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Regierungsbefragung Merkel: „Als Europäer gemeinsam vorankommen“

In ihrem Eingangsstatement sprach die Bundeskanzlerin vor allem über die deutsche EU-Ratspräsidentschaft. Die Fragen der Abgeordneten drehten sich aber auch um China und die Türkei, um Schlachthöfe, Frauen-Quoten und Hilfen für Studenten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Regierungsbefragung im Bundestag

„Lassen Sie uns das Motto der Ratspräsidentschaft ‚Gemeinsam Europa wieder stark machen‘ mit Leben füllen!“ Die Kanzlerin auf der Regierungsbank im Plenarsaal. © picture alliance

Am 1. Juli, dem Tag, an dem Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft übernahm, stand Bundeskanzlerin Angela Merkel zum zweiten Mal in diesem Jahr den Abgeordneten persönlich Rede und Antwort - im Rahmen der Regierungsbefragung vor der parlamentarischen Sommerpause.

Über die Corona-Maßnahmen der Europäischen Union sprach die Kanzlerin zu Beginn – und bat den Bundestag um Unterstützung. Die Unterstützung der nationalen Parlamente sei wichtig, „damit wir als Europäerinnen und Europäer gemeinsam vorankommen“. Allerdings: „Ich muss Ihnen sagen, dass die Positionen der Mitgliedstaaten noch weit auseinanderliegen“, gestand Merkel. Ihr sei wichtig, dass die Hilfen allen zugutekämen und auch den Zusammenhalt in Europa stärkten.

In den nächsten sechs Monaten wolle sie aber auch dafür sorgen, dass über die Corona-Krise hinaus die „Schlüsselfragen“ ausreichend Platz fänden in der EU: Klimaschutz, digitaler Wandel und die Rolle Europas in der Welt. Als viertes Thema nannte Merkel das zukünftige Verhältnis der EU zu Großbritannien. Die Fortschritte der Verhandlungen seien „sehr übersichtlich“, trotzdem strebe sie ein Abkommen bis Herbst an.

AfD: Corona-Maßnahmen

Die AfD thematisierte in ihren Fragen an die Kanzlerin unter anderem die „verheerenden Auswirkungen“ der Corona-Maßnahmen auf deutsche Arbeitnehmer. Sie fragte: „Stehen diese Beschäftigten für Sie an erster Stelle?“ Und wollte weiter wissen, ob Merkel bereit sei, "das Fachkräfteeinwanderungsgesetz auszusetzen“, das Fachkräften aus dem Ausland den Einstieg ins Berufsleben erleichtert.

„Dazu bin ich nicht bereit“, antwortete Merkel. Sie kritisierte: „Ich finde, man sollte nicht schon in einer Frage eine Spaltung der Gesellschaft formulieren, die so gar nicht existiert.“ Die Corona-bedingten Einschränkungen verteidigte die Kanzlerin: „Eine Pandemie ist über die Welt gekommen, und ich bin sehr froh, dass wir durch kluge Maßnahmen Leben retten konnten – und dass wir gleichzeitig alles dafür tun, wirtschaftlich aus der Krise zu kommen.“

SPD: Mietkündigungsschutz und Frauen-Quote

Dass der Schutz vor Mietkündigungen in der Corona-Krise nicht verlängert worden sei, bemängelte die SPD. Viele Mieter, beispielsweise Alleinerziehende oder kleine Firmen, hätten nach wie vor Probleme, ihre Kosten zu decken. Das gelte allerdings auch für viele Vermieter, konterte Merkel. „Diese Regelung ist ein sehr tiefgreifender Eingriff in die Vertragsfreiheit“, deshalb habe man nach gründlicher Erwägung beschlossen, sie nicht zu verlängern.

