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Fragen an die Regierung Welche Rechte haben LSBTI?

Eric Matt

Diskriminierung, Beleidigungen und Bedrohungen – das erfahren viele LSBTI-Menschen tagtäglich. Über die Lebenssituation Betroffenener debattierte kürzlich der Bundestag. Die Mehrheit der Abgeordneten lehnte zahlreiche Vorlagen der Opposition ab.

Zwei händchenhaltende Homosexuelle mit Regenbogenfahnen

Zwei Frauen, die sich öffentlich küssen: Finden 60 Prozent der Deutschen okay, aber 40 Prozent auch nicht, fand eine Studie heraus. © shutterstock.com/Ladanifer

Frau liebt Mann, Mann liebt Frau, Frau liebt Frau, Mann liebt Mann, Frau liebt Mann aber auch Frau, Mann liebt Frau aber auch Mann. Liebe kennt keine Grenzen, sagt der Volksmund. Doch trifft dieses Sprichwort tatsächlich zu? Wie geht es beispielsweise Menschen, die homo- oder bisexuell sind? Wie ist das Leben, wenn man im „falschen Körper“ geboren wurde? Wie ist die Situation von LSBTI? LSBTI steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen. Kurz gefragt: Wie steht es um die Rechte von LSBTI-Menschen?

Dies wollte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in einer Großen Anfrage von der Bundesregierung wissen. Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages debattierten kürzlich über diese Thematik und stimmten in dritter Lesung auch über mehrere Initiativen aus der Opposition ab.

Große Anfrage der Grünen

Ganze 210 Fragen stellte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu der sozialen und gesundheitlichen Situation von LSBTI-Menschen in Deutschland. Eine so umfassende Anfrage sei nötig, denn LSBTI-Menschen seien noch immer „eine vulnerable Gruppe in der Gesellschaft, die weiterhin Diskriminierung, Ausgrenzung bis hin zu Gewalt ausgesetzt ist“, schreiben die Grünen-Abgeordneten.

So haben laut einer aktuellen Umfrage, die von der Europäischen Kommission beauftragt wurde, „nur 60 Prozent der Menschen in Deutschland keinerlei Probleme, wenn zwei Männer beziehungsweise zwei Frauen sich in der Öffentlichkeit küssen“. Andersherum betrachtet: Auch heute noch halten rund 40 Prozent der Bürgerinnen und Bürger Homosexualität für – überspitzt gesagt – nicht vollkommen normal. Noch größere Akzeptanzprobleme hätten trans- und intergeschlechtliche Menschen: „Nur 50 Prozent der Befragten geben beispielsweise an, dass sie sich in Gegenwart einer transgeschlechtlichen Person wohl fühlen würden. Damit liegt Deutschland sogar unter dem EU-Schnitt.“

Die Fragen der Grünen-Abgeordneten reichten von den Themen Diskriminierung und Wohnungslosigkeit über psychische Erkrankungen und Beratungsangeboten bis hin zu Entschädigungsgeldern und Reformen. Beispielsweise wollte die Grünen-Fraktion wissen: „Welche Regelungen im deutschen Recht gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung, die Menschen aufgrund der sexuellen Identität diskriminieren?“ Die Bundesregierung schrieb in ihrer Antwort: „Der Bundesregierung sind keine diskriminierenden Regelungen […] bekannt.“

Eine andere Frage lautete: „Welche Erkenntnisse über Wohnungslosigkeit von erwachsenen Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen in Deutschland hat die Bundesregierung?“ Die Grünen-Abgeordneten stellten dieselbe Frage auch für jugendliche LSBTI. Die Regierung antwortete, dass sie nur wenige Erkenntnisse über die Situation von erwachsenen und jungen LSBTI-Menschen habe. Jedoch zeigten beispielsweise schottische Studien, „dass 25 bis 40 Prozent der obdachlosen Jugendlichen eine LGBT-Zugehörigkeit haben“. Grund hierfür sei, dass deren Familien sie stärker ablehnen würden.

Aus dem Lexikon

Um die Lebenssituation von LSBTI-Menschen zu verbessern, brachten die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und der FDP jeweils einen Gesetzentwurf ein.

