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Fachkräftemangel Debatte über die richtige Strategie

Anton Nikolaus Neidhardt

In der Pflege, im Handwerk, in den Kitas: Es herrscht Fachkräftemangel in Deutschland. Die Bundesregierung hat nun eine Fachkräftestrategie vorgelegt. Die Fraktionen diskutierten darüber im Plenum.

Junge Bäckerin steht am Tisch und knetet Teig

In einigen Bereichen ist der Fachkräftemangel ganz besonders dramatisch. Dazu gehören auch Handwerksberufe wie das Bäckerhandwerk. © Shutterstock/Studio Romantic

Es herrscht Fachkräftemangel in Deutschland: In 148 Berufsgattungen fehlen aktuell Beschäftigte. Das stellt die Bundesregierung in ihrer Fachkräftestrategie fest. Beispielsweise in der Pflege, im IT-Bereich oder im Handwerk werden gut ausgebildete Fachleute gesucht. Prognosen zufolge werden bis 2026 vermutlich über 240.000 Arbeitsplätze neu zu besetzen sein, während gleichzeitig die Erwerbslosigkeit sinken wird.

Die Bundesregierung schreibt aber auch: Die starke Ausweitung der Erwerbstätigkeit habe in den vergangenen zehn Jahren dazu beigetragen, den Fachkräftebedarf in Deutschland zu decken. Im Zeitraum von 2010 bis 2020 stieg die Erwerbstätigenquote von 74 auf rund 78 Prozent, unter den Frauen sogar von rund 69 auf 75 Prozent. Damit sich dieser Trend fortsetzen könne, müssten weiterhin die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Denn durch den Strukturwandel würden in einigen Branchen Arbeitsplätze abgebaut, in anderen zunehmend Fachkräfte gesucht. Und der demografischen Wandel führe dazu, dass Arbeitskräfte aus dem Inland weniger würden.

Drei große Herausforderungen

Um den Problemen des deutschen Arbeitsmarktes zu begegnen, hat die Bundesregierung nun eine Fachkräftestrategie vorgelegt. Damit sollen die drei großen Herausforderungen der deutschen Wirtschaft bewältigt werden: Demografie, Digitalisierung, Dekarbonisierung. Auch akute Schwierigkeiten wie die Covid-19 Pandemie oder der russische Krieg gegen die Ukraine wirken sich auf den Arbeitsmarkt aus und werden in der Strategie berücksichtig.

Wichtigste Handlungsfelder

Als wichtige Handlungsfelder der Fachkräftestrategie nennt die Regierung unter anderem zeitgemäße Ausbildungskonzepte, gezielte Weiterbildung, eine Verbesserung der Arbeitsqualität und eine moderne Einwanderungspolitik.

So sollen Ausbildungen in Bereichen wie Pflege, Erziehung und Handwerk attraktiver gestaltet werden. Zum Beispiel soll die Ausbildung zur Erzieherin oder zum Erzieher vergütet werden. Das ist bisher nicht überall der Fall. Eine sogenannte Ausbildungsgarantie soll dafür sorgen, dass allen Jugendlichen ein Zugang zu einer Berufsausbildung ermöglicht wird.

Einwanderung erleichtern, Studierende halten

Um Einwanderung von Fachkräften zu erleichtern, sollen die Hürden für ausländische Fachkräfte gesenkt werden. So soll es zum Beispiel einfacher für Eingewanderte werden, Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten wahrzunehmen. Dazu soll die Anerkennung von Berufs- und Bildungsabschlüssen aus anderen Ländern vereinfacht werden. Die Bundesregierung kündigt auch an, eine Einbürgerung früher möglich zu machen und eine Mehrfachstaatsangehörigkeit zu erlauben.

Man möchte sich auch bemühen, internationale Studierende in Deutschland zu halten und sie beim Berufseinstieg zu unterstützen, beispielsweise durch entsprechende Beratungsangebote. Derzeit gibt es an den Hochschulen in Deutschland 325.000 Studierende aus anderen Ländern.

Antrag der AfD

Die AfD stellte als Reaktion auf die Fachkräftestrategie einen Antrag mit dem Titel „Technisierung statt Zuwanderung – Für einen Arbeitsmarkt der Zukunft“. In diesem heißt es, dass Migranten die Fachkräftelücke nicht schließen könnten. Die Arbeitsmarktpolitik müsse stattdessen komplett neu aufgestellt werden. Man müsse beispielsweise die Geburtenbilanz durch eine aktivierende Familienpolitik ausgleichen, fordert die AfD-Fraktion. Der Antrag wurde zur Beratung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen.

In einer knapp 70-minütigen Debatte sprachen die Abgeordneten im Plenum über die Vorlagen.

SPD: „Inländische Potenziale nutzen“

„Das Wichtigste ist, dass wir alle inländischen Potenziale nutzen“, erklärte Bundesarbeits- und sozialminister Hubertus Heil (SPD) zu Beginn der Debatte. Weiter betonte er, dass an mehr Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten und an der Frauenerwerbstätigkeit gearbeitet werden müsse. Das Thema „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ sei ein zentraler Punkt für die Fachkräftesicherung. Aber auch wenn man alle inländischen Register ziehe, brauche man trotzdem qualifizierte Zuwanderung, um die Volkswirtschaft am Laufen zu halten, so Heil.

