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Frank Schwabe (SPD) Die Werte des Europarates verstehen

Jasmin Nimmrich

Am 16. und 17. November ist es wieder so weit: Auf der Youth Space Berlin Conference werden junge Menschen aus ganz Europa über die Arbeit des Europarates diskutieren. Wir haben uns mit dem Bundestagsabgeordneten Frank Schwabe (SPD), Leiter der deutschen Delegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PVER), über die Erwartungen an die kommenden Tage unterhalten.

Frank Schwabe (SPD) ist Leiter der Deutschen Delegation der Parlamentsarischen Versammlung des Europarates. © IMAGO / epd

Die Youth Space Berlin Conference steht in diesem Jahr unter dem Motto „Die Zukunft des Europarates nach dem 4. Europaratsgipfel“. 50 Jugendliche aus 22 Mitgliedstaaten des Europarates und Belarus werden an der Veranstaltung teilnehmen und mit Vertreterinnen und Vertretern des Europarates sowie den Mitgliedern der deutschen Delegation in der PVER diskutieren. Dabei stehen Themen wie die Ukraine und die Verantwortung des Europarates sowie die Zukunft der Menschenrechte im Kontext von Klimawandel und Digitalisierung auf der Tagesordnung. Außerdem soll es um die Stärkung der Demokratie durch Institutionen und die Zivilgesellschaft gehen.

Wie war der Youth Space Berlin 2022 für Sie?

Die Veranstaltung im vergangenen Jahr war so gut, dass wir uns entschlossen haben, sie auch in diesem Jahr durchzuführen. Wir haben mit unserer Teilnahme drei konkrete Ziele vor Augen: Zum einen wollen wir den Europarat und seine Arbeit insgesamt in Deutschland, aber auch im Deutschen Bundestag selbst, bekannter machen, zum anderen wollen wir den Jugendteil des Europarates stärken. Und mit dem Youth Space möchten wir schlichtweg eine Plattform schaffen, auf der sich junge Menschen mit Politikerinnen und Politikern des Deutschen Bundestages austauschen können. Die jungen Menschen kommen aus insgesamt 22 Ländern, darunter auch die Ukraine und die Türkei - also Länder, in denen es für junge Menschen aktuell nicht unbedingt einfach ist, einen politischen Raum zu finden, in dem man sich über Demokratie und Menschenrechte unterhalten kann. Dieser Raum hier im Bundestag war im letzten Jahr schon enorm fruchtbar und wird es sicher auch in diesem Jahr wieder sein.

Im Jahr 2022 endete der Youth Space Berlin mit der Formulierung von Forderungen an den Europarat, unter anderem die verstärkte Einbeziehung von Jugendlichen in die Bewältigung von Krisen. In den kommenden Tagen soll evaluiert werden, inwieweit diese umgesetzt wurden. Mit welchem Fazit für den Europarat rechnen Sie? 

Der Europarat ist eine Institution, die sich primär mit Menschenrechten, der Demokratie und der Einhaltung des Rechtsstaates beschäftigt. Ebendiese Werte werden durch einige der 46 Mitgliedstaaten unterminiert. Die Jugendorganisationen des Europarates jedoch befinden sich durchgängig klar auf der Seite von genau diesen Werten. Alle, die im Jugendbereich des Europarates arbeiten und sich engagieren, empfinde ich in ihrer Arbeit den Menschenrechten gegenüber als sehr verpflichtet. Deswegen rechne ich auch in diesem Jahr mit einem weiteren eindeutigen und kritischen Impuls von der Konferenz an den Europarat.

Werden diese Impulse auch zur Genüge wahrgenommen und mit was für Anstößen rechnen Sie in diesem Jahr?

Luft nach oben ist immer, daher sind auch Veranstaltungen wie der Youth Space wirklich wichtig. Die Arbeit der Jugendorganisationen und auch wie laut diese an Entscheidungsmacher und Entscheidungsmacherinnen herangetragen wird, ist am Ende des Tages aber immer auch eine Frage der Finanzen. In den letzten Jahren haben wir im Europarat viele durchaus schwierige Finanzdikussionen geführt. Es gab Vorschläge, den Jugendteil des Europarates finanziell zu beschneiden, was zum Glück abgewendet werden konnte. Jetzt versuchen wir, eben auch mit dieser Konferenz in Berlin, den jungen Menschen einen Entfaltungsraum zur Verfügung zu stellen. Am Ende entscheide ja nicht ich als Delegationsleiter, was die jungen Menschen für Impulse setzen. Aber ich rechne fest mit Forderungen und Vorschlägen, die die europäischen Werte widerspiegeln, und die die Erneuerung der wichtigen Institution, die der Europarat ist, fordern und voranbringen werden.

Wie unterscheidet sich Ihre Arbeit im Bundestag von der Arbeit im Europarat?

Die Parlamentarische Versammlung des Europarates funktioniert zum Großteil wie ein nationales Parlament, also wie der Deutsche Bundestag auch. Teilweise braucht es andere Mehrheitsverhältnisse, um Beschlüsse zu fassen, manche Prozesse sind natürlich auch anders, aber meine Arbeit in beiden Institutionen ist schon vergleichbar. Was im Europarat anders ist, ist unser stärkerer Bezug zum sogenannten Ministerkomitee. Dieses wird aus den Vertretungen der 46 Mitgliedsländer gebildet und wäre in Deutschland vergleichbar mit der Bundesregierung. Besteht zu einem Thema eine Zweidrittelmehrheit in der Parlamentarischen Versammlung, dann können wir Empfehlungen an das Ministerkomitee herantragen, zu denen dann Stellung bezogen und geantwortet werden muss. In meinen Augen geht das schon ein bisschen weiter als das, was der Deutsche Bundestag darf. Dieser kann zwar Gesetze beschließen und Beschlüsse verabschieden, diese Beschlüsse muss die Bundesregierung aber nicht beantworten. So haben die beiden Arbeitsorte viele Parallelen, aber weisen auch einige Unterschiede auf.

Was schätzen Sie am meisten an der Zusammenarbeit mit jungen Menschen? 

Die jungen Menschen, mit denen ich zusammenarbeiten darf, haben die Werte des Europarates verstanden, leben diese und sind dabei auch zu keinen falschen Kompromissen bereit. In einem Parlament müssen wir natürlich häufig auch die Diplomatie im Auge haben.  Das hat natürlich das Risiko, dass am Ende ein Beschluss stehen kann, mit dem zwar alle Beteiligten zufrieden sind, der aber eigentlich gar nicht mehr viel aussagt. Konträr dazu schätze ich diese unerschütterliche Grundhaltung der jungen Menschen sehr. Der Aktivismus und der Tatendrang dahinter beeindrucken mich immer wieder. Wer den Europarat lebendig halten will, muss die Jugendorganisation stärken. Denn dann würde in Reinkultur das rauskommen, was den Werten entspricht, aus denen heraus der Europarat gegründet wurde und die er verteidigen muss.

Zu unserem Interviewpartner

Frank Schwabe (SPD) ist seit 2005 Mitglied des Deutschen Bundestages und seit 2014 Sprecher für Menschenrechte und humanitäre Hilfe der SPD-Bundestagsfraktion. Außerdem ist er Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PVER); seit 2022 leitet er die deutsche Delegation in der PVER.

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