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IPS Arabische Staaten 2025

Rückblick auf einen politischen und kulturellen Austausch

Naomi Webster-Grundl

Was erlebt man, wenn man für einen Monat im Bundestag unterwegs ist? Drei Stipendiaten des Internationalen Parlaments-Stipendiums Arabische Staaten erzählen von Highlights und Überraschungen.

Drei junge Leute stehen bei gutem Wetter auf einem Gehweg, rechts fließt ein Fluss, im Hintergrund erkennt man die Kuppel des Reichstagsgebäudes.

Fatimah, Radwa und Abubakr haben als Teilnehmer des Internationalen Parlaments-Stipendium Arabische Staaten einen Monat im Bundestag verbracht. © mitmischen.de/Naomi Webster-Grundl

Einen Monat lang waren Radwa, Fatimah und Abubakr als Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Internationalen Parlaments-Stipendiums Arabische Staaten zu Gast im Deutschen Bundestag. Sie waren bei Debatten im Plenum dabei, diskutierten in Workshops miteinander sowie mit Abgeordneten und verbrachten eine Sitzungswoche als Praktikanten in Abgeordnetenbüros. Wie blicken sie auf diesen ereignisreichen Monat zurück?

Radwa ist 27 Jahre alt, kommt aus Ägypten und arbeitet dort in Kairo beim Goethe-Institut und dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) als Projektassistentin und Finanzmanagerin.

Fatimah ist 28 Jahre alt und kommt aus dem Irak. Sie hat Medizin und allgemeine Chirurgie studiert und arbeitet gerade als Assistenzärztin in ihrem zweiten Weiterbildungsjahr.

Abubakr ist 23 Jahre alt, kommt auch aus Ägypten und arbeitet dort beim Goethe-Institut in Kairo in der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit.

Die drei wussten auch vor diesem Monat in Berlin schon sehr viel über das politische System in Deutschland. Den Bundesrat kannten sie aber zum Beispiel zunächst nicht, und fanden es schwer, dieses Gremium und seine Aufgaben einzuordnen – etwas Vergleichbares ist ihnen aus ihren Heimatländern nicht bekannt. Abubakr erzählt, dass er vorher ein recht stereotypes Bild vom Bundestag und vor allem nur das Plenum vor Augen hatte. „Am meisten hat mich dieser Satz beeindruckt: Das deutsche Parlament ist kein Redeparlament, es ist ein Arbeitsparlament“, so Abubakr. Das habe er durch das Stipendium auch richtig erleben und verstehen dürfen – zum Beispiel was in den Arbeitsgruppen und Ausschüssen besprochen und beschlossen wird. Fatimah fand vor allem interessant, dass man als Gast in das Plenum darf. „Und sehr überrascht hat mich außerdem, dass den Abgeordneten vom Präsidium gesagt wird, dass sie die Redezeit beachten müssen. Das würde bei uns als sehr unhöflich aufgefasst werden“, schmunzelt sie.

Eine junge Frau steht am Ufer eines Flusses und lächelt in die Kamera, über den Fluss fährt ein großes Boot, im Hintergrund erkennt man den Fernsehturm von Berlin.

Fatimah (28) hat während ihrer Zeit in Berlin einiges erlebt, wovon sie zuhause im Irak berichten wird. © mitmischen.de/Naomi Webster-Grundl

Politik als lebendige Praxis

Wenn man die drei nach ihren Highlights des Programms fragt, kommen sie aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus. „Jeder Tag war etwas Besonderes!“, so Abubakr. Für Radwa war das Rollenspiel, bei dem die Stipendiaten in die Rollen von Abgeordneten schlüpfen und über ein fiktives Gesetz debattieren konnten, eine ganz besondere Erfahrung. „Jetzt verstehe ich die Prozesse, die hinter der Entwicklung eines Gesetzes stecken, nicht nur theoretisch“, so Radwa.

Für Abubakr wird unvergesslich bleiben, wie er zum ersten Mal bei einer Sitzung im Plenarsaal war – alles, was er vorher in der Theorie gehört hat, ist plötzlich lebendige Praxis: wie das Präsidium agiert, wie bei der Regierungsbefragung die Fragen gestellt und beantwortet werden. „Es ist für die Minister und Ministerinnen keine leichte Aufgabe, diese Fragen zu beantworten, aber sie tun es, weil sie Verantwortung übernehmen und das wichtig für das Land ist“, findet Abubakr. Eindrücklich fand er auch, dass man im Plenarsaal ältere Abgeordnete im Anzug neben jungen Abgeordneten in Jeans sitzen sieht, die aber das gleiche Maß an Verantwortung tragen.

Gehört fühlen

Die IPS-Stipendiatinnen und -Stipendiaten haben die Abgeordneten natürlich nicht nur von der Besuchertribüne aus gesehen. Das Programm hat wieder verschiedene Möglichkeiten für Fragen und Austausch geboten. Bei einer Veranstaltung war Armin Laschet (CDU/CSU) zu Gast. „Er hat unsere Fragen sehr ernst genommen und auch sehr offen beantwortet. Das hat mich sehr beeindruckt“, erzählt Radwa.

