Rede des Bundestagspräsidenten Erste Sitzung des Reichstags vor 150 Jahren
Eric Matt
Vor 150 Jahren fand die erste Sitzung des Reichstages statt. Zu diesem feierlichen Anlass hielt Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble eine Jubiläumsrede. Erstaunlich: Schon damals ging es ums Impfen.
Es ist Punkt neun Uhr als die Bundestagsglocke am Donnerstag, dem 25. März, im Plenarsaal ertönt. Stehend warten die Abgeordneten des Deutschen Bundestages auf den Präsidenten des Hauses, Wolfgang Schäuble (CDU). So läuft es zu Beginn jedes Tages im Reichstagsgebäude in Berlin ab, an dem im Plenum diskutiert wird. Statt dem Präsidenten schreiten häufig auch Vize-Präsidenten zum erhöhten Sitzplatz gleich unter dem über acht Meter hohen silberfarbenen Bundesadler, um die Sitzung zu leiten.
Und los geht's mit der Tagesordnung. Thema, Gesetzentwürfe, Anträge, Dokumenten- Nummern, einzelne Abgeordnete werden zum Rednerpult vorgerufen – Alltag im Bundestagsgeschehen eben.
Doch am 25. März war es anders, Schäuble hatte eine Rede vorbereitet. Denn vor ziemlich genau 150 Jahren, am 21. März 1871, kamen auch Abgeordnete zusammen – bei der ersten Sitzung des gesamtdeutschen Reichstages des damaligen Kaiserreiches. Daran wollte der Bundestagspräsident erinnern.
Welche weiteren parlamentarischen Meilensteine gab es seit 1871? Viele Informationen finden sich in einen „Kalenderblatt“ auf bundestag.de, auf einer Sonderseite sowie bei LeMO, dem Lebendigen Online-Museum.
Damals Pocken, heute Corona
„Fern scheinende Zeiten rücken manchmal erstaunlich nahe“, sagte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble zu Beginn seiner Rede. Und er fand auch Parallelen zu heute: „Schon damals, in der ersten Legislaturperiode, wurde leidenschaftlich über das Impfen debattiert“. Während es 1871 im Reichstag um Pocken ging, ist im Deutschen Bundestag aktuell die Corona-Pandemie das vorherrschende Thema. Auch damals habe es „intensive parlamentarische Beratungen“ über das sogenannte Reichsimpfgesetz gegeben. Am Ende aber habe dieses Gesetz die Grundlage dafür gelegt, „die Krankheit in Deutschland auszurotten“.
„Parlament muss sich beweisen“
Schäuble appellierte an die Abgeordneten: „Ein – im Wortsinne – selbst-bewusstes Parlament weiß um seine Geschichte, und es hält das Bewusstsein dafür wach, dass das, was uns heute so selbstverständlich scheint, erst durchgesetzt werden musste.“ Das heutige Grundgesetz stelle „den Bundestag als einziges vom Volk direkt legitimiertes Verfassungsorgan ins Zentrum unserer politischen Ordnung“, erklärte der Bundestagspräsident. Doch das Parlament müsse sich „in der Praxis beweisen – auch und gerade in Zeiten, die als Stunde der Exekutive gelten“.
Zur Erklärung: Die Exekutive ist die vollziehende, die vollstreckende Gewalt im Staat. Sie führt in erster Linie die Gesetze aus. Zur Exekutive zählt die Bundesregierung und die Landesregierungen sowie ihre nachgeordneten Behörden. Als Stunde der Exekutive wird aktuell auch die Corona-Krise bezeichnet, in der das dynamische Infektionsgeschehen oftmals zu schnellem weitreichendem Regierungshandeln geführt hat, ohne dass das Parlament im Einzelnen damit im Vorhinein befasst war. Dies aber stößt im Bundestag vor allem bei den Oppositionsfraktionen auf immer größere Kritik.
Schäuble fuhr fort: „Das Parlament bestimmt den Rahmen, in dem die Regierungen handeln – und nicht die Exekutive die Bedingungen, unter denen das Parlament debattiert.“ Für diese Aussage bekam Schäuble von den Abgeordneten besonderen Applaus.
Handeln erklären und Orientierung geben
„Je maßloser in der Öffentlichkeit diskutiert wird“, desto wichtiger werde der Deutsche Bundestag, um politisches Handeln zu erklären und den Bürgern Orientierung zu geben. „Gelingt uns das, wächst das Vertrauen in das repräsentative Prinzip – ein Vertrauen, dem allerdings jeder einzelne Abgeordnete mit seinem Handeln immer wieder neu gerecht werden muss. Tut er es nicht, beschädigt er alle. Das sollte der letzte verstanden haben“, beendete der Bundestagspräsident seine Rede.
Die ganze Rede könnt ihr euch auf bundestag.de anschauen.
Eric Matt
... ist 22 Jahre alt und studiert an der Universität Konstanz Politik- und Verwaltungswissenschaften. Zurzeit macht er ein Auslandssemester in Israel.