PPP-Stipendiaten in den USA
Sofia, 15, von Bremen nach Salt Lake City
Für Sofia ist mit ihrem Auslandsjahr in den USA ein Traum in Erfüllung gegangen. In Salt Lake City wird sie nun die US-amerikanische Highschool, das Leben in einer Gastfamilie und den American Way of Life kennenlernen.
Sofia hat ihre Begeisterung für die USA im Floridaurlaub entdeckt – nun lebt sie für ein Jahr in Utah. © privat
Hallo!
Mein Name ist Sofia und ich komme aus dem schönen Bremen. In meiner Freizeit spiele ich Volleyball und organisiere Gottesdienste für Jugendliche in der Gemeinde in meinem Stadtteil. Ich habe schon eine lange Zeit davon geträumt, ein Auslandsjahr zu machen, wusste nur nie, wie und wohin ich denn wollte. Jetzt lebe ich für ein Jahr in den USA!
Als ich letztes Jahr mit meinen Eltern das erste Mal in den USA war, wurde für mich klar, wo ich mein Auslandsjahr machen will. Wir waren zwar nur in Florida, aber das hat mir schon gezeigt, wie unterschiedlich die Kulturen sind und wie gerne ich eine neue kennenlernen will. Ich bin selbst in einer zweisprachigen Familie und mit zwei Kulturen aufgewachsen, da meine Mutter aus Argentinien kommt. Meine Familie reist total gerne, was es mir ermöglicht hat, viel von der Welt zu sehen, und meine Neugier auf ein Auslandsjahr deutlich verstärkt hat.
Plötzlich sechs Geschwister
In meinem Bewerbungsvideo habe ich den Wunsch geäußert, dass ich sehr gerne kleine Gastgeschwister haben würde. Mein Wunsch wurde erhört. Ich lebe bei meiner Gastfamilie in Salt Lake City, Utah, und habe fünf kleine Gastbrüder, die zwischen neun Monaten und elf Jahren alt sind. Meine Gastmutter ist von Beruf Local Coordinator, sie kümmert sich also um die Austauschschülerinnen und Austauschschüler in der Region, und mein Gastvater ist Pastor in einer sogenannten „Lutheran Church“. Außerdem teile ich mir mein Zimmer mit meinem Double Placement aus Spanien. Wie ihr bestimmt schon merkt, ist es nur selten bis gar nicht möglich, wirklich Privatsphäre zu haben. Aber um ehrlich zu sein, ist es auch irgendwie schön. Zugegeben: Es war am Anfang schwer, sich daran zu gewöhnen, alles zu teilen und nicht alleine sein zu können, doch ich fange an, mich anzupassen und habe schon vergessen, wie das Gefühl ist, ganz alleine zu sein.
Als mir gesagt wurde, dass ich eine Gastschwester haben würde (das Double Placement), wusste ich nicht so richtig, was ich davon halten soll. Ein Zimmer teilen mit einem Mädchen, das ich gar nicht kenne? Ich hatte Angst und war froh zugleich. Als ich sie dann kennengelernt habe, war mir klar, dass es das Beste ist, was mir hätte passieren können. Man hat jemanden, der das Gleiche durchmacht und erlebt, die dich unterstützt und mit dir weinen und lachen kann. Jemand, mit der du alles teilen kannst. Natürlich streiten wir uns manchmal über Kleinigkeiten, was normal ist, wenn man 24 Stunden durchgehend Zeit zusammen verbringt, aber wir vertragen uns total schnell wieder. Sie ist wie meine echte Schwester geworden, wofür ich total dankbar bin.
