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Interview „Schiffe müssen sauberer werden“

Alisia Gahabka

Welche Regeln gelten für Schiffe, die mit deutscher Flagge auf den Weltmeeren unterwegs sind? Wie können Schiffe umweltschonend abgewrackt werden? Und lösen Drohnen bald die Ozeandampfer ab? Alisia hat den Schiffsexperten Holger Steinbock dazu interviewt.

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Schiffe umweltschonend verschrotten? Dazu sind internationale Abkommen wichtig, meint Dipl.-Ing. Holger Steinbock von der Deutschen Flagge © Dipl.-Ing. Holger Steinbock www.deutsche-flagge.de

Sie arbeiten bei der "Deutschen Flagge", einer Behörde, die sich um Schiffe auf den Weltmeeren kümmert, die unter deutscher Flagge fahren. Was fasziniert Sie an der Schifffahrt?

Mich fasziniert besonders die Vielzahl der verschiedenen Bauarten von Schiffen und die darauf installierte Schiffstechnik. Schiffe, welche weltweit über die großen Ozeane fahren, müssen neben einem zuverlässigen Antrieb auch über alle notwendigen Versorgungs- und Entsorgungsanlagen für die Besatzung, und bei Kreuzfahrtschiffen auch für die Passagiere, verfügen. So wird zum Beispiel das Trinkwasser an Bord selbst entsorgt und auch die Abwässer werden über Schiffskläranlagen gereinigt.

Und wenn ein großes altes Schiff seinen Dienst getan hat ...

... muss es auseinandergebaut und entsorgt werden.

Genau darüber haben die Abgeordneten im Bundestag kürzlich diskutiert. Wie kann es sein, dass Schiffe bisher nicht geregelt recycelt werden?

Es gab bisher keine einheitlichen internationalen Regularien. Es gelten die nationalen Vorschriften und Richtlinien für das Abwracken und den Umweltschutz. Aus diesem Grund sind internationale Abkommen so wichtig. Die Internationale Schifffahrtorganisation IMO hat ein entsprechendes Schiffsrecyclingübereinkommen, die sogenannte "Hongkong-Konvention" verabschiedet, denn man hat festgestellt, dass vermehrt in Ländern wie Bangladesch, Pakistan oder Indien die Schiffe abgewrackt werden und die Arbeitsbedingungen dort mangelhaft sind.

Was sind die wichtigsten Punkte der Hongkong-Konvention?

In jedem Schiff muss es nun eine Inventarliste gefährlicher Stoffe geben. Dadurch wissen die Abwrackwerften, in welchem Bereich sich beispielsweise giftiges Material befindet, Schiffsarbeiter bekommen dann entsprechende Schutzkleidung. Außerdem müssen Recyclingwerften zertifiziert sein und brauchen eine Erlaubnis des Staates. Es kann zwar angezweifelt werden, wie die Abwrackwerften diese Erlaubnis bekommen, aber der Druck ist durch den Fokus internationaler Umweltgruppen und der Politik groß. Die Zertifizierung kann man also nicht leichtfertig durchführen. Mittlerweile gibt es auch hierzu internationale Normen, die kontrolliert werden. Bei nichtbehobenen Mängeln kann die Zertifizierung entzogen werden.

Noch ist die Konvention nicht in Kraft getreten, da 15 Staaten unterschreiben müssen. Wie realistisch ist es, dass es schnell geht?

Bisher haben sechs Staaten die Hongkong-Konvention unterschrieben. Nicht nur Deutschland, sondern auch Japan und weitere Länder kommen jetzt hinzu, aber es wird noch dauern. Es gibt einen hohen politischen Druck, da die Bedingungen auf den Abwrackwerften in Bangladesch, Indien, Pakistan und anderen Ländern bekannt sind und diese verbessert werden sollen. Meiner Einschätzung nach wird es noch mindestens zwei Jahre dauern, bis der Vertrag in Kraft tritt.

In Deutschland gibt es keine Werften, die abwracken. Wieso eigentlich nicht?

