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Jürgen Braun (AfD) „Auf Kern der Menschenrechte besinnen“

Die Bundesregierung hat kürzlich den Bericht über ihre Menschenrechtspolitik vorgelegt. Jürgen Braun von der Oppositionsfraktion der AfD übt starke Kritik – am Bericht und der politischen Schwerpunktsetzung.

Porträt von Jürgen Braun

Die Bundesregierung setze in ihrer Menschenrechtspolitik die falschen Schwerpunkte, findet Jürgen Braun von der AfD-Fraktion. © Jürgen Braun

Die Bundesregierung hat den Bericht über ihre Menschenrechtspolitik vorgelegt. In der Debatte dazu haben Sie kritisiert, der Bericht habe nichts mit Menschenrechten zu tun. Wieso?

Der Bericht hat deswegen so gut wie nichts mit Menschenrechten zu tun, weil er seinen Schwerpunkt ganz woanders setzt. Den Autoren geht es eigentlich nur darum, ihre Liste mit modischen Schlagworten aus der linksgrünen Ecke abzuarbeiten. Wir lesen beispielsweise Werbetexte über sogenannte feministische Außen- und Entwicklungspolitik, über Gender-Gaga und vieles aus dem fragwürdigen Lehrbuch der Klimaideologen.

Hinter diesen grün-populistischen Theorien ist aber der eigentliche Kern, die Menschenrechtspolitik, für mich nicht mehr erkennbar. Menschenrechtsthemen sind zum Beispiel die Freiheit und die Rechte jedes Einzelnen in einem Staat. Stattdessen bekommen wir nur verquaste woke Textbausteine vorgesetzt. Die großen Probleme – wie Folter, Einsperren oder Vertreibung von Menschen – werden unter modischen Schlagwörtern begraben.

Gibt es ein konkretes Beispiel? Inwiefern werden Menschenrechte unter diesen „modischen Schlagwörtern“ begraben?

Ja, natürlich. Ständig geht es um das Klima. Das ist ein Thema für ganz andere politische Ressorts und hat mit Menschenrechten absolut nichts zu tun. Es wird alles vollkommen willkürlich miteinander vermengt. Ich habe zum Beispiel einen Absatz gelesen, in dem „gendergerechte Strategien für die Bekämpfung des Klimawandels“ gefordert werden. Hier werden einfach nur zwei absurde linksgrüne Lieblingsthemen sinnlos verwurstet, nur um sie weiter verbreiten zu können.

Sich wirklich um Menschenrechte zu kümmern, würde aber ganz andere Schwerpunktsetzungen erfordern: zum Beispiel gegen Gewalt gegen Frauen im Iran, gegen Kinder in Afrika oder gegen Homosexuelle in Russland. Linkes Geschwurbel hilft nicht gegen eine Mullah-Regime oder übegriffige Staatsorgane.

Der Menschenrechtsbericht

Alle zwei Jahre berichtet die Bundesregierung über die Entwicklungen der deutschen Menschenrechtspolitik – in Deutschland und der Welt. Kürzlich hat die Bundesregierung den 15. Menschenrechtsbericht veröffentlicht. Er bildet den Zeitraum Oktober 2020 bis September 2022 ab. Das Auswärtige Amt ist bei der Erstellung des Berichts federführend. Der Bericht ist in vier Teile gegliedert. So geht es im ersten Teil um die politischen Prioritäten, die die Bundesregierung für die kommende Zeit festlegt, im zweiten Teil um die Situation der Menschenrechte in Deutschland, im dritten Teil um die Außen- und Entwicklungspolitik im Hinblick auf Menschenrechte und im vierten Teil um die Menschenrechtslage in einigen ausgewählten Ländern.

Durch den Klimawandel kommt es vermehrt zu Menschenrechtsverletzungen. Da geht es etwa um den Verlust des Lebensraums und die Bedrohung des Lebens. Sind diese Menschenrechte weniger wichtig als andere Menschenrechte?

Wer Menschen verfolgt, foltert oder tötet, benutzt dafür jede denkbare Ausrede. Wirtschaftliche, soziale oder gesellschaftliche Gründe. Nichts davon ist aber eine akzeptable Entschuldigung. Es geht hier um universelle Werte und Rechte, nicht um politische Rechtfertigungen für unmenschliche Taten. Wer dennoch so argumentiert, gibt den Opfern immer eine Mitschuld, weil sie zwangsläufig in bestimmten Umständen gefangen sind und zeigt Verständnis für die Taten und die Täter, weil sie ja angeblich gar nicht anders konnten oder zu ihren Verbrechen quasi gezwungen waren. Das ist eine ganz gefährliche Sichtweise, die ich ablehne.

Im Mittelpunkt müssen stets der einzelne Mensch und seine persönliche Verantwortung stehen. Dabei gibt es schwerwiegende Dinge, die müssen tabu bleiben. Egal, was um einen herum passiert.

Welchen Umgang würden Sie sich stattdessen mit den Menschenrechten wünschen?

