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Klimaforscher „Wenig Spielraum“

Lara Schwalb

Als Klimaforscher geht Hauke Schmidt der Frage nach, was die Menschen der Natur mit ihrem Lebensstil antun. Mit Überschwemmungen und Verwüstungen müssen wir in Zukunft rechnen, sagt Schmidt. Lara hat ihn gefragt, ob es noch Hoffnung gibt.

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Wissenschaftler sollten nicht vorschreiben, was Menschen tun müssen, um den Klimawandel zu bremsen, meint Hauke Schmidt. © Hauke Schmidt

Herr Schmidt, weltweit gehen jeden Freitag abertausende Schüler auf die Straße, um für den Klimaschutz zu demonstrieren. Was sagen Sie als Wissenschaftler: Wie steht es um unser Klima?

Natürlich wissen wir alle, dass es momentan eine globale Erderwärmung gibt. Es gibt aus wissenschaftlicher Sicht keinen Zweifel daran, dass die Erderwärmung größtenteils von uns Menschen verursacht wird. Es ist auch zu erwarten, dass die Erwärmung weitergeht. Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens durchzusetzen, die globale Erderwärmung auf maximal zwei Grad Celsius zu beschränken, bleibt uns nur noch sehr wenig Spielraum.

Bezieht sich dieser "wenige Spielraum" auf Grenzwerte?

Wir können abschätzen, wie viele Treibhausgase wir noch in die Luft aussenden dürfen, um das Klimaabkommen nicht zu verletzen. Nach einer im letzten Jahr veröffentlichten Studie, an der ich beteiligt war, dürfen wir als Menschheit nur noch etwa 1.200 Milliarden Tonnen CO2 ausschütten, wir sagen emittieren, um die Erwärmung wahrscheinlich unter zwei Grad zu halten. Da wir momentan jährlich fast 40 Milliarden Tonnen CO2 ausstoßen, bedeutet das: Wenn wir noch 30 Jahre lang so weiterleben wie bisher, dürfen wir danach gar nichts mehr emittieren. Das verstehe ich unter wenig Spielraum. Die Einhaltung des Zwei-Grad-Ziels scheint nicht besonders realistisch, wenn wir die aktuelle Entwicklung der CO2 -Emissionen betrachten.

Was erforschen Sie dazu genau am Max-Planck-Institut?

Die Mission unseres Institutes ist es, das sich verändernde Klima zu verstehen. Dazu setze ich mich mit Fragen auseinander, wie sich zum Beispiel eine Veränderung der Sonneneinstrahlung oder ein Vulkanausbruch auf unser Klima auswirken. Eine Zeitlang habe ich mich auch mit dem Vorschlag beschäftigt, mittels technologischer Innovationen unser Klima künstlich abzukühlen. Hier habe ich die Konsequenzen erforscht, die zu erwarten sind, wenn natürliche Phänomene der Temperaturabkühlung technisch nachgeahmt werden.

Momentan hinterfrage ich die Auswirkungen der Tropopausen-Region auf unser Klima. Die Tropopause ist eine Grenzfläche der Erdatmosphäre in etwa acht bis 18 Kilometern Höhe. In dieser Region nimmt die Temperatur nicht weiter aufgrund der Höhe ab. Wir wollen verstehen, wie sich die Tropopause verändert, wenn sich die Erdoberfläche weiter erwärmt, und ob es Rückwirkungen der Tropopausenregion auf die Oberfläche gibt.

Beraten Sie denn auch Unternehmen oder Regierungsorganisationen auf Grundlage Ihrer Forschungsergebnisse?

Nun, wir veröffentlichen unsere Ergebnisse in Fachzeitschriften, deren erste Zielgruppe wissenschaftliche Kollegen sind. Als zweite Zielgruppe würde ich die Öffentlichkeit nennen, die wir unter anderem über Medien erreichen, die sich häufig auf unsere Arbeiten berufen. Die direkte Beratung von Industrieunternehmen übernehmen wir vom Institut aus kaum. Aber erst kürzlich habe ich zum Beispiel einen Vortrag vor einem Arbeitskreis zum Thema Energie gehalten. Da kommen dann neben Wissenschaftlern auch Vertreter der Industrie zusammen. Es gibt jedoch auch Kollegen, die in beratenden Gremien sitzen oder bestimmte Institutionen, die wissenschaftliche Ergebnisse vermitteln.