In den 1950er und 1960er Jahren wurde mehr in Deutschland und Europa recycelt, aber die Werften haben lieber Schiffe neu gebaut, da dies wirtschaftlich interessanter war als Schiffe abzubauen, zu recyceln oder abzuwracken. Heute sind uns keine Abwrackwerften für die ganz großen Containerschiffe mehr in Deutschland bekannt.

Wie sieht es europaweit aus?

In der EU gibt es zugelassene Abwrackwerften beispielsweise in Dänemark, Holland, England, Litauen und Portugal.

Reicht das internationale Abkommen aus, um das Problem der Umweltverschmutzung durch das Abwracken zu beheben? Oder sollten Schiffe auch anders gebaut werden?

In Deutschland und in einigen anderen Ländern sind bereits giftige Stoffe wie beispielsweise Asbest verboten, da von einigen Stoffen eine Krebsgefahr ausgeht. Falls diese Stoffe noch in Schiffen vorhanden sind, müssen sie umweltgerecht entsorgt werden. Moderne Schiffswerften achten sehr darauf, was sie einbauen, weil dies von den Kunden gefordert wird. So gibt es beispielsweise Umweltzeichen für Schiffe wie den "Blauen Engel". Diese werden vermehrt gefordert, denn es werden mehr Bedingungen erfüllt, als es die Gesetzeslage vorschreibt.

Wie sehen Sie die Zukunft des Frachtverkehrs auf den Meeren? Wird der bald nicht sowieso durch Lufttransporte oder Riesendrohnen abgelöst?

Der Transport von Rohstoffen und Waren mit dem Schiff ist nach wie vor die wirtschaftlichste Beförderung und sie verbraucht am wenigsten Energie. Derzeit werden weltweit 90 Prozent aller Güter mit dem Schiff transportiert. Dieses wird sich auch zukünftig nicht ändern. Der Lufttransport ist hier deutlich teurer und benötigt wesentlich mehr Energie, ebenso wie der Transport mit dem Lkw oder der Bahn. Sicherlich gibt es bei den Schiffen noch Verbesserungspotential und die Schiffe müssen zukünftig sauberer werden. Das internationale Schiffs-Recycling-Übereinkommen liefert hierzu einen wichtigen Beitrag.

Können Sie noch etwas zur "Deutschen Flagge" sagen? Was genau sind Ihre Aufgaben?

Wir sind als Behörde zuständig für die Zulassung und Überprüfung von Schiffen, welche gewerblich im nationalen und internationalen Seeverkehr tätig sind. Wir sind außerdem in internationalen Gremien und Normungsorganisationen aktiv, wie zum Beispiel in der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation IMO in London oder den internationalen Normungsgremien der Schiffstechnik ISO und Schiffselektrotechnik IEC. Auch beraten wir das Verkehrsministerium, wenn es um internationale Fragen im Bereich der Schiffssicherheit und des Meeresumweltschutzes geht.

Und für welche Schiffe sind sie zuständig?

Ein Schiff gehört immer einer Flagge an. Dies bedeutet, dass es zu einem Staat gehört und sich an dessen Regeln und Gesetze halten muss, obwohl ein Schiff natürlich auch häufig international tätig ist. Wir sind direkt zuständig für die Schiffe unter deutscher Flagge aber kontrollieren auch ausländische Schiffe, die in deutsche Häfen einfahren. Zu unseren Aufgaben zählt dann die Kontrolle der Schiffssicherheit, der Rettungsmittel, des Brandschutzes, der Arbeits- und Lebensbedingungen an Bord und die Einhaltung der internationalen Umweltschutzstandards.

Über Holger Steinbock:

Dipl.-Ing. Holger Steinbock ist Referatsleiter Maschine/Meeresumweltschutz bei der "Deutschen Flagge", der staatlichen Verwaltung für Seeschiffe unter deutscher Flagge. Die Behörde wird gemeinsam vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, dem Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie und der Dienststelle Schiffssicherheit der Berufsgenossenschaft Verkehr betrieben.

Alisia Gahabka

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