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Geschichte einer Petition „Es gab eine große Party“

Jule Schulte wandte sich mit einer Idee an den Bundestag. Am Ende diskutierte sie mit Abgeordneten über ihre Petition – und sorgte mit dafür, dass ein Gesetz geändert wurde.

Jule Schulte im Porträt

„Wir wussten, dass wir mit einer Petition zeigen können, dass dieses Thema absolut relevant ist“, sagt Jule Schulte. © privat

Sie haben beim Bundestag eine Petition eingereicht, in der es um Menstruationsprodukte ging. Was genau war Ihre Forderung?

Auf den Preis von Menstruationsprodukten wie Tampons, Binden und Slip-Einlagen wurden 19 Prozent Steuern draufgeschlagen. Wir haben uns für den ermäßigten Steuersatz von sieben Prozent eingesetzt, der für viele Güter des täglichen Bedarfs gilt.

Wie sind Sie darauf gekommen, sich für dieses Thema zu engagieren?

Das Thema Gleichberechtigung beschäftigte mich und die Redaktion, in der ich arbeite, schon lange – und auch unsere User. Wir bekamen auf das Thema „Tampon Tax“, das in Deutschland und auch international diskutiert wurde, viele Rückmeldungen. Deshalb wollten wir mehr tun, als nur zu schreiben, dass wir es gut fänden, wenn die Steuer gesenkt würde.

Wir wollten uns aktiv dafür einsetzen. Für ein Online-Magazin ist das sicher eher ungewöhnlich. Aber wir fanden, dass es bei diesem Thema in Ordnung geht, wenn wir unsere Reichweite nutzen, um das zu unterstüzen. Wir haben uns dann mit einem Berliner Start-up zusammengeschlossen, das sich bereits eine recht große Perioden-Community erschlossen hatten, um wirklich die Menschen zu erreichen, die dieses Thema schon länger beschäftigte.

Und warum haben Sie sich für eine Petition entschieden, um Ihr Anliegen publik zu machen?

Wir haben gehofft, viele Leute zu erreichen und wussten, dass wir mit einer Petition zeigen können, dass dieses Thema absolut relevant ist.

Im Jahr vor unserer Petition gab es schon eine auf der Plattform Change.org, die mit dem gleichen Anliegen fleißig Unterschriften gesammelt hat. Die Change.org-Petitionen sind leicht zu unterstützen: Dort muss man nur eine E-Mail-Adresse abgeben und schon hat man unterschrieben. Aber am Ende ist dort niemand gezwungen, sich das anzuschauen. Wir wussten, wenn wir beim Bundestag einreichen, dann müssen die Abgeordneten sich damit beschäftigen. Und wenn wir dann auch noch die Schwelle von 50.000 Unterschriften erreichen, dann muss es auch auf den Tisch gelegt und öffentlich besprochen werden.

Mehr als 80.000 Menschen haben Ihre Petition unterstützt. Haben Sie mit so viel Zuspruch gerechnet?

Nee. Ich habe natürlich gehofft, dass wir die 50.000 Unterschriften erreichen und in den Petitionsausschuss eingeladen werden. Aber dass es am Ende so viele werden – ich glaube, 81.425 waren es ganz genau – hat natürlich niemand zu hoffen gewagt.

Man hat ja einen Monat Zeit, um möglichst viele Mitzeichner zu finden. Wir sind auch sehr gut gestartet, dann allerdings ein bisschen abgeflacht – da haben wir uns schon Sorgen gemacht. Zum Glück konnten wir einige sehr prominente Unterstützer finden, zum Beispiel Margarete Stokowski und Jan Böhmermann. Nachdem die beiden unseren Aufruf geteilt hatten, ging es noch mal steil nach oben.

Weil Sie so viele Unterschriften sammeln konnten, wurden Sie in den Petitionsausschuss des Bundestages eingeladen. Wie war das, dort mit den Abgeordneten direkt zu diskutieren?

Aufregend. Sehr, sehr aufregend. Für die Abgeordneten, die das ständig machen, ist es bestimmt gar nicht mehr so aufregend. Aber ich hatte ja noch nie im Bundestag gesprochen, deshalb war das schon wirklich sehr spannend.

Nachdem klar war, dass wir mit der Petition in den Bundestag eingeladen werden, haben wir als Redaktion schon mal von allen Parteien ein Stimmungsbild eingefangen, um zu hören, wie sie zu der Sache stehen. Da kam erst mal gemischtes Feedback. Aber ein oder zwei Wochen vor unserem Termin hat Finanzminister Olaf Scholz angekündigt, dass er das Thema auch wichtig findet und das gerne zum Jahreswechsel umsetzen würde. Bis zu unserem Besuch im Bundestag hatten sich die meisten Parteien schon positiv dazu geäußert. Trotzdem war ich noch mal begeistert davon, wie freundlich die Abgeordneten im Ausschuss waren und wie bereitwillig sie sich für das Thema ausgesprochen haben.

Ihre Forderung wurde dann also tatsächlich zum Januar 2020 umgesetzt. Gab es eine Party?

Natürlich! Wir haben uns die Sitzung des Bundestags angeschaut, in der darüber abgestimmt wurde. Da saßen wir alle mit kleinen Augen ganz konzentriert vor dem Bildschirm. Aber als wir dann verstanden hatten, dass es tatsächlich durch ist, gab’s eine große Party.

Haben Sie nach dieser sehr erfolgreichen Petition schon Ideen für neue Vorschläge ans Parlament?

Aktiv noch nicht. Aber ich habe auf jeden Fall schon andere Menschen, die Ideen haben, zu dem Thema beraten und versucht, unser Erfolgsrezept zu teilen: eine Mischung aus Hartnäckigkeit und Social-Media-Kampagne. Und sollte mir mal wieder eine zündende Idee kommen, weiß ich ja jetzt, an wen ich mich wenden kann. Es ist also nicht auszuschließen, dass man mich noch mal im Bundestag sieht.

Über Jule Schulte

Jule Schulte ist 27 Jahre alt und seit einigen Jahren Redakteurin in den Online-Redaktionen von stern und NEON, wo sie sich auch immer wieder mit dem Thema Gleichberechtigung auseinandersetzt. Wenn sie nicht gerade am Schreibtisch sitzt, sitzt sie gerne mit Getränk auf dem Balkon und liest oder fiebert beim HSV und der Formel 1 mit.

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