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IPS Arabische Staaten 2025

Kulturelle Brücken bauen

Für einen Monat tauchen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Internationalen Parlaments-Stipendiums Arabische Staaten in den Deutschen Bundestag und die parlamentarischen Prozesse ein. Die jungen Leute hoffen nicht nur auf neue Erfahrungen, sondern möchten auch Missverständnisse zwischen den jeweiligen eigenen Kulturen aus dem Weg zu räumen. Drei von ihnen haben uns von ihren Erwartungen an das Programm erzählt.

Eine Collage zeigt drei junge Leute, die in die Kamera lächeln.

Aicha, Omar und Salwa nehmen am Internationalen Parlaments-Stipendium Arabische Staaten 2025 teil. © privat

Aicha
Eine junge Frau mit Brille und Kopftuch hält ein gelbes Wörterbuch in der Hand und blickt lächelnd in die Kamera.

Aicha aus Marokko. © privat

Aicha aus Marokko ist 31 Jahre alt und arbeitet in Marokko als Deutschlehrerin. Seit sie über Freunde und Social-Media-Kanäle vom IPS-Programm erfahren hat, ist sie neugierig und motiviert, selbst als Stipendiatin den Deutschen Bundestag kennenzulernen.

Wie kam es dazu, dass du Deutsch gelernt hast?

Während meiner Schulzeit am Gymnasium begann ich, Deutsch als zweite Fremdsprache zu lernen. Anfangs empfand ich die Sprache als schwierig, dennoch habe ich sie bis zur Abiturprüfung im Jahr 2013 weitergelernt. Meine Klasse war damals die erste Klasse, die eine Deutschprüfung in meiner Heimatstadt Tiznit ablegte und ich erzielte die beste Note. Leider war es mir direkt nach dem Abitur aus familiären und finanziellen Gründen nicht möglich, ein Germanistikstudium an der Universität zu beginnen. Einige Jahre später begann ich, Deutsch in Sprachzentren zu unterrichten. Dabei blieb der Wunsch, Germanistik zu studieren, immer in meinem Herzen. 2021 konnte ich mir diesen Traum schließlich erfüllen und Germanistik an der Universität Hassan 2 in Casablanca studieren. Drei Jahre lang pendelte ich regelmäßig zwischen meiner Heimatstadt Tiznit und Casablanca, was fünf Autostunden voneinander entfernt liegt. Im Juni 2024 habe ich meinen Bachelor in Germanistik erfolgreich abgeschlossen.

Was machst du aktuell in deiner Heimat und wie setzt du dich dort für demokratische Grundwerte ein?

Zurzeit arbeite ich in Marokko als Deutschlehrerin. Nach mehreren Jahren im Präsenzunterricht in Sprachzentren habe ich jetzt meine eigene Online-Plattform aufgebaut. In meinem Unterricht vermittle ich nicht nur Sprachkenntnisse, sondern auch Werte wie Offenheit, Toleranz und respektvollen Umgang mit unterschiedlichen Meinungen. Ich ermutige meine Lernenden, ihre eigenen Ansichten zu entwickeln, anderen zuzuhören, und Diskussionen konstruktiv zu führen. Da viele meiner Lernenden als Fachkräfte nach Deutschland gehen wollen, spreche ich mit ihnen auch über das politische System und die Bedeutung der Demokratie in Deutschland. Passende Themen und Lektionen dazu finden wir auch in den Lehrwerken.

Was erwartest du vom IPS-Programm und worauf bist du besonders gespannt?

Ich freue mich darauf, während des Programms Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus verschiedenen Ländern kennenzulernen, mich mit ihnen auszutauschen und ein wertvolles Netzwerk aufzubauen. Besonders bin ich gespannt darauf, das politische System in Deutschland aus nächster Nähe zu erleben und tieferes Verständnis für demokratische Prozesse zu entwickeln. Darüber hinaus erwarte ich, Einblicke in die Arbeit des Deutschen Bundestags zu erhalten, an Sitzungen teilzunehmen und zu erleben, wie politische Entscheidungen vorbereitet und getroffen werden. Ich freue mich auch darauf, aktuelle gesellschaftliche und politische Themen in einem internationalen Umfeld zu diskutieren, interkulturelle Kompetenzen zu erweitern und neue Perspektiven auf Demokratie und Bürgerbeteiligung zu gewinnen.

