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Nationales Begleitgremium Wohin soll der Atommüll?

Eric Matt

Bis zum Jahresende 2022 sollen alle Atomkraftwerke in Deutschland abgestellt sein. Ein Problem bleibt: Wohin mit dem radioaktiven Abfall? Mit der Endlagersuche beschäftigt sich ein Gremium, das kürzlich im Bundestag vorschlug, was getan werden müsse.

Zwei gelbe Fässer mit dem Symbol für radioaktiv

Im Wald kann er sicher nicht bleiben, der Atommüll. Hier stehen symbolisch unechte Fässer in der Nähe des Zwischenlagers Gorleben. © picture alliance/dpa | Philipp Schulze

Die Straßen sind leergefegt, in den Häusern lebt keine Menschenseele mehr, vieles liegt da, wie es die Anwohner vor rund zehn Jahren verlassen haben. Es scheint, als stünde die Zeit still. Worum es geht? Um die noch immer rund 30 Kilometer große Sperrzone im japanischen Fukushima, in dem es 2011 zum atomaren Reaktorunfall kam. Die deutsche Bundesregierung entschied kurz darauf, bis Ende des Jahres 2022 aus der Atomenergie auszusteigen. Doch eine Frage bleibt nach wie vor ungelöst: Wohin mit dem Atommüll?

Wie finden Politik und Wissenschaft ein passendes Endlager? Und wie kann die Bevölkerung an der Suche beteiligt werden? Mit diesen Fragen setzt sich das sogenannte Nationale Begleitgremium (NBG) auseinander. Kurz vor der Parlamentarischen Sommerpause stellte das NBG dem Umweltausschuss des Bundestages seine Empfehlungen zur Endlagersuche vor.

Was ist das Nationale Begleitgremium NBG?

Atomkraft gab es in Deutschland für mehrere Jahrzehnte. In dieser Zeit ist sehr viel Müll angefallen. Insgesamt zehntausende Kubikmeter radioaktiver Müll müssen für viele hunderttausend, wenn nicht gar Millionen, Jahre sicher verwahrt werden. Denn so lange wird es dauern, bis die Radioaktivität der strahlenden Reststoffe derart abgenommen hat, dass sie nicht mehr gefährlich ist.

Das NBG gibt es seit 2016. Es besteht aus insgesamt 18 Mitgliedern, die durch Bundestag, Bundesrat und Bundesumweltministerium bestimmt werden. Zwölf Mitglieder des Gremiums sind Personen des öffentlichen Lebens – also beispielsweise anerkannte Wissenschaftler und Expertinnen. Die übrigen sechs Mitglieder sind ganz „normale“ Bürgerinnen und Bürger. Das Besondere ist, dass im Gremium auch zwei Mitglieder der jungen Generation vertreten sein müssen, damit auch diese sich genug Gehör verschaffen können.

Ziel des Nationalen Begleitgremiums ist es, für radioaktive Abfälle ein sogenanntes Endlager zu finden. Ein Endlager ist ein Platz, an dem der Atommüll dauerhaft sicher gelagert werden kann. Den Prozess wolle das Gremium „vermittelnd, kritisch und unabhängig begleiten“.

Was empfehlen die einzelnen Mitglieder des Nationalen Begleitgremiums zur Endlagersuche und wie denken sie über die bisherige Arbeit des Gremiums?

Mehr Bürgerbeteiligung, bitte!

„Unser erster Punkt ist, dass wir an Bundestag und Bundesumweltministerium appellieren, eine kontinuierliche und substanzielle Öffentlichkeitsbeteiligung festzulegen“, forderte Dr. Markus Dröge, ehemaliger Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Die Bürgerinnen und Bürger, die sich bisher beteiligt hätten, würden dies „sehr klar“ fordern.

Die Politik und das Nationale Begleitgremium müssten „gemeinsam im Dialog mit der Zivilgesellschaft“ die weiteren Schritte auf dem Weg zur Endlagersuche erarbeiten. Dröge forderte, eine solche Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger auch gesetzlich zu verankern.

Es braucht mehr geologische Daten

Prof. Dr. Maria-Theresia Schafmeister, die an der Universität Greifswald Angewandte Geologie lehrt, erklärte, dass die relevanten geologischen Daten „zügig und vollständig einsehbar gemacht werden“ müssten. Geologische Daten sind beispielsweise die Bodenbeschaffenheit, das Vorkommen von Rohstoffen oder auch die Energie- und Trinkwasserversorgung. Bei der Endlagersuche werden solche Daten benötigt, um den optimalen Ort für den Atommüll ausfindig zu machen.