Eine junge Frau steht vor dem Reichstagsgebäude und lächelt in die Kamera.

Radwa (27) hat es besonders gefallen, im Rahmen eines Rollenspiels eine Rede als Abgeordnete zu halten. © mitmischen.de/Naomi Webster-Grundl

Bei einer anderen Veranstaltung war Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen) zu Gast. „Da habe ich die Frage gestellt, was eigentlich mit den Kunstwerken geschehen ist, die nach 2003 nach dem Sturz von Saddam Hussein aus dem Irak gestohlen wurden. Frau Roth hat mir die Frage beantwortet, und danach kam ihre Mitarbeiterin zu mir und hat mich gefragt, ob sie einen Termin für mich im deutschen archäologischen Institut vereinbaren darf. Also war ich drei Tage später dort und konnte selbst mit den Archäologen sprechen. Das war ganz wundervoll für mich und ich habe mich wirklich gehört gefühlt“, schildert Fatimah.

Kultureller und politischer Austausch

Sehr toll fanden alle drei die Veranstaltung „Das besondere Ding“: Alle Stipendiaten bringen etwas aus ihrem Heimatland mit, das typisch für ihre Kultur ist, wie zum Beispiel Essen, Musik oder Kleidung, und stellen es den anderen vor. Durch diesen kulturellen Austausch fühlten sie sich den anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmern noch näher und hatten auch das Gefühl, deren Heimatländer besser zu verstehen.

Natürlich haben sie auch über die aktuellen Situationen in ihren jeweiligen Heimatländern gesprochen. Auch mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundestages, die das Programm organisiert haben, sei es immer ein Austausch auf Augenhöhe gewesen, so Abubakr. „Das ist, was Austausch bedeutet: Selbst Ideen reingeben, den anderen mit ihren Ideen zuhören und dann gemeinsam überlegen, wie man etwas besser machen könnte“, fasst der 23-Jährige zusammen. Fatimah ergänzt: „Es war ein kultureller und politischer Austausch. Ich weiß jetzt viel mehr über die politischen Systeme in den Ländern der anderen Stipendiaten. Aber wir haben uns auch viel über das deutsche Essen und deutsche Sprichwörter unterhalten.“

An manchen Stellen hätten sie sich verantwortungsbewusstere Statements und einen sensibleren Umgang von einzelnen Abgeordneten und Gesprächspartnern zur Situation in Gaza gewünscht. Untereinander haben sie sich viel zum Thema ausgetauscht und sind sich einig, dass es eine Politik des Brückenbauens und eine Zwei-Staaten-Lösung brauche, um eine nachhaltige Lösung des Konflikts zu erreichen.

Praktikum im Abgeordnetenbüro

Krönender Abschluss des Programms war das einwöchige Praktikum in den Abgeordnetenbüros während einer Sitzungswoche. Fatimah erzählt begeistert, dass sie sich vollkommen als Teil des Teams gefühlt habe und zunächst überrascht gewesen sei, wie nahbar und sympathisch die Abgeordnete ist. Radwa fand es vor allem spannend, wie die Rede für das Plenum erarbeitet wurde, und durfte den Abgeordneten zu einem Jahresempfang begleiten. Abubakr erzählt: „Ich hätte gedacht, dass das Büro in der Sitzungswoche sehr beschäftigt ist und eigentlich keine Zeit für mich hat, aber im Gegenteil: Ich durfte richtig mitarbeiten!“

Ein junger Mann im Anzug steht an ein Geländer gelehnt und lächelt in die Kamera, rechts von ihm fließt ein Fluss, links stehen grüne Bäume auf einem Gehweg, der Himmel ist blau.

Für Abubakr (23) wird unvergesslich bleiben, wie er zum ersten Mal bei einer Sitzung im Plenum des Deutschen Bundestages dabei war. © mitmischen.de/Naomi Webster-Grundl

Blick in die Zukunft

Fatimah kehrt nach dem IPS-Programm zurück in ihren Job in der Notaufnahme. Sie engagiert sich zu Hause außerdem ehrenamtlich für Waisenkinder und Familien mit geringen finanziellen Mitteln, möchte sich jetzt aber auch dafür einsetzen, dass eine Gruppe für Umweltschutz gegründet wird: „Wir leiden im Irak an einer Wasserkrise und da ist es sehr hilfreich, was wir hier über die Weiterverwertung des Regenwassers gelernt haben.“ Auch Radwa kehrt zurück in ihre Arbeit und will sehen, wie sie das erworbene Wissen über das Prinzip der Schwammstadt – Regenwasser wird gespeichert und wieder abgegeben, wenn Trockenheit es nötig macht – in Kairo einsetzen kann.

Abubakr wird als Online-Redakteur beim Goethe-Institut in Kairo arbeiten, fühlt sich aber auch sehr motiviert, sich noch stärker ehrenamtlich zu engagieren: „Bei uns gibt es sehr viele Jugendliche, die sich unbedingt aktiv engagieren wollen, die so viele Talente haben, die nur auf der Suche nach einer Chance dafür sind. Und für diese Hoffnungen und Träume brauchen sie Unterstützung.“

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