Eine andere Frage der SPD betraf die Geschlechtergerechtigkeit: „Frauen stehen in der Krisenbewältigung an erster Front“, argumentierte die Fraktion, in der Wirtschaft seien sie in höheren Positionen aber immer noch massiv unterpräsentiert. Die SPD wollte wissen, ob man nicht die Quoten-Regelungen ausweiten solle. Es sei „absolut unzureichend, dass es immer noch börsennotierte Unternehmen gibt, in denen keine einzige Frau im Vorstand sitzt“, stimmte Merkel zu. Sie sei an dem Thema dran: „Geben Sie mir noch ein bisschen Zeit.“

FDP: Menschenrechte in China

50 UN-Experten hätten China erst kürzlich wieder die Missachtung der Menschenrechte vorgeworfen, so die FDP. Deutschland übernehme ja neben der EU-Ratspräsidentschaft auch den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat für einen Monat. „Werden Sie das Thema China auf die Tagesordnung setzen?“, wurde die Bundeskanzlerin gefragt. Merkel bekräftigte, sie wolle den Menschenrechtsdialog mit China auf jeden Fall fortsetzen. Allerdings gab sie zu bedenken: „Wir wissen aus leidvoller Erfahrung, dass die Harmonie im UN-Sicherheitsrat in vielen Dingen nicht sehr groß ist, was ich sehr bedaure.“ An Deutschland solle es aber nicht scheitern, das Thema Menschenrechte in China voranzubringen.

CDU/CSU: Beziehungen zur Türkei

Die Unionsfraktion sprach das Verhältnis zur Türkei an. „Wir brauchen eine Türkei-Strategie“, befand Merkel. Als schwierige Themen in der Beziehung zur Türkei nannte sie den Krieg in Syrien, die Aufnahme von Flüchtlingen und Menschenrechtsfragen. „Deutschland versucht, den verschiedenen Facetten der deutsch-türkischen Beziehungen gerecht zu werden. Das ist nicht immer einfach. Und das kann nur mit Frankreich gelingen“, sagte die Kanzlerin.

Die Linke: Mehr Unterstützung für die Schwachen in der Krise

Die Linke kritisierte, dass - während großen Unternehmen wie der Lufthansa und ganzen Branchen geholfen werde - die Große Koalition in der Corona-Krise zu wenig für die Schwachen unternehme. So forderte sie mehr Unterstützung für Studierende, um Studienabbrüchen und einer „zunehmenden Spaltung im Bildungsbereich“ entgegenzuwirken. Auch fehle es an sozialem Schutz, befand die Linke: „Befristete und Leiharbeiter verlieren als Erste ihren Job.“

Merkel gestand ein: „Wir werden Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt haben.“ Der Staat tue aber alles, um „Brücken zu bauen“, zum Beispiel indem sie vielen Menschen ermöglicht habe, Kurzarbeitergeld zu beziehen. „Die Bundesregierung reagiert“, sagte Merkel. „Trotzdem bleibt es eine sehr ernste Zeit.“

Die Grünen: Schlachthöfe und Seenotrettung

Auf die „unsäglichen Arbeitsbedingungen" in Großschlachthöfen kamen die Grünen zu sprechen und fragten, was die Kanzlerin dagegen tun wolle. In der Branche sollten Werkverträge abgeschafft werden, antwortete Merkel, da sie von den großen Betrieben zu Lasten der Mitarbeiter ausgenutzt worden seien. Bessere Wettbewerbsbedingungen sollten ermöglichen, dass sich auch wieder kleinere Betriebe gründen könnten. Auch für das Tierwohl „müssen wir unbedingt etwas tun“, sagte die Kanzlerin.

Ein zweites Thema der Grünen war die Flüchtlingssituation am Mittelmeer. Immer noch ertränken viele Menschen auf der Flucht. „Halten Sie eine europäische koordinierte Seenotrettung für wichtig?“, wollte die Fraktion wissen. Die Kanzlerin antwortete, ihr sei es wichtig, die Migration besser zu steuern. Seenotrettung sei immer nur die zweitbeste Lösung, idealerweise müsse man verhindern, dass Menschen sich derartig in Gefahr brächten.

Hier seht ihr alle Fragen und die Antworten der Kanzlerin im Video:

(jk)

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