Emotionale Achterbahn
Ich muss zugeben, dass die ersten Tage nicht so leicht waren, wie erwartet. Tage haben sich angefühlt wie Wochen, und es ist eine Achterbahn der Gefühle und Gedanken. Man hat zunächst keine Routinen, erlebt so viel Neues und weiß nicht, wohin mit den vielen Eindrücken. Oft liegt man abends im Bett und fragt sich: „Warum mache ich das hier eigentlich? Zuhause war doch alles gut?“ Und ich habe gelernt, dass dieser Gedanke das Normalste der Welt ist. So viel Neues, neue Gerüche, eine Sprache, die man nicht wirklich kennt, fremde Menschen, die dich eigentlich gar nicht kennen und auf einmal deine Familie sein sollen. Man vermisst den Alltag, das Gewohnte.
Heimweh - ein Gefühl, das ich bisher nicht kannte und das kann ganz schön beängstigend sein. Um ehrlich zu sein, geht das Gefühl nie richtig weg, aber ich habe gelernt, damit umzugehen. Man muss für sich selbst herausfinden, was einem hilft. Mir persönlich hat es sehr geholfen, darüber zu reden, wie ich mich fühle, mit meiner Gastschwester und meinen Eltern. Diese haben mich unterstützt und aufgebaut und mich an all die schönen Dinge erinnert, weswegen ich es mache. Wenn man darüber nachdenkt, kann man das Gefühl sogar schätzen lernen, so wie ich es tue. Wie schön ist es, dass wir Zuhause etwas haben, was wir so gerne hier hätten? Man wächst so unglaublich, schon in den ersten Wochen, und lernt, eigenständiger zu werden. Es kostet so viel Mut, hierher zu kommen, und noch viel mehr, hier zu bleiben. Aber wer es schafft, der wird so viele tolle Erinnerungen und Erfahrungen fürs Leben sammeln und so viel lernen. Ich würde sagen, dieses emotionale Durcheinander war mein bisheriges „Downlight“, aber auch gleichzeitig eine Phase des Lernens.
Ein Auslandsjahr bringt neue Erfahrungen und neue Freunde. © privat
Teamspirit
Die letzten Monate habe ich so viele tolle Menschen kennengelernt, die total an der deutschen Kultur interessiert sind und einen dafür bewundern, diesen großen Schritt zu wagen, für lange Zeit 8.000 Kilometer von seinem Zuhause entfernt zu sein. In meiner Schule habe ich in den ersten drei Monaten Volleyball gespielt, was wirklich eine so wundervolle Zeit war. Ich kann es nur jedem empfehlen, einem Schulsport beizutreten. Es ist zwar sehr viel, weil ich zum Beispiel jeden Tag in der Woche Training hatte oder ein Spiel, aber man lernt, wie wichtig „Teamspirit“ ist. Die ganze Schule hält zusammen. Das habe ich nicht nur bei meinen Volleyballspielen gemerkt, wo man dazu aufgefordert wurde, seine Teamkameraden anzufeuern, sondern auch bei den Footballspielen. Jeder trägt die Farben der Schule, sehr viele Schüler kommen und feuern das ganze Spiel lang die Mannschaft an.
Unterschiede und Klischees
Die Schule ist generell sehr unterschiedlich zu der in Deutschland. Hier kann man Kurse wählen, von denen ich noch nicht einmal wusste, dass sie existieren, wie zum Beispiel Yoga oder Fingernägel machen. Ich habe Yoga gewählt und mir gefällt es überraschend gut! Ich habe außerdem Klassen wie Kochen, Innenarchitektur, Zeichnen und Keramik, die viel Spaß machen. Schule ist hier total entspannt und es ist sehr leicht mitzuhalten. Ich persönlich kenne aus den typisch amerikanischen Filmen die Klischees, dass die Cheerleader mit ihren kurzen Kleidern zur Schule kommen und die Tische in der Mittagspause aufgeteilt sind in Nerds, Footballspieler und Cheerleader. Tatsächlich ist das mit den Cheerleadern kein Klischee; sie tragen an Freitagen, wo wir ein Footballspiel haben, immer ihre Kleider für den „Teamspirit“. Aber das mit den Tischen in der Mittagspause, das ist ein Klischee. Jeder sitzt mit jedem zusammen, die Nerds mit den Footballspielern, wenn sie Freunde sind, und die Cheerleader mit anderen Mädchen.