Welche Folgen können denn durch die Erderwärmung auf uns zukommen?

Ich denke, eine der unumstrittensten Folgen ist die globale Erhöhung des Meeresspiegels. Wir beobachten aktuell einen Anstieg um drei Millimeter pro Jahr. Das klingt jetzt erstmal wenig, aber in zehn Jahren sind das schon drei Zentimeter. Wir können die Folgen der Erderwärmung auch aktuell in den Überschwemmungen in Südostafrika beobachten. Ob Stürme stärker werden, wissen wir nicht sicher, aber der gleiche Sturm führt durch den Anstieg des Meeresspiegels zu größeren Überschwemmungen und Verwüstungen. Das ist wohl eine der wesentlichen Konsequenzen, mit denen wir rechnen müssen.

Viele Menschen denken, dass sie etwas gegen den hohen CO2-Ausstoß tun können, indem sie sich zum Beispiel vegan ernähren. Wie würden Sie ein solches Verhalten aus wissenschaftlicher Sicht beurteilen?

Ich denke nicht, dass die Wissenschaft vorschreiben sollte, was wir als Menschheit tun müssen, um den Klimawandel zu bremsen. Natürlich können wir uns angucken, wo viele Schadstoffe in die Atmosphäre eingespeist werden und ja, da ist der Ernährungssektor dabei. Bei der Fleischaufzucht entstehen viele Treibhausgase, und klar, kann ein vegetarischer oder sogar veganer Lebensstil helfen. Aber es gibt auch viele andere Bereiche, in denen Schadstoffe eingespart werden können. Daher denke ich, es ist nicht die Aufgabe der Wissenschaft, Vorgaben zu machen. Vielmehr sollten wir als gesamte Gesellschaft darüber diskutieren, wie wir nachhaltiger leben wollen.

Reicht es aus, dass die Regierung bei der Suche nach nachhaltigen Lebensweisen an unser "gutes Gewissen" appelliert? Oder sollten klare Regeln aufgestellt werden?

Diese Frage würde ich aus meiner persönlichen Perspektive heraus beantworten: Ich bin mir sicher, dass es mit Appellen allein nicht getan ist. Insbesondere in Deutschland hat die große Mehrheit der Bevölkerung die Existenz des Klimawandels erkannt. Und trotzdem nehmen jährlich die Zulassungen von schweren Autos oder der Flugverkehr zu. Daher habe ich wenig Hoffnung, dass allein das schlechte Gewissen des Einzelnen dazu führen wird, dass wir die globale Temperatur entscheidend senken.

Im März haben sich viele Wissenschaftler als Unterstützer der "Fridays for Future"-Demos bekannt: Haben Sie dieses Bekenntnis auch unterschrieben?

Ich habe dieses Bekenntnis selbst nicht unterschrieben, ich hadere da etwas mit mir. Persönlich habe ich viel Sympathie für die Aktion. Meine eigenen Kinder haben auch an den Demonstrationen teilgenommen, was mich sehr freut. Aber ich denke auch, dass der politische Anstoß für mehr Klimaschutz aus der Bevölkerung kommen sollte, und nicht von uns Wissenschaftlern. Uns wird ohnehin schon vorgeworfen, wir würden die Klimaproblematik übertreiben, um an mehr Forschungsgelder zu gelangen. Diesen Eindruck möchte ich vermeiden. Ich bin sehr dafür, über den Klimawandel zu informieren. Aber ich versuche mich mit politischen Forderungen zurückzuhalten, um nicht den Eindruck zu erwecken, meine Forschung wäre politisch getrieben.

Über Hauke Schmidt:

Hauke Schmidt, geboren 1968, hat seinen Doktortitel der Geophysik an der Universität Köln erworben. Seit 2002 arbeitet er am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg und erforscht, wie sich verschiedene geographische Gegebenheiten auf unseren Klimawandel auswirken können.

Lara Schwalb

Zur Person

Portraitfoto von mitmischen-Autorin Lara Schwalb
mitmischen-Autorin

Lara Schwalb

ist 20, lebt in Freiburg in Baden-Württemberg und studiert dort Politikwissenschaften und VWL.

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