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Widerspruchslösung „Niemand wird gezwungen“

Eric Matt

Wer nicht ausdrücklich widerspricht, wird automatisch zum Organspender – die Widerspruchslösung soll für mehr Spenderorgane sorgen. Jan Metzler (CDU/CSU) unterstützt den Gesetzentwurf.

Portrait Jan Metzler

„Ich denke, dass eine Mehrheit der Menschen diese Debatte positiv sieht.“ Jan Metzler zum Thema Organspende. © Jan Metzler / Foto: Tobias Koch

Haben Sie selbst einen Organspende-Ausweis?

Ich bin genau das typische Beispiel: Noch nicht, aber nachdem ich mich aufgrund der Auseinandersetzung mit dem Thema inhaltlich intensiv damit befasst habe, werde ich mir einen ausstellen lassen.

Sie setzen sich fraktionsübergreifend mit vielen anderen Abgeordneten für die sogenannte doppelte Widerspruchslösung ein. Wie würde die genau aussehen?

Im Prinzip geht es darum, dass sich alle Menschen mit diesem Thema beschäftigen sollen. Grundsätzlich ist nämlich die Bereitschaft zur Organspende in Deutschland sehr hoch – die Organspender sind aber zahlenmäßig nach wie vor auf einem sehr niedrigen Niveau. Mit der doppelten Widerspruchslösung soll sich dies ändern: Jeder, der zu Lebzeiten nicht widerspricht, ist dann grundsätzlich zunächst Organspender. Aber niemand ist dazu gezwungen. Jeder kann nach wie vor seinen Willen erklären, dass er im Falle des Todes keine Organe spenden möchte. Um dies zu gewährleisten, wird ein zentrales Register eingerichtet. Außerdem werden im Fall der Fälle die Angehörigen ebenfalls nochmal gefragt, ob Ihnen ein Widerspruch bekannt ist.

Warum befürworten Sie persönlich die Widerspruchs- und nicht die Zustimmungslösung?

Weil die Zustimmungslösung bei allen Infos und Aufklärungskampagnen in vielen Jahren nicht den erwünschten Erfolg gebracht hat. Wir haben, wie gesagt, eine große Spenderbereitschaft, aber keine große Anzahl registrierter Spender. Um es auf den Punkt zu bringen: Derzeit sterben Menschen, die auf ein passendes Spenderorgan warten und die eigentlich nicht sterben müssten. Ich glaube, dass wir dies mit der neuen Regelung ändern können.

Sollte man wirklich in einer so persönlichen Angelegenheit ein Schweigen als Zustimmung werten?

Gegenfrage: Sollte man bei so einer persönlichen Angelegenheit ein Schweigen als Ablehnung werten? Wir wissen, dass die allermeisten Menschen kein Problem mit Organspende haben. Und diejenigen, die nicht spenden möchten, können problemlos und ohne irgendwelche Fragen beantworten zu müssen jederzeit widersprechen.

Dieses Jahr ist eine Studie erschienen, die 35 Länder verglichen hat und zu dem Schluss kam: Die Widerspruchslösung sorgt gar nicht für erheblich mehr Spender als die Zustimmungslösung...

Welche Studie ist das? Wenn man sich zum Beispiel Österreich anschaut, hat die Widerspruchslösung einen regelrechten Kulturwandel in dieser Frage bewirkt. Die Zahl der Widersprüche ist dort marginal.

(Anmerkung der Redaktion: Es geht um eine im Juni 2019 erschienene Studie von kidney international, die 35 europäische Länder verglichen hat.)

Kritiker Ihres Vorschlags denken, er verletzt das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper. Einer von ihnen ist der Vorsitzende des Deutschen Ethikrats. Was erwidern Sie ihm?

Das Selbstbestimmungsrecht wird nicht verletzt. Jeder bleibt völlig frei in seiner Entscheidung, ob er einer Organspende zustimmt oder diese ablehnt. Es geht hier darum, ob wir Menschenleben retten oder eben nicht. Ich finde, im Hinblick auf diese Frage kann von jedem Erwachsenen verlangt werden, sich zumindest einmal im Leben mit dieser Frage auseinanderzusetzen. Wie gesagt: Es wird niemand gezwungen oder genötigt, einer Organspende gegen seinen Willen zuzustimmen.

Besteht nicht die Gefahr, dass durch Ihr Gesetz psychisch kranke Menschen oder Leute, die sich in schweren Lebenssituationen befinden und sich nicht mit so komplexen Themen befassen können, bevormundet oder stigmatisiert werden?

Nein. Bei Menschen, die aus welchen Gründen auch immer nicht in der Lage sind, die Bedeutung und Tragweite einer Organspende zu erkennen, dürfen grundsätzlich keine Organe entnommen werden. Im Prinzip bedeutet die neue Regelung sogar eine Entlastung der Angehörigen, weil diese im Falle des Todes bisher diese Entscheidung treffen mussten.

Wie schätzen Sie die Lage im Bundestag, aber auch bei den Wählern ein: Ist Ihr Vorschlag mehrheitsfähig?

Ich denke, dass eine Mehrheit der Menschen diese Debatte positiv sieht. Und ich bin überzeugt, dass die Widerspruchslösung nach kürzester Zeit das normalste der Welt sein wird und es in der öffentlichen Diskussion keine Rolle mehr spielt.

Über Jan Metzler

Jan Metzler (CDU/CSU), 38, ist seit 2013 Abgeordneter im Deutschen Bundestag. Es sitzt in der Enquete-Kommission „Künstliche Intelligenz“ und ist Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Energie sowie im Unterausschuss Regionale Wirtschaftspolitik und ERP-Wirtschaftspläne. Mehr erfahrt ihr auf seinem Profil auf bundestag.de.

Zur Person

Portraitfoto von mitmischen-Autor Eric Matt
Mitmischen-Autor

Eric Matt

... ist 22 Jahre alt und studiert an der Universität Konstanz Politik- und Verwaltungswissenschaften. Zurzeit macht er ein Auslandssemester in Israel.

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