Mobilität Anträge der Opposition abgelehnt
Eric Matt
Wie bewegen wir uns preiswert, aber auch klimaschonend fort? Diese Frage debattierten die Abgeordneten des Deutschen Bundestages kürzlich. Dabei ging es um Anträge der Unions- und der AfD-Fraktion.
Egal ob zur Schule, zum Ausbildungsplatz, zum Arzt oder zur Arbeit: Das Auto ist für viele Bürgerinnen und Bürger weiterhin ein wichtiges Fortbewegungsmittel – besonders auf dem Land. Auf Dauer kann das bei steigenden Benzinpreisen ziemlich ins Geld gehen, ein Problem gerade auch für junge Menschen in der Ausbildung oder mit niedrigen Einkommen. Der Deutsche Bundestag debattierte kürzlich, wie Mobilität erschwinglich und gleichzeitig nachhaltig sein kann.
Die CDU/CSU-Fraktion brachte dazu einen Antrag ein, mit dem sie die sogenannte Pendlerpauschale erhalten, aber auch Bus, Bahn und Fahrrad fördern möchte. Die Pendlerpauschale sorgt dafür, dass pendelnde Arbeitnehmer weniger Steuern zahlen müssen, weil sie die Fahrtstrecke zur Arbeit steuerlich geltend machen können. Die Unionsabgeordneten forderten zudem neue Technologien, mehr Ladestationen für Elektroautos sowie eine bessere öffentliche Infrastruktur. Außerdem möchten sie Dieselfahrverbote verhindern.
Die AfD-Fraktion brachte einen Antrag ein, mit dem sie die CO2-Abgabe auf Benzin, Diesel und Gas aussetzen möchte. Die Pendlerpauschale soll auf 38 Cent pro Kilometer erhöht werden.
Beide Anträge lehnte eine breite Mehrheit der Bundestagsabgeordneten ab.
Mobilität: Wer, wie, was?
Zu Fuß, mit dem Rad, mit Bus und Bahn oder doch mit dem Auto: Es gibt viele Möglichkeiten, um zur Schule, zum Ausbildungsplatz, zur Hochschule oder zur Arbeit zu kommen. Oft hängt das vom Wohnort ab. Wer etwa in einer Kleinstadt wohnt, nimmt das Rad oder kann vielleicht sogar zu Fuß von A nach B kommen. Auf dem Land wie in Mecklenburg-Vorpommern oder im Schwarzwald sieht das oft anders aus. Wer dort kein Auto hat, kommt schwer voran.
Statt des öffentlichen Verkehrs ist in Deutschland der sogenannte Individualverkehr Spitzenreiter: 78,5 Prozent der zurückgelegten Kilometer gehen laut Umweltbundesamt auf Auto und Motorrad zurück. Die Züge haben einen Anteil von 8,6 Prozent, Busse von 6,8 Prozent und Flugzeuge 6,1 Prozent. Außerdem besaßen im Jahre 2020 rund 77 Prozent aller privaten Haushalte ein Auto.
Nichtsdestotrotz nutzten in den letzten Jahren auch immer mehr Menschen öffentliche Verkehrsmittel. Im Jahre 2020 ging´s zwar wieder zurück, was aber wohl an der Coronapandemie lag. Immer beliebter sind heutzutage auch „moderne“ Fortbewegungsmittel wie Carsharing oder E-Bikes. All diese Daten stammen vom Umweltbundesamt (UBA).
CDU/CSU: Koalitionsvertrag sei „Gegenteil nachhaltiger Politik“
Die CDU/CSU-Fraktion forderte in ihrem Antrag, „Mobilität für alle bezahlbar“ zu halten. Dies müsse „möglich sein, nicht nur in den Städten, sondern auch auf dem Land“. Hierfür seien Autos „nach wie vor unverzichtbar“. Laut Unionsfraktion ist es zwar richtig, umweltfreundlicher unterwegs zu sein, die Politik der Ampelkoalition (SPD, Grüne, FDP) aber sei der falsche Ansatz.
So lege der neue Koalitionsvertrag steigende Benzin- und Dieselpreise fest, wodurch „Mehrkosten für Millionen Pendler bewusst in Kauf“ genommen würden. Die Koalition erschwere auch „den Umstieg auf die klimafreundlichere Elektromobilität“, indem sie Kaufprämien nicht dauerhaft anbieten wolle. Zur Erklärung: Durch eine Kaufprämie erhält man einen Geldzuschuss vom Staat oder andere Vorteile, wenn man sich beispielsweise ein E-Auto zulegt.
