprachen habe sich aber in letzter Zeit nicht verbessert. Weitere Anstrengungen seien nötig – insbesondere das Saterfriesisch und Niedersorbisch seien gefährdet.

Die Debatte zum Antrag selbst war wegen des breiten, fraktionsübergreifenden Antragstellerkreises eher konfliktfrei, dafür aber reich an Sprachen, ungewöhnlich und erheiternd für das Publikum. Einstimmig wurde der Antrag, mit einigen Enthaltungen bei der Linksfraktion, angenommen.

Immer weniger gesprochen

Seit längerem gibt es zahlreiche Initiativen, die sich für den Schutz von Minderheitensprachen einsetzen. Jedoch sind die Zahlen der tatsächlichen Sprecher dieser Sprachen rückläufig – häufig aus demografischen Gründen.

So beinhaltet der Antrag einige Verbesserungsvorschläge. Der Bundestag fordert unter anderem, dass die politische Partizipation der anerkannten nationalen Minderheiten und der Sprechergruppe der Regionalsprache Niederdeutsch weiter gestärkt werden soll. Es soll außerdem geprüft werden, ob das Recht der Sorben vor Gericht Sorbisch sprechen zu dürfen, auch für die anderen Minderheitssprachen gelten soll.

Druck auf Europäische Union

Weiterhin sollen Repräsentanten der Minderheiten bei der Etablierung der Sprachen in digitalen Medien unterstützt und der Druck auf die entsprechenden Gremien der Europäischen Union erhöht werden, damit auch diese sich mehr für die sprachliche Vielfalt einsetzen.

Nach Angaben der Unesco ist die Hälfte der weltweit rund 6.000 gesprochenen Sprachen bis Ende dieses Jahrhunderts vom Aussterben bedroht. In ihrem sogenannten Sprachenatlas stuft auch die UN-Organisation das Sater- und das Nordfriesisch als "besonders gefährdete Sprachen" ein. Darüber hinaus gelten das Nieder- und das Obersorbisch sowie das Romanes als "definitiv gefährdete Sprachen".

Melanie Lal

In der Debatte über den Schutz der Minderheitensprachen haben die Angeordneten in ihren Dialekten beziehungsweise Heimatsprachen gesprochen. Achtung, könnte lustig werden! – © dbt

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Melanie Lal

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