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Bundesinnenministerin „Die größte Gefahr ist der Rechtsextremismus“

Eric Matt

Über Querdenker, Extremisten, Kriminelle und Migranten stritten die Abgeordneten im Deutschen Bundestag in einer Grundsatzdebatte zur Innenpolitik.

Demonstranten mit Plakat 'Widerstand lässt sich nicht verbieten'

„Risse in unserer Gesellschaft“: Bei den Corona-Demonstrationen gewönnen demokratiefeindliche Rechtsextremisten immer mehr an Einfluss, warnte die Innenministerin. © picture alliance/Eibner-Pressefoto/Sascha Walther

Wer ist eine Gefahr für die Gesellschaft? Wie kann Radikalisierung verhindert werden? Und lässt sich für Sicherheit sorgen, ohne Freiheitsrechte einzuschränken?

Mit diesen Fragen beschäftigten sich die Abgeordneten des Bundestages am 12. Januar in einer Grundsatzdebatte. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) verurteilte jegliche Form des Extremismus, Terrorismus und sonstiger Kriminalität. Sie forderte unter anderem ein Demokratiefördergesetz, bessere Sicherheitsbehörden und präventive, also vorbeugende, Maßnahmen. Die Opposition zeigte sich unzufrieden. Manche sprachen von Realitätsferne, andere warfen ihr sogar einen „Krieg gegen die Demokratie“ vor.

Innenministerin: „Unsere Demokratie ist wehrhaft“

„Wir sind ein starkes Land. Die überwältigende Mehrheit steht hinter unserer Demokratie und ihren Institutionen“, erklärte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Dies gelte auch während der Corona-Pandemie, in der sich die meisten Menschen solidarisch und rücksichtvoll verhielten. Daher sei Deutschland auch ein Land, das nicht gespalten sei, sondern zusammenhalte.

„Aber zur Wahrheit gehört auch: Die Pandemie zeigt Risse in unserer Gesellschaft: Protest, Erschöpfung, Wut“, so Faeser. Sie verurteilte organisierte Attacken gegen Wissenschaftler, Journalisten oder Polizisten. Bei den Corona-Demonstrationen gewönnen demokratiefeindliche Rechtsextremisten immer mehr an Einfluss. „Wir lassen uns das nicht bieten. Unsere Demokratie ist wehrhaft“, zeigte sich die Ministerin kämpferisch.

Der Rechtsstaat müsse hart durchgreifen und die Täter konsequent verfolgen. Deutschland müsse ein Land sein, „in dem alle Menschen frei und ohne Angst leben, ganz gleich in welchem Viertel sie leben, wen sie lieben, woran sie glauben oder woher ihre Familien einmal kamen“.

„Extremisten die Waffen entziehen“

Das Innenministerium habe alle extremistischen Gruppierungen im Blick – den Islamismus, den Rechtsextremismus und den Linksextremismus. Zur Erklärung: Politische Extremisten lehnen den demokratischen Staat und das Grundgesetz ab, sie wollen diese beseitigen oder beispielsweise Grundrechte einschränken.

Faeser machte deutlich: „Die größte Gefahr für unsere Demokratie ist der Rechtsextremismus.“ Zur Erklärung: Rechtsextremisten gehen zum Beispiel davon aus, dass Menschen nicht gleichwertig sind. Sie verharmlosen und rechtfertigen den Nationalsozialismus. Sie finden diktatorische Regierungsformen meist gut.

Die Innenministerin sagte, die Bekämpfung des Rechtsextremismus habe besondere Priorität. Es sei die Pflicht der gesamten Gesellschaft, sich gegen Antisemitismus und Rassismus einzusetzen. Zur Erklärung: Rassisten behaupten, dass Menschen beziehungsweise Bevölkerungsgruppen mit bestimmten biologischen oder ethnisch-kulturellen Merkmalen anderen von Natur aus über- bzw. unterlegen wären. Antisemitismus ist die Abneigung oder Feindschaft gegenüber den Juden.

