Zum Inhalt springen

Virchow-Preis Debatte um Preis für globale Gesundheit

Erstmals wurde im Oktober der „Virchow Prize for Global Health” verliehen. Im Bundestag sahen die einen darin ein Zeichen für Deutschlands Engagement für weltweite Gesundheit. Die anderen standen der Auszeichnung kritisch gegenüber.

John N. Nkengasong am Rednerpult, dahinter der Schriftzug 'Virchow Prize for Global Health'

Der erste Preisträger John N. Nkengasong bei der Verleihung der neuen Auszeichnung. © picture alliance/dpa/Carsten Koall

Globale Gesundheit, also ein gesundes Leben für alle Menschen weltweit, ist eines der 17 Nachhaltigkeitsziele, die die Weltgemeinschaft bis 2030 erreichen will.

Die Virchow-Stiftung hat im Oktober zum ersten Mal den „Virchow Prize for Global Health“ verliehen. Damit werden "Innovationen und Lebensleistungen gewürdigt, die einen bedeutenden Einfluss auf die umfassenden gesundheitlichen Herausforderungen haben, denen wir als globale Gemeinschaft gegenüberstehen“, so steht es auf der Internetseite der Stiftung.

Ausgezeichnet wurde in diesem Jahr Dr. John N. Nkengasong aus Kamerun. Der Virologe hat maßgeblich zur HIV-Forschung in Afrika beigetragen und ist unter anderem Gründungsdirektor des „African Center for Disease Control and Prevention“. Er bekommt ein Preisgeld von 500.000 Euro.

Im Vorfeld der Preisverleihung kamen die Abgeordneten im Bundestag zu einer Vereinbarten Debatte zusammen.

SPD: „Die Herausforderungen könnten kaum größer sein“

Heike Baehrens (SPD) lobte zu Beginn der Debatte, dass der Virchow-Preis Menschen und Initiativen auszeichne, die dazu beitrügen, die weltweite Gesundheit zu verbessern. Die aktuellen Herausforderungen für die globale Gesundheit „könnten kaum größer sein“, so Baehrens. Die Corona-Pandemie und die Affenpocken gefährdeten die weltweite Gesundheit ebenso wie die Erderwärmung, der Krieg in der Ukraine, Hungersnöte und Migrationsbewegungen.

Umso wichtiger sei es, die globalen Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Deutschland werde dafür „alles in unserer Macht Stehende tun“. Der Virchow-Preis sei ein Zeichen des deutschen Engagements. Zur Zeit des Namensgebers Rudolf Virchow – ein Mediziner, der von 1821 bis 1902 lebte – seien Menschen im Durchschnitt 35 Jahre alt geworden, so Baehrens. Und auch heute gebe es noch Länder, in denen die Lebenserwartung „viel zu niedrig“ sei. In der Zentralafrikanischen Republik zum Beispiel liege sie bei 54 Jahren. „Dem wirken wir entgegen mit unserem Engagement für globale Gesundheit“, sagte die SPD-Abgeordnete, die Nkengasong einen „würdigen ersten Preisträger“ nannte.

Union: „Damit Gesundheit für alle Wirklichkeit wird“

Auch Hermann Gröhe (CDU/CSU) würdigte den Virchow-Preis und seinen Namensgeber. Die Vereinbarte Debatte sei ein „starkes gemeinsames Zeichen“, auch dafür, dass der Bundestag „mit aller Kraft“ weiter daran arbeiten werde, die 17 Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Diese Ziele müssten ganzheitlich gedacht werden, so Gröhe, denn auch etwa der „Sieg über den Hunger“, der Zugang zu sauberem Trinkwasser und Geschlechtergerechtigkeit trügen zur weltweiten Gesundheit bei.

Das Engagement für globale Gesundheit sei in den letzten Jahren zu einem „Markenzeichen deutscher Verantwortung“ geworden, sagte Gröhe. Er dankte allen, die sich dafür engagierten, gratulierte dem „herausragenden ersten Preisträger“ des Virchow-Preises und freute sich auf die kommenden, die „uns alle erinnern und womöglich auch mahnen sollten, unseren Beitrag zu leisten, damit Gesundheit für alle Wirklichkeit wird“.

