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Debatte Wer darf wo über Abtreibungen informieren?

Die Bundesregierung will das sogenannte „Werbeverbot“ für den Schwangerschaftsabbruch aufheben, damit Ärztinnen und Ärzte sachlich darüber informieren können. Über den Gesetzentwurf wurde im Bundestag heftig gestritten.

Junge Frau hält einen Schwangerschaftstest in der Hand und versteckt ihr Gesicht

Ein positiver Schwangerschaftstest ist nicht für jede Frau eine gute Nachricht. © shutterstock.com/Antonio Guillem

Ungefähr 100.000 Frauen brechen jährlich eine Schwangerschaft ab. In der Debatte im Bundestag ging es darum, wo sie sich vorab über die Möglichkeiten einer Abtreibung informieren können. Aktuell ist es nämlich so, dass der Paragraf 218a des Strafgesetzbuchs „Werbung“ für Schwangerschaftsabbrüche verbietet. Die Bundesregierung will diesen Paragrafen streichen, da er auch die Veröffentlichung „sachlicher Informationen über Ablauf und Methoden des Schwangerschaftsabbruchs“ etwa auf Internetseiten von Ärztinnen und Ärzten verbietet. Dadurch werde, so steht es im Gesetzentwurf, Frauen „zum einen der ungehinderte Zugang zu sachgerechten fachlichen Informationen über den sie betreffenden medizinischen Eingriff und zum anderen das Auffinden einer geeigneten Ärztin oder eines geeigneten Arztes erschwert.“

Am 13. Mai berieten die Abgeordneten den Entwurf in erster Lesung.

FDP: „Ein Anachronismus und eine Ungerechtigkeit“

„Im Internet erlauben wir jedem Verschwörungstheoretiker, jeden Unsinn über Schwangerschaftsabbrüche zu verbreiten, aber qualifizierten Ärztinnen und Ärzten verbieten wir, sachliche Informationen zu veröffentlichen.“ So beschrieb Justizminister Marco Buschmann (FDP) zu Beginn seiner Rede die aktuelle Situation. Das sei „ein Anachronismus und eine Ungerechtigkeit“. Die „Gefahr irreführender Werbung“ bestehe durch die geplante Änderung nicht, da das Berufsrecht der Ärzte ihnen ohnehin gebiete, nur sachliche Informationen und keine „reißerische Werbung“ zu veröffentlichen. Ziel des Gesetzentwurfs sei lediglich, dass Frauen „informierter entscheiden können“. Und das, so Buschmann, „sollte in einer aufgeklärten Gesellschaft eine Selbstverständlichkeit sein“.

Union: „Verantwortungslos“

Nina Warken (CDU/CSU) warf Buschmann vor, ein „völlig falsches Bild der derzeitigen Lage“ zu zeichnen, und nannte das „verantwortungslos“. Sachliche Informationen seien bereits im Internet zu finden, so Warken, „es braucht keine zusätzliche Werbung“. Anzeigen, Plakate oder Werbung in sozialen Medien seien „mit dem Schutz und der Würde des Ungeborenen unvereinbar“. Der Schwangerschaftsabbruch dürfe „nicht verharmlost werden“.

Die Unionsfraktion hat einen eigenen Antrag vorgelegt, der die Streichung des Werbeverbots ablehnt, „wertungsfreie Angaben“ auf der Internetseite von Ärzten aber erlauben würde.

SPD: „Das ist ein schöner Moment“

„Dies ist der Moment, für den so viele Frauen jahrzehntelang auf die Straße gegangen sind“, so begann Carmen Wegge (SPD). „Das ist ein schöner Moment.“ Der Paragraf 218a, der 1933, also zur Zeit der Nationalsozialisten in Kraft getreten ist, sei ein Beleg dafür, „dass überall dort, wo rechte Parteien an der Macht sind, Frauenrechte eingeschränkt werden“. Wegge dankte allen Ärztinnen und Ärzten, die Frauen bei der Abtreibung beistünden und dabei eine Strafverfolgung riskierten. Teil des Gesetzentwurfs sei es, für diejenigen, die aufgrund des Werbeverbots in der Vergangenheit verurteilt wurden, die Strafe rückgängig zu machen.

AfD: „Abtreibung beendet vorsätzlich menschliches Leben“

Thomas Seitz (AfD) bezeichnete einen Schwangerschaftsabbruch als „Tötung ungeborener Kinder“. Deshalb dürfe Frauen dieser Schritt nicht „zu leicht“ gemacht werden. Es sei „eindeutig, dass Ärzte schon jetzt darüber informieren dürfen, ob sie Abtreibung vornehmen – nur nicht, wie“. Statt mehr Informationen über den Abbruch bräuchten Frauen „mehr Unterstützung, um sich für ihr Kind zu entscheiden“.

Grüne: „Längst überfällig“

Familienministerin Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen) fragte: „Wer anders als Medizinerinnen sollte Frauen beistehen und sie über einen Abbruch informieren?“ Es sei „zynisch“, dass sie dafür Strafverfolgung befürchten müssen. „Der Schwangerschaftsabbruch gehört einfach nicht ins Strafgesetzbuch“, meinte Paus. Die Aufhebung von Paragraf 218a sei „längst überfällig“.

Linke: „Das ist nur der erste Schritt“

Heidi Reichinnek (Die Linke) empörte sich: „Die Bezeichnung ‚Werbeverbot‘ ist widerwärtig.“ Es gehe nicht um Werbung, sondern um Information. In Richtung Union fragte sie: „Welches Frauenbild haben Sie eigentlich?“ Keine Frau würde sich doch aufgrund einer Broschüre für eine Abtreibung entscheiden. Die Streichung von Paragraf 218a sei „nur der erste Schritt“, so Reichinnek. Schwangerschaftsabbrüche müssten entkriminalisiert und „flächendeckend und kostenfrei zur Verfügung gestellt“ werden.

Auch die Linksfraktion hat einen eigenen Antrag eingebracht, der unter anderem die verpflichtende Beratung vor einem Schwangerschaftsabbruch abschaffen und Schutz vor „Belästigung“ vor Beratungsstellen, Praxen und Kliniken gewähren will.

Hier seht ihr die Debatte im Video:

(jk)

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