Bisher jedoch seien bis zu 39 Prozent der benötigten Daten noch immer nicht öffentlich einsehbar. Dies aber sei „nötig, um das Vertrauen der Öffentlichkeit in das Suchverfahren zu erreichen“. Daher sei auch eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen den jeweiligen staatlichen Institutionen erforderlich. „Es sollte ein Weg gefunden werden, wie die geologische Expertise noch besser in den Suchprozess eingebunden werden kann“, so Schafmeister.

„Reinen Wein einschenken“

Klaus Brunsmeier vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sprach über das Thema Strahlenschutz und Sicherheit. In der Zukunft kämen „wirklich neue Herausforderungen auf uns zu, auf die wir einen wachen Blick lenken sollten“. So gebe es bei der Suche nach einem Endlager „eine Reihe von Ungewissheiten und Unsicherheiten“, weshalb man diese frühzeitig beobachten müsse.

Bürgerinnen und Bürgern, in deren Nähe ein Endlager entstehen könnte, müsse man „reinen Wein einschenken, was sie auf sie zukommt“.

Die Jungen mehr einbinden

„Die jetzt jungen Menschen werden später die Verantwortung für die hochradioaktiven Abfallstoffe übernehmen müssen“, erklärte Jorina Suckow, die als Bürgerin und Vertreterin der jungen Generation Mitglied des NBG ist. Durch die zukünftige Gefahr liege „die Notwendigkeit einer effektiven Beteiligung junger Menschen auf der Hand“.

Es gebe bisher zwar Versuche, eine Beteiligung junger Bürgerinnen und Bürger zu ermöglichen. Jedoch erfolgten die bisherigen Ansätze nur punktuell und seien nicht besonders wirksam gewesen. „Notwendig sind nicht nur einzelne Veranstaltungen, sondern eine langfristige Strategie“, so Suckow.

Hierfür benötige es zielgruppenorientierte Beteiligungsformate, die beispielsweise das Alter, den Wohnort oder auch das Bildungsniveau berücksichtigen würden. Bei der Endlagersuche sei ein „generationsübergreifender Konsens“ nötig.

„Gute Kooperation“

„Wir wollen das deutsche Standortauswahlverfahren einem internationalen Peer-Review unterziehen“, gab Prof. Dr. Armin Grunwald als Ausblick auf zukünftige Vorhaben bekannt. Grundwald ist Leiter des Büros für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag und Co-Vorsitzender des NBG. Bei einem Peer-Review-Verfahren bewerten unabhängige Experten und Expertinnen das bisherige Vorhaben objektiv.

Grunwald erklärte außerdem, dass das NBG auch zukünftig auf die Unterstützung von Bundestag und Bundesrat angewiesen sei, weshalb er hoffe, dass „auch mit dem neuen Bundestag eine gute Kooperation geschieht“.

Alle Empfehlungen der Experten für das weitere Verfahren finden sich gebündelt auf der NBG-Website.

Gremium hat sich bewährt

Das NBG schreibt zurzeit an einem neuen Bericht über seine Tätigkeiten, der im November veröffentlicht werden soll. Bereits 2019 hatte das Gremium einen Tätigkeitsbericht vorgelegt, dieser umfasste insgesamt knapp 80 Seiten. Die Bilanz, die das Gremium damals zog, sei „durchwachsen“. So erklärten die Autoren: „Wir sind mit wichtigen Forderungen und Anliegen nicht so durchgedrungen, wie wir uns das gewünscht haben.“ Positiv jedoch sei, dass sich das Gremium bewährt habe und man den Bürgerinnen und Bürgern sowie der kritischen Öffentlichkeit Gehör verschafft habe.

Das NBG schrieb vor knapp zwei Jahren, dass „die befristeten Genehmigungen für die Zwischenlager für hoch radioaktive Abfälle in den Jahren 2034 bis 2047“ auslaufen würden. Bis dahin werde es aber wohl noch kein passendes Endlager geben, weshalb es nötig sei, frühzeitig und unter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger ein Konzept für die Zwischenlager zu erarbeiten.

Die komplette Anhörung könnt ihr euch wie immer auf bundestag.de und im Video anschauen.

Zur Person

Portraitfoto von mitmischen-Autor Eric Matt
Mitmischen-Autor

Eric Matt

... ist 22 Jahre alt und studiert an der Universität Konstanz Politik- und Verwaltungswissenschaften. Zurzeit macht er ein Auslandssemester in Israel.

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