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Verkehr „Null-Euro-Ticket wäre eine echte Entlastung“

Leila Esh

Das geplante 49-Euro-Ticket werde vielen jungen Leute nicht helfen, sagt Nicole Gohlke von der Linksfraktion. Deshalb fordert sie ein Null-Euro-Ticket für Azubis, Studierende, Schülerinnen und Schüler.

Portrait von Nicole Gohlke

„Die Linksfraktion fordert ganz generell eine perspektivische Entwicklung hin zum kostenfreien Nahverkehr“, erklärt Nicole Gohlke. © Olaf Krostitz

Ihre Fraktion fordert ein Null-Euro-Ticket? Warum und für wen?

Wir treffen uns regelmäßig mit Auszubildenden, Studierenden, mit dem „freien zusammenschluss von student*innenschaften“ (fzs) als Dachverband der studentischen Organisationen und mit dem „Allgemeinen Studierendenausschuss“ (AStA), um ihre Anliegen mitzubekommen. In solchen Gesprächen ist uns auch die Idee für diesen Antrag gekommen, die sich einfach erklären lässt: Zielgenau die Gruppe der einkommenslosen Menschen, zu denen Studierende, Schülerinnen und Schüler und auch Auszubildende gehören, zu entlasten. Also die Menschen, die trotz BAföG oder Auszubildendengehalt nicht in der Lage sind, das Leben finanziell selbst zu bestreiten. Natürlich war das Neun-Euro-Ticket ein riesengroßer Erfolg. Wir hätten uns gewünscht, dass das Ticket weitergeführt wird, anstatt es nochmal zurückzunehmen und dann als 49-Euro-Ticket zurückzuholen.

Woran mangelt es den derzeitigen Angeboten für Azubis, Studierende und Schülerinnen und Schüler aus Ihrer Sicht?

Bisher haben die Entlastungspakete der Bundesregierung genau diese Gruppe junger Menschen außen vor gelassen. Es ist klar, dass auch das 49-Euro-Ticket hier keine wirkliche Entlastung bringen wird, weil es für viele teurer als die derzeitigen ÖPNV-Angebote sein wird. Auch die Auszahlung der 200-Euro-Energiepauschale ist ein Drama. Das sind alles Gründe, wo wir sagen: Es wäre einfach angemessen, diese Gruppe in der jetzigen Situation, aber auch insgesamt zielgerichtet zu unterstützen.

Welchen Effekt erhoffen Sie sich von einem Null-Euro-Ticket?

Das 49-Euro-Ticket wird für den überwiegenden Teil der Schülerinnen und Schüler, Studierenden und Auszubildenden keine Entlastung sein. Ein Null-Euro-Ticket wäre es aber. Auch wegen der komplizierten bürokratischen Verrechnung mit lokalen Semestertickets, wie wir sie bei dem Neun-Euro-Ticket gesehen haben, wäre es unkomplizierter und unmittelbarer, das Null-Euro-Ticket für diese Gruppe einzuführen.

Außerdem gibt es meiner Meinung nach an zwei Punkten ein großes gesellschaftliches Interesse: Einerseits die Investition in Nachhaltigkeit und Bildung. Ich finde, dass das Null-Euro-Ticket für Menschen in Ausbildung genau das macht. Es investiert in die Nachhaltigkeit, in einen sozial-ökologischen Umbau. Und es investiert andererseits auch in die Bildungssituation von jungen Menschen – wir wissen ja alle, wie belastet diese schon durch Corona waren. Es wäre wichtig, dass wir da jetzt mit großen Schritten vorangehen und das wieder ausgleichen.

Wenn wir gerade beim Thema der armutsgefährdeten Gruppen sind: Was ist beispielsweise mit Rentnerinnen und Rentnern oder Alleinerziehenden?

Die Linksfraktion fordert ganz generell eine perspektivische Entwicklung hin zum kostenfreien Nahverkehr. Zuerst müssen jedoch die Gruppen entlastet werden, die eben kein eigenes Einkommen haben. Da gehören selbstverständlich auch Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger dazu, sogenannte Aufstocker oder auch armutsgefährdete Rentnerinnen und Rentner. In dem Antrag habe ich mich auf die jungen, sich in Ausbildung befindenden Menschen konzentriert.

Eine BVG-Monatskarte für Schülerinnen und Schüler kostet in Berlin zurzeit 77,50 Euro. Wie soll das Null-Euro-Ticket denn finanziert werden?

Wir wollen, dass der Bund im Zuge des Regionalisierungsgesetzes weitere Mittel an die Länder auszahlt, damit die Gruppe der Menschen in Ausbildung weiter entlastet werden kann. Das muss vom Bund kommen. Es gibt dafür auch zwei gute Argumente: Das Null-Euro-Ticket ist erstens ein Beitrag in Richtung Nachhaltigkeit. Dafür, den ÖPNV stärker zu nutzen, und zu dem Ziel „Mobilität für alle“ zu kommen. Zweitens wurden bei dem von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mobilisierten „Doppel-Wumms“ nicht so viele Mittel benötigt, wie ursprünglich einkalkuliert worden sind. Da sind also sehr viele Mittel frei.

Wie schätzen Sie denn Ihre Erfolgschancen ein?

Ich gehe davon aus, dass der Antrag erstmal abgelehnt wird, weil das leider auch das Ritual im Deutschen Bundestag ist. Ich habe jedoch gemerkt, dass es insbesondere bei SPD- und Grünenabgeordneten dafür eine große Aufgeschlossenheit gibt, aber gleichzeitig die Unmöglichkeit, unserem Antrag zuzustimmen. Ich freue mich, wenn auch unsere außerparlamentarischen Bündnispartner, wie die DGB-Jugend, der fzs oder auch andere Studierendengruppen, sich dementsprechend positionieren und Druck machen. Das ist teilweise auch schon passiert. Ich glaube, dass wir zumindest gesellschaftlich eine Debatte entfachen werden und so eine Anpassung des 49-Euro-Tickets zukünftig nochmal auf die Tagesordnung kommen wird.

Zur Person

Nicole Gohlke

Nicole Gohlke wurde 1975 in München geboren. Nach dem Abitur studierte sie Kommunikationswissenschaften und arbeitete im Anschluss in verschiedenen Agenturen. Sie ist bildungs- und wissenschaftspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke.

Mehr erfahrt ihr auf ihrem Profil auf bundestag.de.

Zur Person

mitmischen-Autorin

Leila Esh

lebt in Berlin und hat Public History studiert.

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