Welche Rolle spielen die Geschehnisse im Deutschen Bundestag in deinem Heimatland? Was bekommst du von der deutschen Politik mit und wie informierst du dich darüber?

Die Entwicklungen im Deutschen Bundestag werden in Marokko besonders in der Bereichen Außenpolitik, Wirtschaft und Migration aufmerksam verfolgt. Entscheidungen, die Deutschland in diesen Feldern trifft, können Auswirkungen auf die marokkanische Gesellschaft und die bilateralen Beziehungen haben, insbesondere in Bezug auf Handel, Investitionen, Austauschprogramme und Migrationsfragen. Um auf dem Laufenden zu bleiben, informiere ich mich regelmäßig über deutsche Online-Nachrichtenportale, internationale Medien, die deutschsprachige Presse sowie Social-Media-Kanäle offizieller Institutionen.

Welche Themen beschäftigen dich aktuell?

Derzeit beschäftigen mich besonders die Themen Bildung und Migration, da sie sowohl in Deutschland als auch in Marokko zentrale Herausforderungen darstellen. Mich interessiert, wie Bildungssysteme Chancengleichheit fördern können und wie Integrationsprozesse in einer demokratischen Gesellschaft erfolgreich gestaltet werden. Darüber hinaus verfolge ich aufmerksam die aktuelle Lage im Nahen Osten und deren internationale politische Auswirkungen. Weitere Themen, die mich interessieren, sind Klimawandel, erneuerbare Energien, Gleichberechtigung und digitale Transformation.

Worüber würdest du dich gerne mit den anderen austauschen?

Ich würde mich gerne mit den anderen Teilnehmenden über politische und gesellschaftliche Entwicklungen in den arabischen Ländern austauschen, insbesondere über die Herausforderungen und Chancen in den Bereichen Demokratie, Bildungssystem und Migration. Darüber hinaus finde ich es spannend, Erfahrungen und Perspektiven zu politischen und gesellschaftlichen Themen sowie zum Einfluss digitaler Medien auf Meinungsbildung zu teilen. Der interkulturelle Austausch bietet dabei die Möglichkeit, voreinander zu lernen und neue Lösungsansätze zu entwickeln.

Omar
Ein junger Mann mit dunklem Bart blickt lächelnd in die Kamera.

Omar aus Ägypten. © privat

Omar aus Ägypten ist 28 Jahre alt und arbeitet als Lehrassistent an der Universität Alexandria. Er lernt seit der Schule Deutsch und würde gerne literarische Texte auf Deutsch schreiben.

Was machst du aktuell in deiner Heimat und wie setzt du dich dort für demokratische Grundwerte ein?

Derzeit arbeite ich als Lehrassistent an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Alexandria und verfasse parallel meine Masterarbeit. Außerdem unterrichte ich Deutsch und habe bisher Studierende aus über 22 verschiedenen Nationen unterrichtet.

Politisch interessiere ich mich besonders für Fragen der demokratischen Teilhabe im Rahmen der ägyptischen Verfassung. So war ich 2015 als Wahlbeobachter bei den Parlamentswahlen tätig und habe Kampagnen zu politischer Teilhabe und zur Bekämpfung von Extremismus organisiert.

Wie bist du auf das IPS-Programm aufmerksam geworden und was war deine Motivation, dich zu bewerben?

Erstmals erfuhr ich durch die Medien vom IPS-Programm und informierte mich dann eingehender auf der Website der Deutschen Botschaft. Meine Motivation für die Bewerbung besteht darin, kulturelle Brücken zwischen Ägypten und Deutschland sowie zwischen Ägypten und der EU zu schlagen. Ich möchte langfristige Netzwerke aufbauen, die meine akademische und politische Laufbahn bereichern.

Die Möglichkeit, den Deutschen Bundestag aus nächster Nähe zu erleben und zu verstehen, wie das politische System in Deutschland funktioniert, ist für mich besonders wertvoll – gerade im Kontext der jüngst auf strategische Partnerschaft erweiterten Beziehungen zwischen Ägypten und der EU.

Was erwartest du vom IPS-Programm und worauf bist du besonders gespannt?

Ich erwarte, tiefere Einblicke in die Mechanismen politischer Entscheidungsfindung in Deutschland zu gewinnen und ein besseres Verständnis für die deutsche und europäische Kultur zu entwickeln. Besonders gespannt bin ich auf die persönlichen Begegnungen und den Aufbau langfristiger Kooperationen, um gemeinsame Herausforderungen besser zu bewältigen und kulturelle Missverständnisse abzubauen.