Bis Ostern werde es daher einen sogenannten Aktionsplan gegen Rechtsextremismus geben, so Faeser. „Wir werden alles daransetzen, Radikalisierung zu stoppen, Netzwerke zu zerschlagen und Extremisten konsequent die Waffen zu entziehen.“ Ebenso brauche es vorbeugende Maßnahmen, beispielsweise in Form von politischer Bildung.

Die neue Innenministerin

Nancy Faeser wurde am 13. Juli 1970 in Bad Soden am Taunus (Hessen) geboren. Noch während ihrer Schulzeit trat sie im Jahre 1988 der SPD bei. Nach ihrem Abitur studierte Faeser von 1990 bis 2000 Rechtswissenschaft und arbeitete anschließend als Rechtsanwältin. 2003 wurde sie zum ersten Mal in den hessischen Landtag gewählt und blieb diesem bis 2021 erhalten. In den knapp 20 Jahren war Faeser unter anderem Generalsekretärin und seit 2019 hessische Landesvorsitzende und Fraktionsvorsitzende. Seit Dezember 2021 ist sie nun Bundesministerin für Inneres und Heimat – als erste Frau in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Faeser ist verheiratet und hat ein Kind.

CDU/CSU: „Das ist realitätsfern“

„Sie haben uns im Kampf gegen Rechtsextremismus fest an Ihrer Seite. Aber für uns ist wichtig, dass der Kampf gegen jede Form von Extremismus geführt wird“, erklärte Andrea Lindholz von der CDU/CSU-Fraktion. So gebe es aktuell mehr als 500 Gerichtsverfahren gegen Islamisten und auch Linksextremismus nehme massiv zu. Die letzte Regierung habe daher tausende Stellen in Sicherheitsbehörden geschaffen, „damit Extremisten und Kriminelle auf breiter Front bekämpft werden“. Jedoch reiche mehr Personal allein nicht aus, sondern man müsse die Behörden auch modernisieren und digitalisieren. Im Ampel-Koalitionsvertrag stehe dazu jedoch nichts. „Das ist realitätsfern. Ein entschlossener Kampf sieht in unserer digitalen Welt anders aus“, so Lindholz. Sie warnte vor einer Migrationspolitik, die zu viele Menschen aufnehme: „Es spaltet unsere Gesellschaft. Was Sie wagen, ist kein Fortschritt, sondern Chaos.“

Grüne: „Effektive Gefahrenabwehr“

„Unsere Demokratie ist stark und lebendig. Die Demokraten sind weit mehr als die Nichtdemokraten. Es ist unser aller Pflicht, uns deutlich gegen Menschenfeinde zu positionieren“, kommentierte Lamya Kaddor von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wegen rechter Netzwerke und Querdenker, die Demokratie und innere Sicherheit bedrohten, müsse man die Polizei besser ausstatten. „Das ist längst überfällig und wurde von der Vorgängerregierung vernachlässigt. Das gehen wir jetzt an“, so Kaddor.

Aber auch in den Sicherheitsbehörden selbst gebe es verfassungsfeindliche Tendenzen, die man bekämpfen müsse. Daher brauche es für jede Art von Terror eine Strategie, „die auf Prävention, Deradikalisierung und effektiver Gefahrenabwehr basiert“. Die innenpolitische Sprecherin beendet ihre Rede: „Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen.“

AfD: „Endlich abschieben"

Der AfD-Abgeordnete Gottfried Curio bemängelte, dass die Ampel-Koalition illegale Migration verhindern wolle, indem sie legale Wege zur Einwanderung schaffe. Dies sei, als würde man „als Antwort auf Ladendiebstahl die Ware mit dem Schild ‚Zum Mitnehmen‘ aufstellen“. So gebe es hierzulande hunderttausende abgelehnte Asylbewerber, denen die Einbürgerung vereinfacht werde. „Mehr Mittelmeerschlepperei, mehr Umsiedlung nach Deutschland. Von Afghanistan nach Absurdistan ist es anscheinend gar nicht so weit“, so Curio. Er kritisierte, dass „alle Wirtschaftsmigranten und Asyltouristen weltweit“ nach Deutschland kämen und hier versorgt würden. Die aktuelle Politik befeuere Hass und Hetze gegen Andersdenkende. Die „fünf undemokratischen Fraktionen der Altparteien“ hätten „der repräsentativen Demokratie den Krieg erklärt“. Curio forderte: „Illegale zurückweisen. Anreize abstellen. Endlich abschieben. Sozialstaat für unsere Bürger statt Asylmissbrauchsparadies.“