FDP-Gesetzentwurf: Selbst- statt Fremdbestimmung

Die FDP-Fraktion legte einen Gesetzentwurf vor, der die „Stärkung der geschlechtlichen Selbstbestimmung“ zum Ziel hat. Damit möchten die FDP-Abgeordneten das sogenannte Transsexuellengesetz ändern. Zur Erklärung: Das Transsexuellengesetz stammt aus den frühen 1980er-Jahren und gibt Menschen die Möglichkeit, ihren Vornamen und ihre ursprünglich festgestellte Geschlechtsidentität zu ändern. Beispiele sind eine als Mann geborene Person, die sich jedoch als Frau fühlt. Oder eine biologische Frau, die sich als Mann identifiziert. Kritisiert werden an diesem Gesetz etwa das Begutachtungsverfahren und auch, dass ein Gericht darüber bestimmen müsse und hohe Kosten entstehen würden.

Laut FDP-Fraktion ist das Problem dabei, dass die betroffenen Personen nicht allein über die Geschlechtsänderung entscheiden dürfen. Vielmehr müssten sie mit zwei Sachverständigen sprechen, die dann bestätigen müssten, „dass die antragstellende Person seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang leidet, entsprechend ihrer vom Personenstand abweichenden Geschlechtsidentität zu leben“. Dazu komme noch, dass am Ende ein Gericht darüber entscheide, ob der Name und das Geschlecht geändert werden dürften oder nicht.

Die FDP findet das ungerecht und sagt deshalb: Transsexuellengesetz weg und neues „Gesetz zur Selbstbestimmung über die Geschlechtsidentität“ her. Dadurch sollen die Betroffenen ihr Geschlecht selbstständig bestimmen dürfen, ohne dafür Sachverständige oder Gerichte überzeugen zu müssen.

Neben der Großen Anfrage an die Bundesregierung brachten auch die Grünen-Abgeordneten einen eigenen Gesetzentwurf ein. Wie die FDP möchte die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen das Transsexuellengesetz abschaffen und ein „Selbstbestimmungsgesetz" einführen.

Wie die Debatte im Bundestag ablief und was die einzelnen Abgeordneten zu den Rechten von LSBTI-Menschen sagten, lest ihr im Folgenden.

Grüne: „Es geht hier um Menschenrechte“

„Welche Bilder haben Sie im Kopf, wenn Sie an Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen denken?“, fragte Sven Lehmann von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Viele verbänden LSBTI mit selbstbewussten, lebensfrohen und manchmal schrillen Menschen.

Jedoch gebe es auch eine andere Seite: „Ängste und Depressionen, eine erhöhte Gefahr, sich selbst das Leben zu nehmen, Gewalt auf offener Straße und ein erhöhtes Risiko von Armut und Obdachlosigkeit.“ Um dies zu verhindern, müsse der Bundestag gegen Diskriminierung vorgehen, denn „nicht die, die diskriminiert werden, müssen sich ändern, sondern die, die diskriminieren, müssen sich ändern“.

Lehmann erklärte: „Es geht hier um Menschenrechte, und Menschenrechte dürfen nicht immer wieder auf die lange Bank geschoben werden.“

CDU/CSU: „Vieles angepackt und erreicht“

„Ich bekenne mich für meine Fraktion ausdrücklich zu dem Auftrag, Schwulen, Lesben, bi-, trans- und intersexuellen Personen ein Leben in Würde und Anerkennung zu gewährleisten“, erklärte die CDU/CSU-Abgeordnete Bettina Margarethe Wiesmann. Um dies zu schaffen, sei jeder und jede gefragt – die Bundesebene, die Länder, die Kommunen und die Zivilgesellschaft.

Jedoch habe der Gesetzgeber auch schon „vieles in dieser Wahlperiode angepackt und erreicht“. Dazu gehöre, dass man als Geschlecht neben „männlich“ oder „weiblich“ nun auch „divers“ eintragen könne. Außerdem habe der Bundestag Konversionstherapien für Minderjährige verboten.

Zur Erklärung: Konversionstherapien sind Behandlungen, die LSBTI-Menschen von ihrer angeblichen Krankheit „heilen“ möchten. Wo es aber keine Krankheit gibt, da gebe es auch nichts zu heilen, sind sich die allermeisten Mediziner einig.

AfD: „Nur noch ekelhaft“

Die AfD-Abgeordnete Beatrix von Storch kommentierte, die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke und der FDP würden „den Bundestag in einem Overkill an Anträgen und Anfragen mit ihren Bestenlisten des genderpolitischen Wahnsinns tyrannisieren“. Eine solche Politik gefährde unter anderem den Frauensport, denn dann könne „jeder Mann Olympiasieger beim Frauengewichtheben werden“.