Grüne: „Ohne Klimaschutz kann es keine globale Gesundheit geben“

Auch Johannes Wagner (Bündnis 90/Die Grünen) begann mit Rudolf Virchow, der früh erkannt habe, „wie sehr unsere Lebensumstände unsere Gesundheit beeinflussen“. Deshalb sei es die Aufgabe der Politik, diese Lebensumstände zu verbessern und so Krankheiten vorzubeugen.

Die Corona-Pandemie habe gezeigt, so Wagner, dass globale Gesundheit auch eine Frage der internationalen Zusammenarbeit, der sozialen Gerechtigkeit und des Klimaschutzes sei. So sei die Wahrscheinlichkeit, im globalen Süden an Corona zu sterben, um etwa 30 Prozent höher als im Norden. Und auch in Deutschland sei ein schwerer Verlauf bei armen Menschen wahrscheinlicher. „Armut bleibt ein Gesundheitsrisiko“, schloss Wagner. Deshalb müsse man in Armutsbekämpfung und in Bildung investieren. Und auch die Umweltzerstörung führe zur Gefährdung der weltweiten Gesundheit. „Ohne Klimaschutz kann es keine globale Gesundheit geben“, meinte Wagner. Er wünsche sich, dass das Thema Gesundheit bei jeder Entscheidung des Bundestages mitgedacht werde.

AfD: „Verdacht, dass hier ein afrikanischer Karl Lauterbach geehrt wird“

Marc Jongen (AfD) befand, Rudolf Virchow sei „ein beeindruckender Mann“ gewesen. Ob der Preis seinem Namen aber gerecht würde, sei „fraglich“. Jongen kritisierte den Preisträger Nkengasong, weil er die Menschen in Afrika immer wieder dazu aufgerufen habe, sich gegen Corona impfen zu lassen. Laut Jongen bestehe „der dringende Verdacht, dass hier ein afrikanischer Karl Lauterbach geehrt wird“, der „aus dem Panikmodus nicht herauskommt“ und Impfnebenwirkungen „zynisch vom Tisch wischt“.

Es drohe ein „globales Hygiene-System“, das nicht demokratisch legitimiert sei, meinte Jongen. Und schloss: „Darum muss uns, wenn wir globale Gesundheit hören, angst und bange werden.“

FDP: „Unsere globale Verantwortung und humanitäre Verpflichtung“

Andrew Ullmann (FDP), Vorsitzender des Unterausschusses Globale Gesundheit, sagte: „Wir haben uns dem Ziel verpflichtet, dass alle Menschen weltweit einen Zugang zu Gesundheitsversorgung haben.“ Das sei „nicht nur eine Frage der Menschlichkeit, sondern unsere globale Verantwortung und humanitäre Verpflichtung“.

Ullmann lobte den Virchow-Preis und den Preisträger, dessen Leistung Tausenden von Menschen zugutegekommen sei und die gesundheitliche Versorgung nicht nur in Afrika, sondern weltweit revolutioniert habe.

Linke: „Wir brauchen kein Weißwaschen deutscher Unternehmen“

Kathrin Vogler (Die Linke) räumte ein, die Auszeichnung Nkengasongs sei „sicherlich hochverdient“. Allerdings habe sie Zweifel, ob Virchow „so begeistert davon wäre, welche Kreise sich nun mit seinem Namen schmücken“. Denn der Preis werde von einer privaten Stiftung verliehen, die enge Verbindungen zur deutschen Gesundheitswirtschaft habe, „von der Pharmaindustrie bis zum Versicherungskonzern“. Diesen Akteuren warf Vogler vor: „Sie leisten sich hier ein bisschen Weißwaschen, während sie ansonsten mit ihren Geschäftspraktiken gerade dafür sorgen, dass Menschen im globalen Süden ihr Menschenrecht auf Gesundheit nicht verwirklichen können.“

„Gesundheitsversorgung darf nicht abhängig sein von der Herkunft, vom sozialen Status, vom Geschlecht oder vom Geldbeutel“, forderte Vogler. Es sei die Pflicht aller Staaten, sie zu gewährleisten und dabei dürften sie sich nicht von einigen „Superreichen“ abhängig machen. „Wir brauchen kein Weißwaschen deutscher Unternehmen, sondern endlich Gerechtigkeit bei der globalen Gesundheitsvorsorge“, schloss Vogler.

Hier seht ihr die ganze Debatte im Video:

(jk)

Mehr zum Thema