Welche Rolle spielen die Geschehnisse im Deutschen Bundestag in deinem Heimatland? Was bekommst du von der deutschen Politik mit und wie informierst du dich darüber?

Deutschland gilt als Herz Europas und hat als zentrale Stimme innerhalb der EU großen Einfluss – auch auf die Entwicklungen im Nahen Osten. Umgekehrt beeinflussen die politischen, wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Fragen des Nahen Ostens ebenfalls Europa. Viele Ägypter leben in Deutschland und verfolgen aufmerksam die Diskussionen im Bundestag.

Ich selbst verfolge die deutsche Politik regelmäßig über deutschsprachige Medien, vor allem Sendungen wie die „Tagesschau“, um über die Debatten und Entscheidungen im Bundestag aktuell informiert zu sein.

Welche Themen beschäftigen dich aktuell?

Derzeit beschäftige ich mich intensiv mit den politischen Entwicklungen im Nahen Osten, der innenpolitischen Lage in Europa, der Zukunft der Parteienlandschaften sowie mit der wirtschaftlichen Situation in Ägypten. Darüber hinaus engagiere ich mich für den kulturellen Austausch, indem ich internationalen Studierenden die deutsche Sprache und Kultur näherbringe.

Worüber würdest du dich gerne mit den anderen austauschen?

Ich möchte mit den anderen Teilnehmenden über gemeinsame Handlungsfelder, Herausforderungen und Interessen zwischen arabischen und europäischen Staaten sprechen. Mir ist es wichtig zu verstehen, wie wir uns gegenseitig wahrnehmen, Missverständnisse abzubauen und dauerhafte kulturelle Brücken zwischen dem Nahen Osten, den arabischen Ländern und der EU – insbesondere Deutschland – zu schaffen.

Salwa
Eine dunkelhaarige Frau mit Brille sitzt auf einer Fensterbank. Durch das Fenster erkennt man einen Fluss, der durch eine Stadt läuft.

Salwa aus Tunesien. © privat

Salwa aus Tunesien ist 32 Jahre alt und ist in der Deutschen Botschaft Tunis tätig. Sie hat Germanistik an der Universität La Manouba studiert und ein Austausch-Semester in Paderborn verbracht.

Was machst du aktuell in deiner Heimat und wie setzt du dich dort für demokratische Grundwerte ein?

Ich arbeite als Lokalbeschäftigte im Büro des Verbindungsbeamten des Bundeskriminalamtes an der deutschen Botschaft Tunis. Eine demokratische Identität entwickelt sich zuerst innerhalb der Familie als Kern des gesellschaftlichen Lebens. Diese Lebensform verkörpert sich darin, dass ich in einem demokratischen Miteinander auf der Basis der Freiheit, Gleichheit und Solidarität lebe. Da bin ich offen gegenüber anderen unterschiedlichen Persönlichkeiten, Kulturen, Meinungen und Perspektiven. Außerdem engagiere ich mich aktiv an demokratischen Prozessen wie Wahlen sowie bei anderen sozial geprägten Prozessen wie dem Tier- oder Naturschutz.

Wie bist du auf das IPS-Programm aufmerksam geworden und was war deine Motivation, dich zu bewerben?

Meine Kollegin, die für die Organisation des IPS-Programms in Tunesien zuständig ist, hat mich darüber informiert und dazu motiviert, daran teilzunehmen, da sie weiß, dass ich seit 2015 Interesse daran habe, aber vorher leider nicht daran teilnehmen konnte. Deswegen wollte ich diese Gelegenheit nicht verpassen und es freut mich wirklich sehr, dass es diesmal geklappt hat.

Die grundlegenden Motive, die mich dazu bewegen, bestehen in der persönlichen Entwicklung sowie den Karrierezielen. Denn diese Gelegenheit wird mir den Weg ebnen, neue Kenntnisse zu erwerben, viele Prozesse im demokratischen, sozialen und kulturellen Bereich zu entdecken, neue wichtige Kontakte zu knüpfen und Erfahrungen zu sammeln. Außerdem bin ich sehr gespannt, auf die Zeit im Abgeordnetenbüro und auf das kulturelle Programm.

Welche Rolle spielen die Geschehnisse im Deutschen Bundestag in deinem Heimatland? Was bekommst du von der deutschen Politik mit und wie informierst du dich darüber?

