Diskriminierung im Sport Es gibt noch viel zu tun
Wenn es um Diskriminierung, Rassismus und Diversität im Sport geht, muss noch viel getan werden, um die Situation für die Athleten zu verbessern. Das hat der Sportausschuss bei einer Anhörung mit Experten aus Spitzensport und Wissenschaft festgestellt.
Mit den Themen Diskriminierung, Rassismus und Diversität im Sport hat sich kürzlich der Sportausschuss beschäftigt. Ziel der Anhörung war es, sich über Strategien im Kampf gegen Rassismus und Konzepte für mehr Gleichstellung auszutauschen.
Als Sachverständige waren Wissenschaftler von den Universitäten in Leipzig und Bayreuth eingeladen, außerdem Experten vom Deutschen Fußball-Bund, vom Deutschen Behindertensportverband, von der Koordinationsstelle Fanprojekt und der Initiative „Vollkontakt – Demokratie und Kampfsport“. Eine Schlussfolgerung der Sitzung: Es gibt noch viel zu tun.
„Wir brauchen mehr Wissen“
Die Sportsoziologin Petra Tzschoppe von der Universität Leipzig merkte an, dass es zu wenig Erhebungen gebe, die ein realistisches Bild davon vermittelten, wie groß die Probleme im Bereich Rassismus und Diskriminierung im Sport seien. „Wir brauchen mehr Wissen, mehr Daten“, so Tzschoppe.
Die Untersuchungen, die es gebe, zeigten dass Vorurteile und Diskriminierungen im Sport ebenso wie in der Gesellschaft ausgeprägt seien, schreibt Tzschoppe in ihrer Stellungnahme für die Anhörung. Deutlich sei auch, dass es Zusammenhänge zwischen verschiedenen Vorurteilen gebe. So neigten Sportvereinsangehörige, die einem Vorurteil zustimmten, mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu, auch andere Gruppen abzuwerten. Außerdem spiele auch der Wohnort eine Rolle: In Regionen mit weniger als 50.000 Einwohnern seien menschenfeindliche Einstellungen im Sport ausgeprägter als in größeren Gemeinden oder Städten.
Tzschoppe wies darauf hin, dass es zwei Kategorien der Diskriminierung gebe, die im Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz zwar nicht erwähnt würden, ihrer Meinung nach aber auch berücksichtigt werden müssten: Das seien zum einen der ökonomische, soziale und bildungspolitische Status sowie zum anderen die Diskriminierung von Ostdeutschen, die sich zum Beispiel durch abwertende Behandlung äußere.
Sportprodukte: Frauen oft benachteiligt
Bei Sportprodukten seien Frauen oft benachteiligt, da sie oft nur die Wahl zwischen Produkten für Männer oder Kinder hätten, erklärte der Wissenschaftler Franz Konstantin Fuss von der Universität Bayreuth. Er sprach damit gleich zwei Probleme an: Es fehlten nicht nur Produkte für Frauen, es gebe auch zu wenig Studien, die sich auf Frauen konzentrierten. Beispielsweise seien weibliche Laufstile nicht genug erforscht, was Auswirkung auf die Entwicklung von Laufschuhen habe. Er empfahl, eine Initiative zur geförderten wissenschaftlichen Erforschung der Interaktion von Sportlerinnen und Sportgeräten zu gründen.
Außerdem befand Fuss, dass man den Zugang für Kinder zum Sport fördern müsse. Junioren und Senioren seien oft benachteiligt, wenn es um Zugang zu Sportangeboten ginge. Jungen Menschen könne man den Zugang beispielsweise erleichtern, indem man den Einsatz von Smartphones mit jugendgerechten Sportgeräten kombiniere.
Fußballfans: Verantwortungsvolle Jugendkultur
Nach seiner Beobachtung habe sich in den vergangenen Jahren rund um den Fußball eine Jugendkultur etabliert, die Verantwortung übernehme und im Stadion bei rassistischen Vorfällen dagegenhalte, berichtete Michael Gabriel, Leiter der Koordinationsstelle Fanprojekt. Das sei nicht immer so gewesen: Als die ersten Fanprojekte in den 1980er Jahren gegründet wurden, seien Nationalismus, Rassismus und Chauvinismus akzeptierte Verhaltensweisen in den Fanszenen gewesen.
Inzwischen gebe es 71 Fanprojekte an 64 Standorten in Deutschland, die mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus den Fanszenen arbeiten. Zentral für die Arbeit sei hierbei eine langfristige vertrauensvolle Beziehungsarbeit, die auf dem Prinzip der Freiwilligkeit beruhe. Mehr über die Arbeit mit jungen Fußballfans hat uns übrigens Gerd Wagner von der Koordinationsstelle im Interview erzählt.
Besonders im Bereich der außerschulischen politischen Bildungsarbeit sei die Arbeit mit Jugendlichen wichtig, heißt es in der Stellungnahme der Koordinierungsstelle. Die hohe Identifikation mit dem Verein und der eigenen Fanszene ermögliche auch dann Zugänge zu den Jugendlichen, wenn sie über die Institution Schule nicht erreicht würden.
Diversität und Vielfalt im DFB
Die ehemalige Fußballspielerin Célia Šašić hat viele Jahre in der deutschen Nationalmannschaft gespielt. Heute ist sie Vizepräsidentin des Deutschen Fußball-Bundes für Diversität und Vielfalt. Das werte sie als Zeichen dafür, dass auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) die Bedeutung des Themas verstanden habe, sagte sie im Ausschuss.
Sowohl im Profi- als auch im Amateursport gebe es Probleme mit Diskriminierung und Rassissmus. Šašić machte dafür auch den Rückgang von ehrenamtlichem Engagement verantwortlich. Der DFB habe deshalb eine Initiative für mehr Beteiligung der Zivilgesellschaft gestartet, um Sport und Gesellschaft stärker miteinander zu verbinden.
Fachpublikum beim Behindertensport
Auch der Triathlet Martin Schulz vom Deutschen Behindertensportverband sprach im Ausschuss. Er selbst sei nie Zeuge von Fehlverhalten geworden, gab der Europameister, Weltmeister und Goldmedaillengewinner an. Das führte er darauf zurück, dass er es meist mit Fachpublikum zu tun habe.
Potenziale und Gefahren des Kampfsports
Der Autor Robert Claus sprach über militante Neonazis im Kampfsport. Hier zeige sich, dass Kampfsport zwar einerseits integrierend wirken, aber von menschenfeindlichen Gruppen auch für gewalttätige Auseinandersetzungen ausgenutzt werden könne.
Das Modellprojekt „Vollkontakt – Demokratie und Kampfsport“ widmet sich eben diesen Schwerpunkten: Prävention von Gewalt und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit im Kampfsport. Dafür bedürfe es einer Sportpolitik, die sich sowohl dem traditionellen Vereinssport als auch dem freien, kommerziellem Markt widme, heißt es in der Stellungnahme.
Mehr zur Ausschusssitzung findet ihr auf bundestag.de, zum Sportausschuss geht es hier.
(Mira Knauf)