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17. Juni „Vorbilder im Kampf gegen Unrecht und Unterdrückung“

Vor 70 Jahren protestierten tausende Menschen in der DDR für freie Wahlen und forderten den Rücktritt der SED-Regierung. Heute erinnerte der Bundestag an den Mut dieser Menschen, von denen viele inhaftiert wurden und 55 zu Tode kamen.

Gedenkstunde im Plenarsaal

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprachen in der Gedenkstunde. © picture alliance/dpa/Bernd von Jutrczenka

An mehr als 700 Orten in der DDR gab es am 17. Juni 1953 Streiks und Proteste. Rund eine Million Menschen erhoben ihre Stimme gegen das Regime. Der Aufstand wurde blutig niedergeschlagen. Erst 36 Jahre später brachte die Friedliche Revolution die DDR zu Fall und den Menschen Freiheit.

Bundestagspräsidentin: „Diktaturen vertragen keine freien Menschen“

Als „Schlüsselereignis der deutschen Geschichte“ bezeichnete Bundestagspräsidentin Bärbel Bas die Ereignisse von damals. „Wir wollen freie Menschen sein“, hätten die Menschen damals gerufen, „voller Hoffnung und Entschlossenheit“. Doch: „Sowjetische Panzer walzten ihre Erhebung nieder.“ Denn, so Bas: „Diktaturen vertragen keine freien Menschen, sie brauchen Untertanen, die gehorchen – das ist der Unterschied zu freien Demokratien.“ Demokratie lebe von verschiedenen Meinungen, auch von Protest, betonte die Bundestagspräsidentin.

Der 17. Juni habe nicht „den Platz in unserer Erinnerung, den er verdient“, mahnte sie. Deshalb freue sie sich, dass der Bundestag die Errichtung eines zentralen Gedenkorts beschlossen habe, die nun zügig umgesetzt werden müsse. „Das sind wir den Opfern schuldig.“

Zeitzeugnisse des Aufstands

Schülerinnen und Schüler aus Berlin trugen im Bundestag die Erinnerungen von Zeitzeugen vor. Vom 17-jährigen Schlosserlehrling, dessen Lehrmeister wegen seiner Beteiligung an den Protesten vom 17. Juni 1953 inhaftiert wurde und von dem seine Lehrlinge nie wieder hörten. Vom 12-jährigen Jungen, der die Proteste am Marktplatz beobachtete. Von der 14-jährigen Schülerin, die neugierig auf die Straße lief, dann aber aus Angst vor den Panzern schnell wieder nach Hause zurückkehrte.

Frank Nemetz erzählte im Bundestag selbst, wie er damals als Junge voller Sorge auf seinen Vater wartete, der ihm später erzählte, wie ein 19-Jähriger bei den Protesten erschossen worden war.

Anschließend wurde ein Tondokument aus dem Elektromotorenwerk Wernigerode eingespielt, dessen Arbeiter sich solidarisch mit den Opfern des Aufstandes erklärten und „freie und geheime Wahlen in ganz Deutschland“ und „die Aufhebung der Zonengrenzen und den Abschluss eines Friedensvertrages mit ganz Deutschland“ forderten. Der Arbeiter, der in der Aufnahme zu hören ist, wurde mit den anderen Streikführern von bewaffneten Soldaten abgeführt und inhaftiert.

Bundespräsident: „Zorn über Unrecht, Unterdrückung und Gewalt“

„Heute zollen wir den mutigen Männern und Frauen unseren Respekt“, sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seiner Rede. Der „Zorn über Unrecht, Unterdrückung und Gewalt“ und „die Hoffnung auf eine bessere Zukunft“ habe sie auf die Straße getrieben und dazu gebracht, ihr Leben zu riskieren. Sie seien „Vorkämpfer unserer heutigen Demokratie“ und „bis heute Vorbilder im Kampf gegen Unrecht und Unterdrückung“.

Die „Massenerhebung gegen die Diktatur“, die am 17. Juni 1953 stattgefunden habe, zeige laut Steinmeier zwei Dinge: „Den großen Willen der Menschen zur Freiheit und die tiefe Angst der Diktatur vor der Freiheit“. Heute verkörpere der Bundestag die politische Selbstbestimmung, für die die Menschen damals auf die Straße gegangen seien. Es sei deshalb, betonte der Bundespräsident, eine „fadenscheinige Lüge, wenn die Gegner unserer Demokratie heute behaupten, es sei heute wie damals, genau wie in einer Diktatur. Wer so spricht, der verhöhnt die Opfer der SED-Diktatur.“

Die Männer und Frauen, die 1953 den Aufstand wagten, seien die Vorläufer der Friedlichen Revolution und der heutigen Freiheit in ganz Europa, so der Bundespräsident. „Wir machen uns das nicht jeden Tag klar – aber was für eine Errungenschaft!“ Umso schlimmer sei es, dass die Freiheit heute in Europa durch den Angriff Russlands auf die Ukraine wieder bedroht sei. Die Ukrainerinnen und Ukrainer verteidigten heute genau das, „wofür mutige Menschen seit 1953 immer wieder aufgestanden sind und was wir nie wieder verlieren wollen“, erklärte Steinmeier.

Optimistisch endete er: „Heute ist auch ein Tag der Hoffnung, an dem wir uns daran erinnern, dass der Wille zur Freiheit stärker ist als jede Diktatur.“

Hier seht ihr die Gedenkstunde im Video:

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