Hakan Demir von der SPD-Fraktion betonte ebenfalls, dass es ohne Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland nicht gehe. Hier müsse es in Zukunft unbürokratischer zugehen. Denn selbst wenn alle deutschen Schülerinnen und Schüler ihren Abschluss absolvierten und sämtliche Erwerbslosen des Landes Arbeit bekämen, würden bis 2037 noch immer sieben Millionen Menschen auf dem hiesigen Arbeitsmarkt fehlen, so Demir.

CDU: Strategie ist Durcheinander an Maßnahmen

Von einer Fach- und Arbeitskräftekrise, die die Wirtschaft und Gesellschaft lähme, sprach Marc Biadacz von der CDU/CDU-Fraktion. Er kritisierte die Strategie der Bundesregierung. Diese sei ein Durcheinander aus nicht abgestimmten Vorhaben. Unnötige Bürokratie, fehlende Digitalisierung und lange Wartezeiten bei Visa-Vergaben machten den deutschen Arbeitsmarkt unattraktiv. Und die Bundesregierung schaffe weitere komplizierte Verfahrensvorschriften, statt diese Probleme anzugehen, so Biadacz.

Deshalb fordere die Union eine Erleichterung der Zuwanderung durch eine zentrale Einwanderungsbehörde. So solle den Fachkräften der Weg in den deutschen Arbeitsmarkt erleichtert werden.

Grüne: „Alle Hebel in Bewegung setzen“

Michael Kellner betonte, dass in den nächsten Jahren alle Hebel in Bewegung gesetzt werden sollten, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Er wolle drei Handlungsfelder hervorheben: die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Stärkung von Aus- und Weiterbildung und Einwanderung.

Außerdem merkte Kellner kritisch an, dass es eine Menge ausländische Fachkräfte gebe, die Deutschland wieder verließen, weil sie angefeindet oder diskriminiert würden. Man wolle aber Anstrengungen verstärken, interessierte Fachkräfte zu gewinnen. Alle, die sich überlegen, in Deutschland zu arbeiten, seien herzlich willkommen, so Kellner.

FDP: „Sind gezwungen, ein Einwanderungsland zu sein“

Fachkräftepolitik sei wie eine Maschine, sagte Lukas Köhler von der FDP-Fraktion, es gebe viele Schrauben und man müsse an allen drehen, um das Problem zu bewältigen. So müsse man auf der einen Seite daran arbeiten, mehr Frauen in die Berufe zu bringen und auf Weiterbildung setzen. Auf der anderen Seite sei man gezwungen, ein Einwanderungsland zu sein.

Wer Zuwanderung ablehne, müsse den Wählern erklären, dass man stattdessen an der Rente und dem Renteneintrittsalter etwas verändern müsse. Zur Erklärung: Wenn nicht genug junge Leute in die Rentenkasse einzahlten, müssen die älteren Menschen länger arbeiten und bekommen möglicherweise kleinere Renten.

Man müsse aber auch darüber sprechen, wie dafür gesorgt werden könne, dass die Zugewanderten anständig integriert und illegal Zugewanderten zurückgeführt werden könnten, so Köhler.

AfD: Fachkräftestrategie beerdigen

Der AfD-Abgeordnete René Springer sagte, man befinde sich in einer demografischen, sozialen und wirtschaftlichen Krise. 25.000 „Landsleute“ hätten im Jahr 2021 Deutschland verlassen. Er kritisierte, dass die Bundesregierung diese „Flucht der Einheimischen“ nicht erwähne. Stattdessen wolle die Bundesregierung mehr Fremde ansiedeln, so Springer. Dabei müsse das Motto einer vernunftbasierten Arbeitsmarktpolitik „Maschinen statt Migration“ sein. Abschließend forderte er die Bundesregierung auf, ihre Fachkräftestrategie zu „beerdigen”.

Linke: „Fachkräftemangel ist hausgemacht“

Jahrelang habe die Devise gegolten, dass Arbeit so billig wie möglich sein müsse, sagte Susanne Ferschl von der Linksfraktion. Alle Parteien hätten den Niedriglohnbreich ausgeweitet, das Ergebnis sei ein größtenteils hausgemachter Fachkräftemangel. Notwendig sei nun eine Fachkräftestrategie, die zwei Dinge im Blick habe: ausreichend qualifizierte Arbeitskräfte und gute Lebens- und Arbeitsbedingungen – und damit einhergehend eine Perspektive für alle Menschen in diesem Land, egal woher sie kämen.

Die komplette Bundestagsdebatte seht ihr hier im Video, das Protokoll findet ihr wie immer auf bundestag.de.

Portrait des Autoren
mitmischen-Autor

Anton Nikolaus Neidhardt

wurde 2002 geboren und lebt in Dresden, wo er 2021 sein Abi machte. Danach leistete er einen Freiwilligendienst in Uganda. In seiner Freizeit produziert er Musik und geht gerne klettern, vor allem in der Sächsischen Schweiz.

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