Wir haben an meiner Schule verschiedene Bälle, wie man sie aus Filmen kennt. Ich bin ein „Sophomore“, also im zweiten High School Jahr, weswegen ich nicht zum Prom gehen kann, aber es gibt andere Veranstaltungen, zu denen ich gehen kann, wie zum Beispiel Homecoming, Fallball und Springfling. Diese Bälle sehen, um ehrlich zu sein, in den Filmen besser aus, als sie es wirklich sind. Ich hatte aber trotzdem total viel Spaß. Viele Jungs basteln den Mädchen auch Schilder, auf denen sie fragen, ob sie mit ihnen zum Tanz gehen wollen, was total süß ist. Ich persönlich hatte diese Erfahrung noch nicht, weil ich eine Freundin gefragt habe, ob sie mit mir kommen möchte.
Für den Prom ist Sofia zu jung – mit Homecoming, Fallball und Springfling ergeben sich aber viele andere Gelegenheiten, mit ihren Freunden tanzen zu gehen. © privat
Hauptsitz der Mormonen
Über den Bundesstaat Utah ist bekannt, dass es viele Mormonen gibt, weswegen ich oft Fragen von meinen Freunden und meiner Familie Zuhause dazu gestellt bekomme. Salt Lake City gilt als das Zentrum der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, was der offizielle Name für diese Glaubensgemeinschaft ist. Für alle, die nicht wissen, was Mormonen sind: Es ist eine religiöse Bewegung, die aus dem Christentum entstanden ist. Eine Sache, die über diese Glaubensgemeinschaft oft bekannt und für Außenstehende etwas komisch ist, ist, dass die Männer früher mehrere Frauen und viele Kinder hatten. Ich war deswegen sehr aufgeregt und interessiert, wie die Mormonen in Wirklichkeit sind. Und ich kann nur sagen, dass sie Menschen sind wie du und ich. Man merkt gar nicht, dass sie Mormonen sind, bis man sie fragt, ob sie sich am Sonntag treffen wollen, und sie sagen, dass es ein Familientag ist.
Raus aus der Komfortzone
Ich lebe in einer großen Stadt und gehe auf eine Schule, wo es 1.500 Schüler gibt. Es gibt jedes Jahr Austauschschüler an meiner Schule, weswegen ich nicht wirklich etwas Besonderes bin. Das führt dazu, dass man selbst auf Mitschüler zugehen muss, um Freunde zu finden. Das ist zugegeben nicht so ein angenehmes Gefühl, jemand Fremdes, in einer Sprache, die man gar nicht richtig kennt, irgendwelche Dinge zu erzählen. Man muss aus seiner Komfortzone herauskommen. Ich persönlich habe in der ersten Woche alle möglichen Menschen in meinen Kursen angesprochen, ihnen Dinge erzählt und Fragen gestellt. Jetzt kann ich sagen, dass die meisten von ihnen Freunde von mir geworden sind, und diese sagen mir jetzt, dass sie es total „süß“ fanden, dass ich so auf sie zugekommen bin und geredet habe.
Ich würde sagen, es kann seine guten und schlechten Seiten haben, in einer großen oder kleinen Stadt zu leben. Es sind einfach total verschiedene Auslandsjahre, die jeder Einzelne erlebt. Weswegen mein größter Tipp ist, nicht zu vergleichen. Oft sieht man auf Instagram oder anderen Apps, wie die anderen nach drei Tagen Freunde und eine tolle Zeit haben, während man selbst Zuhause ist und noch dabei ist, seinen Koffer auszupacken. Und das ist völlig normal. Jeder erlebt etwas total anderes, und das macht alles nochmal aufregender. Keiner erlebt das Gleiche wie du.