Die Unionsfraktion forderte unter anderem, weiterhin an der Pendlerpauschale festzuhalten, Dieselfahrverbote zu verhindern oder „den Umstieg auf die CO2-neutrale Mobilität für alle attraktiv zu gestalten“. In der Debatte richtete der Unionsabgeordnete Felix Schreiner seine Worte an die Regierung: „Bitte vernachlässigen Sie nicht die synthetischen Kraftstoffe. 2030 werden im Land immer noch 30 Millionen Autos mit Verbrennungsmotor unterwegs sein. Geben Sie deshalb das klare Bekenntnis, die Energiesteuersätze für Diesel und Benzin nicht zu erhöhen!“ Der CDU/CSU-Abgeordnete sagte, es gehe nicht nur um den ÖPNV, es gehe auch um die Autofahrer in Deutschland.
Worum geht’s bei der Pendlerpauschale?
Kilometerpauschale, Fahrtkostenpauschale oder Pendlerpauschale – die offizielle Bezeichnung dafür ist die sogenannte Entfernungspauschale. Genau darum geht´s auch: Jeder soll für die Entfernung seines Zuhauses zur Arbeit, also für den Arbeitsweg, eine finanzielle Unterstützung bekommen. Dabei ist es egal, ob man einen, 50 oder 100 Kilometer vom Arbeitsort entfernt wohnt. Denn jeder Pendler kann – unabhängig vom Verkehrsmittel – 30 Cent pro zurückgelegten Kilometer geltend machen.
Beispiel gefällig? Wenn eine junge Schornsteinfegerin fünf Kilometer von ihrer Firma entfernt wohnt und diese Strecke regelmäßig zurücklegt, dann ergibt das pro Fahrt 1,50 Euro (fünfmal 30 Cent). Das macht insgesamt drei Euro für den Hin- und Rückweg an jedem Tag, an dem sie zur Arbeit fährt. Über das Jahr zusammengerechnet ergibt das bei angenommenen 220 Arbeitstagen eine Gesamtsumme von 660 Euro. Die mindern das Einkommen, das die Schornsteinfegerin versteuern muss.
Was sagten die Bundestagsabgeordneten der anderen Fraktionen in der Debatte zu den Vorschlägen?
SPD: „Lebensgrundlage der Erde sichern“
„Wir wollen die 2020er-Jahre zu einem Aufbruch nutzen und eine nachhaltige, innovative und für alle bezahlbare Mobilität ermöglichen“, zitierte der SPD-Abgeordnete Johann Saathoff den Ampel-Koalitionsvertrag. Diesen aber habe die Unionsfraktion wohl nicht gelesen – sonst hätte sie den Antrag nicht gestellt. Klimaschutz sei der „rote Faden“ des Koalitionsvertrags, wobei es im Bereich Mobilität „deutlichen Aufholbedarf“ gebe.
„Wir sind weit entfernt, die Ziele bei der Mobilität tatsächlich zu erfüllen.“ Daher müsse die Politik nun etwas tun. Es gehe nicht darum, jemanden zu ärgern oder zu zwingen, sondern darum, „die Lebensgrundlage dieser Erde zu sichern“. Die Veränderungen verunsicherten zwar die Menschen, aber „trotzdem ist es die richtige Entscheidung“, so Saathoff. Er erklärte: „Mobilität muss bezahlbar bleiben. Die Bedingungen sind in ländlichen Räumen andere als in der Stadt. Wir brauchen passgenaue und klimafreundliche Angebote.“
AfD: „Ausbeutung der Menschen“
„Die Besteuerung von Kraftstoffen ist mittlerweile nichts anderes als Ausbeutung der Menschen in diesem Land“, kritisierte Dirk Spaniel von der AfD-Fraktion. Seine Fraktion fordere schon länger, wofür sich die Unionsfraktion nun einsetze. „Wahrscheinlich sind Sie erst durch uns darauf gekommen“, so der AfD-Abgeordnete.
