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Sport-Politiker: „Viele haben ihre Karriere beendet“

Yasemin Kamisli

Wann läuft's im Sport wieder normal? Das hat Yasemin Philipp Hartewig (FDP) aus dem Sportausschuss gefragt. Er berichtet, was Corona für Profisportler bedeutet, und warum er es für falsch hält, Ungeimpfte vom Sport auszuschließen.

Autorin Yasemin (rechts) im Video-Interview mit Philipp Hartewig (links)

mitmischen-Autorin Yasemin im Video-Interview mit Philipp Hartewig (FDP). Screenshot

Die Corona-Pandemie wirbelt unseren Alltag durcheinander. Welche Auswirkungen hatte und hat sie auf Profi-Sportlerinnen und Sportler?

Anders als im Breitensport, bei dem es hauptsächlich um Spaß, körperliche Fitness oder den Ausgleich von Bewegungsmangel geht, konnte der Trainingsbetrieb im Profisport teilweise weiter stattfinden. Trotzdem sind die Auswirkungen auch für Profi-Sportlerinnen und Sportler groß. Für sie war es beispielsweise schwer, vor leeren Hallen und Stadien ohne Zuschauer abzuliefern. Die langfristigen Auswirkungen wird man erst später umfassend beurteilen können. Die Strukturen um den Kader herum, also um den Stamm von Sportlerinnen und Sportlern, die für ein Spiel oder einen Wettkampf infrage kommen, haben sehr unter der Pandemie gelitten und tun es noch. Viele Profisportler und Sportlerinnen haben ihre Karriere beendet.

Sie haben es schon angesprochen: Bei Sportveranstaltungen darf und durfte kaum mehr jemand zusehen, es gab auch „Geisterspiele“ ohne Zuschauer, etwa im Fußball. Für Fans ist das frustrierend. Wann werden sie wieder in die Stadien und Hallen können?

Kürzlich haben sich die Bundesländer zusammengetan, um genau darüber zu sprechen. Zum Glück kam bezüglich der Besucher bei Sportveranstaltungen etwas Bewegung rein. Grundsätzlich sollte gelten, dass die Maßnahmen der Gefahrenlage entsprechend den aktuellen Studien angepasst werden müssen – nach zwei Jahren Pandemie kann man erwarten, dass die Maßnahmen entsprechend begründet werden. In der Vergangenheit war das nicht immer der Fall.

Haben Sie ein Beispiel?

Ja, in Sachsen ist die Besucherzahl beim RB Leipzig auf 1.000 begrenzt, obwohl 45.000 Menschen ins Stadion passen würden. Das finde ich absurd. Bisher gibt es keine Studien, die belegen, dass man sich im Freien besonders ansteckt. Meiner Meinung nach sollte man nicht nur, aber gerade im Freien den Besucherzugang schnellstmöglich wieder freigeben. Natürlich sollte man die aktuelle Corona-Lage nicht verharmlosen. Jedoch ist es beim Sport bisher zu keinen großen Infektionsketten gekommen, auch im Vergleich zu anderen Bereichen.

Auch im Breitensport gab es viele Einschränkungen. Studien belegen, dass die Deutschen während der Pandemie im Schnitt an Gewicht zugenommen haben. Was tun?

Da gibt es viele verschiedene Ansätze. Wichtig sind natürlich die sportbezogenen Regelungen – sprich, dass man Sport generell ermöglicht. Ich werbe überall für die Impfung und bin selbst geimpft, aber wir haben im letzten Vierteljahr die Ungeimpften vom Sport komplett ausgeschlossen. Wenn man sich die Folgen ansieht, halte ich das für den falschen Weg. Studien belegen, dass sich die Menschen von Lockdown zu Lockdown weniger bewegen. Als Lösung sehe ich für den Sport Lockerungen, wenn nicht sogar die komplette Öffnung.

Welche Möglichkeiten gibt es noch?