Eine starke bilaterale Beziehung, die seit 1956 entstanden ist, verbindet Deutschland und Tunesien, und zwar in unterschiedlichen Bereichen.

In der Tat unterstützt Deutschland Tunesien in seinem Weg zur Reform und Modernisierung. Als drittgrößter Handelspartner (Deutschland war z.B. 2024 der größte Importeur von Bio-Datteln Tunesiens) und ausländischer Investor spielt Deutschland eine große Rolle in Tunesien. Denn im Rahmen dieser bilateralen Beziehung sind viele deutsche Unternehmen in Tunesien wirtschaftlich aktiv. Dies führt auf dem Arbeitsmarkt zur Beschäftigung von ungefähr 90.000 tunesischen Arbeitskräften. Eine Win-Win-Beziehung zwischen beiden Partnern entsteht dadurch, dass Deutschland gut ausgebildete tunesische Arbeitskräfte vorfindet.

Die Bereitschaft Deutschlands für eine Zusammenarbeit mit Tunesien spiegelt sich in der finanziellen Unterstützung vieler Projekte in der Zivilgesellschaft durch deutsche Institutionen wie GIZ (Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit) und KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau). Davon profitieren Frauen, Jugendliche und Menschen mit Behinderung.

Die deutsche Politik wird durch deutsche politische Stiftungen in Tunesien verkörpert, die mit Projekten in umfangreichen Bereichen wie Demokratie, Bildung, Marktwirtschaft, nachhaltiger Entwicklung aktiv sind. Diese Unterstützung hängt von dem vom Bundestag beschlossenen Haushaltsplan Deutschlands ab.

Von der deutschen Politik erfahre ich tagtäglich im Beruf und in den Medien, vor allem, wenn Entscheidungen Auswirkungen auf die Kooperation zwischen beiden Seiten oder direkt auf mein Engagement in der deutschen Auslandsvertretung haben.

Welche Themen beschäftigen dich aktuell?

In Tunesien gibt es eine sehr begrenzte Anzahl von Tierschutzvereinen, die eine begrenzte Unterstützung von der Gesellschaft erfahren, die also mit mangelhafter finanzieller Unterstützung und kaum ausreichendem Platz für Tiere aktiv sind. Die hohe Anzahl von Straßenkatzen und -hunden führt zu einem erhöhten Tollwutrisiko. Sensibilisierungskampagnen sind dabei nicht ausreichend. Deswegen werden in diesem Zusammenhang staatliche Maßnahmen durchgeführt, etwa Impfkampagnen, aber auch Kampagnen für die Tötung von armen Straßenhunden. Straßenkatzen sind davon leider auch nicht ausgeschlossen. Außerdem werden Tiere häufig grausam gequält, getreten, totgeschlagen. Meistens wird der Täter nicht bestraft, obwohl die Tierquälerei gesetzlich verboten ist. Nur wenn ein solcher Akt auf Facebook gepostet und verbreitet wird, folgt eine Bestrafung, die aber auch nicht streng ist.

Ein wichtiger inhaltlicher Schwerpunkt für mich ist der Schutz von Frauen vor Gewalt. Erschreckend ist die erhöhte Anzahl der Fälle von Frauenmorden sowie Gewalt gegen Frauen in Tunesien. Denn mehr als drei Viertel der tunesischen Frauen haben 2022 körperliche oder psychologische Gewalt erlitten.

Ein weiteres wichtiges und aktuelles Thema in Tunesien ist die Korruption, die tief verwurzelt ist und viele Sektoren und Verwaltungen betrifft.

Worüber würdest du dich gerne mit den anderen austauschen?

Wir stammen alle aus arabischen Ländern. Das heißt, die arabische Identität vereint uns, wir verfügen aber über unterschiedliche Denkweisen, Kulturen und Geschichten.

Durch Workshops und Seminare werden wir uns gegenseitig besser verstehen sowie die unterschiedlichen Perspektiven direkt zum Ausdruck bringen. Da werden Vorurteile bzw. Gerüchte, z. B. über politische Systeme und Mentalitäten, abgebaut, um neue Brücken aufzubauen. Uns vereint auch der arabische Frühling mit seinen direkten oder indirekten, positiven oder negativen Auswirkungen. Dies stellt einen wichtigen Ausgangspunkt für die aktuelle politische Lage in arabischen Ländern dar, was ein wichtiges Thema für den Austausch ist.

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