Er kritisierte, dass der CDU/CSU-Fraktion die Missstände erst „einen Tag nachdem Sie aus der Regierung ausgeschieden sind, auffallen“. Der Antrag habe auch „handwerkliche Fehler“, indem er teilweise von Steuern rede, die es schon lange nicht mehr gebe. „Gute Opposition muss man lernen“, so Spaniel.
Die hohen Benzinpreise brächten viele an ihre finanziellen Grenzen. Es sei eine „Unverschämtheit“, Bus- und Bahnfahren zu fordern, obwohl auch das teurer werde. Spaniel erklärte: „Sie ziehen allen Menschen in diesem Land – nicht nur den Autofahrern – das Geld aus der Tasche.“
Grüne: Koalition sei „Anwalt für die Verkehrswende“
Stefan Gelbhaar von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erklärte, die „Union habe 16 Jahre lang Klimakrise und soziale Ungerechtigkeit verschärft“. Deren Verkehrspolitik sei „in der Summe ein Desaster“ gewesen, dies belege auch ihr eigener Antrag. „Das ist doch nichts anderes als ein Schuldeingeständnis“, so Gelbhaar. Auch die Ticketpreise, die in 18 Jahren um 79 Prozent gestiegen seien, lägen größtenteils an der Union.
Der ehemalige Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) habe oft über Spritpreise für Autos gesprochen, fast nie jedoch über Ticketpreise. „Da liegt der Fehler. Wir werden einen anderen Weg gehen.“ Die Ampelkoalition habe sich auf eine bessere Mobilität für Bus, Bahn und Fahrrad verständigt. Gelbhaar versprach: „In dieser Koalition gibt es jetzt einen Anwalt für Klima, Umwelt und für die Verkehrswende.“
Linke: „Flächendeckender und kostenloser ÖPNV“
„Ich nehme positiv zur Kenntnis, dass die Union den ÖPNV und den Radverkehr ausbauen will“, lobte Thomas Lutze von der Fraktion Die Linke. Jedoch zeige der Antrag deutlich, was für die Unionsabgeordneten wichtig sei – und was nicht. So thematisiere er zuerst Traktoren in der Landwirtschaft und erst danach den Öffentlichen Verkehr. Jedoch gebe es hierzulande nur 32.000 Traktoren, aber fünf Millionen Bus- und Bahnfahrer.
Außerdem verdienten viele Menschen „so wenig Geld, dass sie von der Pendlerpauschale nicht profitieren“. Was er damit sagen will: Die Pauschale bringe keine Steuererleichterung, da jemand mit niedrigem Einkommen ohnehin keine Steuern zahlt. Lutze weiter: Daher brauche es andere Instrumente wie beispielsweise ein „attraktiver, flächendeckender und kostenloser ÖPNV“. Der Linken-Politiker plädierte: „Lassen Sie uns nicht Autofahren verbieten oder verteuern, sondern die Alternativen zum Auto besser und billiger machen – auch im ländlichen Raum.“
FDP: „Verhindern, dass Ticketpreise weiter stark anziehen“
Laut dem FDP-Abgeordneten Bernd Reuther gibt es im Antrag der Union zwar einige richtige Punkte. Jedoch frage er sich: „Warum haben Sie die in den zwölf Jahren, als die Union den Verkehrsminister gestellt hat, nicht schon angegangen und umgesetzt?“ Die neue Regierung setze sich dafür ein, dass Mobilität zukünftig bezahlbar bleibe – was auch ärmeren Menschen helfe.
Gleichzeitig aber halte die Ampelkoalition das „ökologisch Notwendige im Blick“. Ein steigender CO2-Preis im Verkehrssektor sei dabei ein wichtiger Anreiz, um mehr fürs Klima zu tun. Jedoch gehe es nicht nur um Autos, sondern auch um den Öffentlichen Verkehr. Dort müsse verhindert werden, dass die Ticketpreise weiter stark anziehen. Reuther beendete seine Rede: „Wir werden die Modernisierung unseres Landes vorantreiben. Denn nur wer mehr Fortschritt wagt, kann den Wohlstand langfristig sichern.“
Die komplette Debatte könnt ihr auf bundestag.de nachlesen oder hier im Video anschauen:
© DBT
Eric Matt
... ist 22 Jahre alt und studiert an der Universität Konstanz Politik- und Verwaltungswissenschaften. Zurzeit macht er ein Auslandssemester in Israel.