FDP: „Einwanderungspolitik aus dem letzten Jahrtausend“

„Wer Journalisten, Wissenschaftler, Kommunalpolitiker angreift, der macht nicht von seinem Recht auf Meinungsfreiheit Gebrauch, sondern begeht Straftaten“, merkte der FDP-Abgeordnete Konstantin Kuhle an. Diese Straftaten müsse man hart bestrafen. Daher müssten „alle demokratischen Kräfte“ zusammenarbeiten, um gegen Extremismus vorzugehen. Die Ampel-Koalition stehe an der Seite der Sicherheitsbehörden und „bekämpft alle Formen des Extremismus, angefangen beim Rechtsextremismus über den Islamismus bis zum Linksextremismus und Verschwörungsideologien“. Kuhle betonte, dass es gut sei, dass die Union nach 16 Jahren nicht mehr das Innenministerium anführe. „Das sieht man an keinem Thema so sehr wie an der Migrationspolitik. Was da an Vorschlägen kommt, ist eine Einwanderungspolitik aus dem letzten Jahrtausend.“ Kuhle betonte, dass Deutschland ein Einwanderungsland sei.

Linke: „Setzen Sie sich für sichere Fluchtwege ein“

Martina Renner von der Fraktion Die Linke forderte: „Entwaffnen Sie die rechte Szene, verhaften Sie untergetauchte Neonazis, schmeißen Sie Rassisten und Antisemiten aus dem Polizeidienst!“ Sie erwarte, dass die Regierung nicht nur rede, sondern auch Maßnahmen ergreife. Renner warnte vor „dem Ruf nach mehr Technik, Überwachung und Eingriffen in Grundrechte“. Stattdessen sprach sie sich gegen Spionage-Software, anlasslose Kontrollen und „überflüssige polizeiliche Datenbanken“ aus.

Auch an der Migrationspolitik müsse sich etwas ändern. „Der letzte Innenminister hat Menschen im Mittelmeer ertrinken lassen“, so Renner. Wenn die neue Koalition das Leid an den EU-Außengrenzen stoppen wolle, müsse sie nun handeln. Sie erklärte: „Setzen Sie sich für sichere Fluchtwege ein! Stoppen Sie die illegale Praxis und die Militarisierung von Frontex!“ Frontex ist die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache.

SPD: „Warum kommt es zu Kriminalität?“

„Wir stellen uns allen verfassungsfeindlichen, gewaltbereiten Bestrebungen und Verschwörungsideologien entgegen“, zitierte der SPD-Abgeordnete Dirk Wiese den Koalitionsvertrag. Er begrüße, dass die Innenministerin den Rechtsextremismus als aktuell größte Gefahr benenne. Ebenfalls lobte er, dass die Regierung ein Demokratiefördergesetz verabschieden wolle. „Dieses Gesetz ist entscheidend; denn die Demokratie wird angegriffen, von unterschiedlichen Seiten“, so Wiese. Wichtig sei außerdem, gegen den Kurznachrichtendienst Telegram vorzugehen, denn dort würden „ungehindert Morddrohungen geschrieben und Bedrohungen ausgesprochen werden“. Die Ampel-Koalition werde auch vorbeugende Maßnahmen gegen Kriminalität und Extremismus ergreifen. Dabei müsse man sich beispielsweise fragen: „Warum kommt es zu Kriminalität? Warum kommt es zu Sicherheitsverstößen? Was sind die Ursachen dafür?“

Die komplette Bundestagsdebatte seht ihr hier im Video, das Protokoll findet ihr wie immer auf bundestag.de.

Zur Person

Portraitfoto von mitmischen-Autor Eric Matt
mitmischen-Autor

Eric Matt

... ist 22 Jahre alt und studiert an der Universität Konstanz Politik- und Verwaltungswissenschaften. Zurzeit macht er ein Auslandssemester in Israel.

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