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Kontrollgremium „Wir dürfen nicht darüber reden“

Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen) berichtet, wie der Bundestag den Nachrichtendiensten auf die Finger schaut, warum Corona unsere Sicherheit bedroht und wie er persönlich mit Geheimnissen umgeht.

Portrait des Abgeordneten Konstantin von Notz

„Wir können schon viel erreichen und korrigieren, indem wir Missstände thematisieren“, sagt Konstantin von Notz. © von-notz.de

Herr von Notz, Sie sind Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium und Ihre Aufgabe ist es, die Nachrichtendienste des Bundes zu kontrollieren. Wen genau nehmen Sie da unter die Lupe?

Es gibt in Deutschland verschiedene Sicherheitsbehörden. Dazu zählen die Polizei, aber auch die Nachrichtendienste. Die sammeln Informationen über relevante Vorgänge, die unmittelbar etwas mit der Sicherheit im Land zu tun haben. Da gibt es einmal einen Nachrichtendienst bei der Bundeswehr, den MAD (Militärischer Abschirmdienst). Es gibt das Bundesamt für Verfassungsschutz, das ist der inländische Nachrichtendienst. Und dann gibt es den größten Dienst, den BND (Bundesnachrichtendienst), der Informationen im Ausland sammelt.

Und warum genau schauen Sie diesen Diensten auf die Finger?

Weil die Nachrichtendienste grundsätzlich im Geheimen agieren, müssen sie in einem Rechtsstaat durch das Parlament kontrolliert werden. Wir überprüfen, ob das, was sie machen, auch rechtens ist.

Wie funktioniert das? Wie kontrolliert man die Nachrichtendienste?

Die Nachrichtendienste müssen dem Parlament über relevante Vorgänge Bericht erstatten. Anders als in anderen Ausschüssen sind wir im Kontrollgremium nur eine kleine Runde von neun Leuten. Wir dürfen alle Themen, die uns interessieren, anmelden und dann müssen die Präsidenten der Nachrichtendienste diese Themen für uns aufbereiten und berichten.

Müssen Sie die Geheimnisse, die Sie erfahren, für sich behalten?

Alles, was wir bearbeiten, ist sicherheitssensibel. Das heißt, wir dürfen über das, was wir besprechen, nicht reden, weder mit unseren Familien noch mit unseren Kolleginnen und Kollegen. An dieser pauschalen Regel gibt es Kritik. Denn wir hätten gerne in ganz besonders relevanten Fällen die Möglichkeit, unsere Fraktionsvorsitzenden zu informieren – wenigstens auf einer abstrakten Ebene, also ohne ihnen dabei konkrete Geheimnisse zu verraten.

Mitunter sind es wirklich auch problematische Vorfälle, von denen wir erfahren. Und wenn das nur im Kreis dieser neun Personen bleibt, ist das auch unter dem Aspekt der politischen Verantwortung nicht immer ganz unkompliziert.

Bedeutet das also, dass Sie tatsächlich jedes noch so geheime Geheimnis der Nachrichtendienste kennen?

Naja, so ist es leider auch nicht. Es gibt Ausnahmen. Zum Beispiel dann, wenn der BND mit einem anderen Nachrichtendienst aus dem Ausland kooperiert und von ihm Informationen bekommt. In so einem Fall wird uns nicht immer die Information selbst, aber praktisch immer die Quelle der Information vorenthalten. Das ist rechtlich sehr umstritten, obwohl das Verfassungsgericht im Kern bestätigt hat, dass das okay ist. Ich persönlich sehe das kritisch, weil ich finde, dass es keine Bereiche geben darf, die der parlamentarischen und damit der demokratischen Kontrolle entzogen werden.

Was tun Sie, wenn Sie Missstände in der Arbeit eines Nachrichtendienstes entdecken?

Seit zwei Jahren gibt es einen sogenannten Ständigen Bevollmächtigten. Das ist ein Beamter, der 30 Mitarbeiter hat. Den können wir mit Kontrollaufgaben beauftragen. Er durchforstet dann Wochen, manchmal Monate lang die Akten der Nachrichtendienste, die ihm alle Türen und Schubladen öffnen müssen. Er darf auch alle behördlichen Mitarbeiter befragen. Am Schluss schreibt er dann einen Bericht, der großen Druck erzeugen kann. Schließlich will niemand dafür verantwortlich gemacht werden, wenn etwas schlecht läuft.

Wir können also schon viel erreichen und korrigieren, indem wir Missstände thematisieren. Aber wenn wir auf hochproblematische rechtswidrige Dinge stoßen, dann haben wir als Gremium auch die Möglichkeit, bestimmte Informationen öffentlich zu machen. Dabei versuchen wir natürlich, die Arbeit der Dienste nicht zu gefährden.

Einmal im Jahr kommen die Präsidenten der Nachrichtendienste in den Bundestag. Zuletzt waren sie am 29. Juni da. Eine Aussage war, die Gewaltbereitschaft steige in allen Bereichen des Extremismus. Was macht der Bundestag mit so einer Information?

Erst mal ist das die Einschätzung einer Behörde. Die haben bestimmte Grundlagen dafür; trotzdem muss sich der Bundestag kritisch damit befassen und die Aussage mit anderen Informationen abgleichen und politisch einordnen. Und dann muss man daraus Rückschlüsse für die Gesetzgebung ziehen: Müssen Gesetze angepasst werden? Brauchen wir mehr Personal, bessere Technik? Müssen wir gegebenenfalls bestimmten Bereichen mehr Geld geben, um problematische Entwicklungen abzufangen?

In der Anhörung ging es auch um die aktuelle Corona-Krise. Was hat die mit der Arbeit der Nachrichtendienste zu tun?

Die Corona-Krise ist ein sehr relevantes Sicherheitsthema. Natürlich geht es bei der Sicherheit oft um klassische Straftaten, um Terrorismus und so weiter – und darum muss man sich unbedingt kümmern. Aber es gibt eben auch andere Krisenszenarien wie Pandemien.

Covid-19 beeinflusst die Stabilität in der ganzen Welt, aber auch in Deutschland. Käme eine zweite Corona-Welle, könnten die Krankenhäuser unter Druck geraten, könnten viele Behördenmitarbeiter krank werden, Produktionsketten können unterbrochen, Demokratien und Rechtsstaatlichkeit bedroht werden. Man muss deshalb sehr genau hinschauen: Wo ist was zu tun, wo muss man unterstützen, wo muss man gegensteuern?

Was fasziniert Sie an der Arbeit im Kontrollgremium?

Ich interessiere mich schon immer sehr für Innenpolitik und die öffentliche Sicherheit. Und in der Arbeit des Parlamentarischen Kontrollgremiums kommt man sehr nah an die Grundmechaniken unseres Staates. Man erlebt, wie der Staat mit dem Thema Sicherheit und mit Freiheitsrechten umgeht. Bei aller Kritik, die auch ich manchmal habe: Deutschland ist ein sehr sicheres Land. Wir haben eine funktionierende Gewaltenteilung und eine funktionierende Justiz. Daran mitzuwirken, dass das auch so bleibt, ist für mich eine sehr sinnstiftende Arbeit.

Über Konstantin von Notz

Konstantin von Notz, 49, ist Rechtsanwalt. Seit 2009 sitzt er für Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums und Mitglied des Ausschusses für Inneres und Heimat. Mehr erfahrt ihr auf seinem Profil auf bundestag.de.

(jk)

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