Ich wünsche mir, dass die Bundesregierung sich wieder auf den eigentlichen Kern der Menschenrechte zurückbesinnt. Dieser Kern ist weltweit unbestritten. Woke Ideologien und Schlagworte aus Deutschland versteht woanders niemand. Selbst bei uns werden sie nur von einer Minderheit geteilt und kommen schnell wieder außer Mode. Solche Kurzeittrends helfen bei Grundsatzthemen wie dem Schutz von Menschenrechten überhaupt nicht.

Ein Beispiel: Deutsche Lobbygruppen versuchen uns eine kleinteilige Randdebatte aufzudrücken, wie Transmenschen vielleicht genannt werden sollten. Das versteht international fast niemand. Aber wenn jemand etwa sagt „Ich werde als Homosexueller im Iran eingesperrt“, ist das eine klare Aussage, die jedem einleuchtet. Es ist klar, dass es hier um Menschenrechte geht und um ein Opfer von Verfolgung, für das man sich einsetzen muss.

Menschenrechte gelten universell und ob ein Anliegen von vielen Menschen verstanden wird, entscheidet nicht darüber, ob sie gelten. Die Anliegen der transsexuellen Menschen sind genauso wichtig wie die der Homosexuellen. Sehen Sie das anders?

Wir müssen unterscheiden zwischen Menschenrechten und Selbstverwirklichung. Niemand wird in Deutschland verfolgt, weil er meint, eine Frau, ein Mann oder etwas anderes zu sein. Folglich wird auch kein Menschenrecht verletzt. Und es ist auch kein Menschenrecht, mit einem bestimmten Pronomen angesprochen zu werden oder eine besondere öffentliche Toilette aufsuchen zu können. Schon gar nicht vor dem Hintergrund der Frage, ob es draußen wärmer oder kälter wird oder der Wind mehr oder weniger bläst.

Menschenrechte werden verletzt, wenn ein Mensch für das, was er denkt oder macht, verfolgt, verhaftet, gefoltert oder getötet wird.

Sie erwähnten gerade schon den Iran. Oft denkt man im Zusammenhang mit Menschenrechten eher an andere Länder. In einem Teil des Menschenrechtsberichts geht es aber auch um die Situation in Deutschland. Wie beurteilen Sie die Situation hierzulande?

Die Menschenrechtssituation in Deutschland ist grundsätzlich besser als in manchen anderen Staaten der Welt. In einigen Punkten hat sie sich aber in den letzten Jahren durchaus besorgniserregend verändert. Ich denke da an die sogenannten Corona-Maßnahmen. Es wurden Kontaktverbote und Ausgangssperren verhängt, man durfte nicht frei reisen oder sich nicht an der frischen Luft versammeln. Obwohl es doch eigentlich selbstverständlich sein sollte, in einem demokratischen Rechtsstaat gegen die Politik der Regierung protestieren zu dürfen. Es gab einen berufsbezogenen Impfzwang, ein genereller Impfzwang konnte mit den Stimmen der AfD im Bundestag zum Glück verhindert werden. Außerdem kam es zu massiver Zensur im Internet, die bereits vor Corona mit dem fragwürdigen Netzwerkdurchsetzungsgesetz begonnen hatte.

Diese Verstöße gegen Grund-und Menschenrechte müssen dringend aufgearbeitet werden. Sie werden aber im Bericht der Bundesregierung mit keinem Wort erwähnt.

Über die Pandemie und die Maßnahmen, um der Pandemie zu begegnen, wurde viel diskutiert und auch berichtet. Die Ausnahmesituation wird von Ihnen anders bewertet als von vielen anderen. Was muss denn aus Ihrer Sicht konkret aufgearbeitet werden?

Zunächst müssten die von mir erwähnten Verstöße in dem Bericht aufgeführt werden. Sie einfach zu verschweigen, mutet schon seltsam an. Und dann müssen wir gemeinsam prüfen, ob die Menschenrechte in Deutschland noch so gewährleistet sind, wie sie ursprünglich gedacht waren. Die Kernfrage ist: Haben Menschenrechte, die in unserer Verfassung in die Grundrechte eingeflossen sind, noch Vorrang vor staatlichem Handeln?

Nach meiner Auffassung müssen der Staat, also die Regierung und die Behörden, für alle nachvollziehbar begründen, warum ein Grundrecht – und sei es auch nur ansatzweise – eingeschränkt wird. In der Praxis der Corona-Jahre musste aber der Bürger begründen, warum er seine Grundrechte wahrnimmt. Das halte ich für unerträglich.

Zur Person

Jürgen Braun

Jürgen Braun wurde 1961 in Bergneustadt geboren. Nach der Schule studierte er Rechtswissenschaft in Berlin und arbeitete als freier Journalist. Später war Braun unter anderem Chef vom Dienst im Fernsehen des MDR in Dresden. Seit 2017 ist er Abgeordneter im Bundestag. Er ist Obmann im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe.

Mehr erfahrt ihr auf seinem Profil auf bundestag.de.

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