Geschlechtsumwandlungen machten „den Weg frei, junge verunsicherte Menschen irreversibel unfruchtbar zu machen, zu kastrieren, zu entstellen und ganze Familien zu zerstören“. Dies sei „nur noch ekelhaft“, so von Storch. Die AfD-Abgeordnete beendete ihre Rede: „Sie sind moralisch desorientiert, politisch gemeingefährlich. Sie gehören nicht in die Regierung und nicht mal auf die Oppositionsbank, sondern in Behandlung.“

SPD: Diskriminierungen, Bedrohungen und Tote

„Ein Kind wird geboren, und auf die Frage ‚Was wird’s denn? ‘ stimmt weder ‚Mädchen‘ noch ‚Junge‘. Seit dieser Legislaturperiode kann nun passend als Geschlecht ‚divers‘ eingetragen werden“, erklärte Susann Rüthrich von der SPD-Fraktion.

Dennoch herrsche weiterhin Handlungsbedarf, da LSBTI-Menschen noch immer oftmals diskriminierende Situationen erlebten, bedroht würden und im Extremfall sogar ihr Leben verlören. Die Politik unterstütze die betroffenen Menschen daher beispielsweise durch Demokratieprojekte, Beratungen oder spezielle Wohnformen. „Doch nicht nur gesellschaftliche Diskriminierung belastet queere Menschen und ihr Umfeld. Auch Gesetze wirken sich nach wie vor ungerecht aus“, so Rüthrich.

Die SPD-Abgeordnete kritisierte den Koalitionspartner – also CDU/CSU. Dort nämlich würde die Mehrheit der Abgeordneten parlamentarische Initiativen für einen besseren Schutz von LSBTI-Menschen blockieren.

FDP: „Tragen Sie eigentlich Damenunterwäsche?“

„Tragen Sie eigentlich Damenunterwäsche? Wie masturbieren Sie denn? Solche Fragen müssen transgeschlechtliche Menschen beantworten, wenn sie beim Standesamt ihren Geschlechtseintrag korrigieren lassen wollen“, kommentierte Jens Brandenburg von der FDP-Fraktion. Viele Betroffene würden dies zu Recht als demütigende Schikane empfinden. Die Verfahren seien zudem teuer und unnötig.

Denn bei der Bestimmung des Geschlechtseintrages sei nicht das biologische Geschlecht, sondern das subjektive Geschlechtsempfinden entscheidend. „Dafür gibt es keinen besseren Experten als den jeweiligen Menschen selbst“, so Brandenburg. LSBTI-Menschen hätten in ihrem Alltag schon genügend andere Probleme: So seien sie körperlichen Übergriffen, einer gesellschaftlichen Stigmatisierung, Hasstiraden und Verschwörungstheorien ausgesetzt. Der FDP-Abgeordnete sagte zu den Koalitionsfraktionen: „Liebe Union und auch liebe SPD, enttäuschen Sie diese Menschen nicht.“

Linke: „Damit betreiben Sie Realitätsverweigerung“

Doris Achelwilm von der Fraktion Die Linke plädierte ebenso dafür, das Transsexuellengesetz abzuschaffen. „Das Transsexuellengesetz steht für jahrzehntelanges Leid, das Transpersonen von Staats wegen zugefügt wurde, weil offenbar nicht sein darf, dass Menschen ein anderes Geschlecht haben als das bei Geburt zugewiesene. Es ist aber so, und es ist völlig okay“, kommentierte die Linksabgeordnete.

Die Verfahren des Transsexuellengesetzes seien „Pseudoprüfungen“, die vielfach eine Schikane darstellen würden. Das Geld und die Zeit solle man lieber woanders investieren.

Wenn die Große Koalition das Transsexuellengesetz nicht abschaffe, dann halte sie „an alten Geschlechtervorstellungen fest, die in vielen Lebensrealitäten, die laut Wissenschaft und nach der Weltgesundheitsorganisation nicht mehr gelten. Damit betreiben Sie praktisch Realitätsverweigerung“, so Achelwilm.

Nach der Debatte wurden die Gesetzentwürfe von Bündnis 90/Die Grünen und FDP von der Mehrheit des Deutschen Bundestages abgelehnt. Außerdem lehnten die Abgeordneten weitere Oppositionsanträge von der Linken, der FDP und den Grünen ab. Die komplette Debatte sowie alle Vorlagen findet ihr wie immer auf bundestag.de. Hier könnt ihr euch die Diskussion im Video anschauen:

Zur Person

Portraitfoto von mitmischen-Autor Eric Matt
Mitmischen-Autor

Eric Matt

... ist 22 Jahre alt und studiert an der Universität Konstanz Politik- und Verwaltungswissenschaften. Zurzeit macht er ein Auslandssemester in Israel.

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