Die Politik sollte generell für Sport werben. Anstatt nur von Regelungen zu sprechen, muss man Akzente setzten und klar sagen, dass Bewegung wichtig ist. In der gesamten Pandemie ist das deutlich zu wenig passiert. Bis zur Bundestagswahl 2021 war Horst Seehofer Innen- und Sportminister, von ihm kam nie eine energische Äußerung zum Sport. Das Einzige, was wir zum Thema Sport und Bewegung gehört haben, war der Vorschlag von Angela Merkel, im Klassenzimmer ein paar Kniebeuge zu machen, wenn es während des Lüftens zu kalt wird.

Langfristig müssen wir schauen, wie wir das Ehrenamt im Sport unterstützen – vom Sportstättenbau bis hin zu weniger Bürokratie bei Förderprogrammen, sie sollten also mit weniger Papierkram und einfacheren Verfahren möglich sein. Den großen Sportvereinen hilft es auch, dass die Minijob-Grenze im Oktober von 450 auf 520 Euro angehoben wird, denn in Sportvereinen sind viele Minijobber beschäftigt. Das sind kleine Bausteine, die im Gesamten das Ehrenamt unterstützen, ohne das der Breitensport gar nicht denkbar wäre.

Für viele Jugendliche ist der Sport ein wichtiger Ausgleich, der fehlt. Wie kann man ihnen jetzt helfen?

Jungen Menschen wurden zwei Jahre der persönlichen Entfaltung genommen, mal ganz unabhängig davon, wie man die Maßnahmen im Sport bewertet. Das kann man nicht rückgängig machen. Man kann jedoch in dem Bewusstsein dessen mit der Verantwortung entsprechend jetzt die Zukunft angehen. Im Bereich Sport heißt das ganz konkret, die Regelungen zu lockern, um jungen Menschen wieder etwas Motivation und Hoffnung zu geben. Nutzt die Angebote, die bisher gegeben sind – von der Kletterhalle bis zur Wasserski-Anlage! Es lohnt sich, in die Vereine zu gehen und sich zu bewegen.

Viele Vereine haben in den vergangenen Monaten Mitglieder und damit auch Beiträge verloren. Wird der Staat sie unterstützen?

Gerade in Mannschaftssportarten wie Handball, Basketball oder Fußball ist das prekär. Wenn sich fünf oder sechs Mitglieder aus der Mannschaft abmelden, besteht die Gefahr, dass diese komplett auseinanderbricht. Viele Vereine leben schließlich davon, dass die Spieler nach der Jugendmannschaft in die nächste Liga aufrücken. Einige Länder haben schon Erhebungen zu der Entwicklung der Mitgliederzahlen veröffentlicht. Vereine haben teilweise bis zu 20.000 Mitglieder verloren.

Im Breitensport gibt es schon Hilfen für Vereine: Wenn ein Verein etwa eine große Investition geplant hatte und diese mit einem Fest wieder reinholen wollte, das dann Corona-bedingt ausfallen musste, dann gibt es vom Bundesland Unterstützung. Das Problem, dass Mitglieder sich abmelden, kann man aber leider schwer über staatliche Hilfen auffangen. Durch die Pandemie und die finanzielle Notlage ist es für viele Vereine schwierig, Mannschaften zu füllen, die ehrenamtlichen Vorstände zu besetzen oder Übungsleiter zu finden. Für die Zukunft muss es unser Ansatz sein, mehr zu fördern und den Zugang zum Sport wieder zu ermöglichen.

Über Philipp Hartewig

Philipp Hartewig wurde 1994 in Chemnitz geboren. Er studierte Jura in Leipzig und Prag. Mit 17 Jahren wurde er Mitglied und Landesvorsitzender bei den Jungen Liberalen, seit 2015 ist er Mitglied des Landesvorstands der FDP Sachsen. Seit 2021 sitzt der 27-Jährige im Bundestag und ist sportpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion. Er ist Obmann im Sportausschuss. Mehr erfahrt ihr auf seinem Profil auf bundestag.de.

Porträtfoto von Yasemin
mitmischen-Autorin

Yasemin Kamisli

... studiert in Frankfurt am Main und setzt sich für die Sichtbarkeit von diversen Lebensrealitäten ein.

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