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Regisseurin Mo Asumag „Wir brauchen eine gemeinsame Stimme“

Die Regisseurin Mo Asumang hat selbst Herabwürdigung ihrer Arbeit erfahren. Sie war sogar kurz davor, die Filmarbeit hinzuschmeißen. Heute sagt sie: Gerechtigkeit könne nur mit den männlichen Kollegen durchgesetzt werden.

Porträt von Mo Asumang

Es sei wichtig, die relevanten Themen aus allen Perspektiven zu erzählen, sagt Regisseurin Mo Asumang. Dazu gehöre unbedingt auch die weibliche Sicht. © Gisela Schmalz

Der Begriff Gender Pay Gap bezeichnet die Tatsache, dass Frauen häufig weniger verdienen als Männer in denselben Berufen. Ist das ein besonders großes Problem im Kultursektor?

Als Regisseurin traue ich mich fast nicht es auszusprechen, weil es so unendlich peinlich ist für unsere Branche: Der Gender Pay Gap liegt in der Filmbranche bei 35 Prozent, bei den Kameraleuten sogar bei 58 Prozent. Die Budgets für Blockbuster, also für die Produktion von besonders teuren und erfolgreichen Filmen, gehen zu 0 Prozent an Produzentinnen. Das heißt, diese Filme werden in Deutschland immer von Männern produziert.

Kurz gesagt: Damit alle in meiner Branche in einer gleichberechtigten Filmfamilie zusammenwachsen können, braucht es an den Stellschauben mehr Willen und Courage.

Gibt es neben der Bezahlung noch andere Bereiche, in denen Frauen in Kunst und Kultur Nachteile erleben?

Ja, Schauspielerinnen verschwinden ab dem 34 Lebensjahr mehr oder weniger von der Leinwand, das hat eine Studie der MaLisa-Stiftung gezeigt. Regisseurinnen sind ab 49 Jahren nur noch zu knapp 15 Prozent im Beruf vertreten. Dabei ist der Beruf der Filmemacherinnen und Filmemacher für die Gesellschaft so wichtig. Denn Filme helfen, sich mit der Welt und einem selbst auseinanderzusetzen. Eigene Gefühle und Probleme können durch Filme gesehen und erlebt werden und so ist es leichter, darüber zu sprechen – und vielleicht etwas zu verändern.

Mit meinem Dokumentarfilm „Die Arier“ oder meiner 3sat-Folge „Mo Asumang und die Krise der Männer“ habe ich eine weibliche Sicht auf Themen wie Rassismus und Misogynie, also Frauenfeindlichkeit, gezeigt. Es ist wichtig, dass die relevanten Themen unserer Zeit aus allen Perspektiven – also unbedingt auch aus der weiblichen Perspektive – erzählt werden. Nur so wird auch das Publikum gleichberechtigt angesprochen.

Haben Sie persönliche Erfahrungen mit Ungerechtigkeiten zwischen Männern und Frauen gemacht?

Leider ja. Ich habe über Monate hinweg Herabwürdigungen meiner Leistungen als Produzentin und Regisseurin erfahren, schließlich sei ich ja vor nicht alt zu langer Zeit „nur eine kleine Taxifahrerin“ gewesen. Manchmal wusste ich allerdings nicht, ob es Diskriminierung mir als Frau gegenüber ist oder wegen meiner Hautfarbe. Das hat mir meine Arbeit extrem erschwert und fast dazu geführt, dass ich die Filmarbeit hingeschmissen hätte. Aber über diesen Fall und die Geschehnisse darf ich nicht sprechen, weil ich sonst Sorge haben muss, verklagt zu werde.

Ich denke, dass wir uns trotz alledem weniger auf das Negative konzentrieren sollten. Wichtiger ist es, Bünde von Frauen und Männern zu knüpfen, um gemeinsam gegen Ungerechtigkeiten in der Filmbranche vorzugehen. Und wir sollten das Thema Gender Pay Gap auch mit anderen Bereichen wie Homophobie, Rassismus, Antisemitismus verbinden. Denn bei diesen Formen der Diskriminierung geht es immer um Abwertung und Unfairness. Weiträumig Verbündete zu finden macht uns alle stark.

Was können Ihre Kollegen und Kolleginnen tun, um für gerechtere Verhältnisse im Kulturbereich zu sorgen?

Wir brauchen eine gemeinsame Stimme. Hier geht es um Gerechtigkeit. Die können wir nur mit den männlichen Kollegen durchsetzen. Und dahin kommen wir nur durch den Dialog. Ich glaube viele Männer wissen gar nicht, was wir Frauen in der Filmbranche alles erleben.

Viele Frauen schämen sich darüber zu sprechen, was ihnen passiert. Deshalb sollten wir Räume schaffen, in denen wir offen erzählen können. Das kann auch öffentlich gefördert werden.

Ich würde mir zudem wünschen, dass Kollegen hinschauen, auch unaufgefordert Fragen stellen und sich dafür interessieren, was die Kolleginnen in der Branche mitmachen. Am Ende wird uns Empathie – ein Gefühl von „Ich kenne jetzt Deine Geschichte“ – einen neuen und vor allem gerechteren Weg weisen.

Das heißt aber nicht, dass wir nicht auch auf Quoten zurückgreifen sollten, um mehr Gerechtigkeit zu erzielen. Eine gendergerechte Besetzung der Vorstände von Verbänden wie der Deutschen Filmakademie, der Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm oder der Initiative ProQuote Film sind ein guter Start. Ich freue mich über die Sichtbarkeit von Gleichstellung, die dadurch entsteht.

Was wünschen Sie sich von der Politik, damit sich gerechtere Strukturen in den Berufen im Kultursektor etablieren lassen?

Ich wünsche mir, dass uns Politikerinnen und Politiker die Gleichstellung in Berufen der Filmbranche durch Gesetze vorbereiten. Das allein wird aber nicht reichen.

Eine wichtige Ebene in unserer Branche ist die Vergabe von Fördergeldern: Hier wird entschieden, wer welche Filme überhaupt machen darf. Diese Entscheidungen treffen Jurys und es ist wichtig, dass gleichberechtigt Frauen und auch Menschen mit Migrationsgeschichte in den Jurys vertreten sind. Besonders am Herzen liegt mir, dass strukturelle Diskriminierung von Frauen bekämpft wird, indem es vermehrt eine gezielte Förderung von Autorinnen, Regisseurinnen und vor allem der Newcomerinnen gibt.

Vielleicht muss die Politik begreifen, dass Filmarbeit Gesellschaftsarbeit ist. Der Austausch über Filme, der zu Hause, in den Kinos, in den Klassenzimmern und den Büros stattfindet, ist ein wertvolles Instrument und Ventil für unsere mentale Gesundheit.

Zur Person

Mo Asumang

Mo Asumang ist 1963 in Kassel geboren. Nach der Schule studierte sie Visuelle Kommunikation im Kassel, später Klassischen Gesang in Berlin. Sie begann zunächst als Sprecherin, Moderatorin und Schauspielerin zu arbeiten. 2004 gründete sie eine Filmproduktionsfirma und begann Dokumentarfilme zu produzieren und Regie zu führen. Oft geht es in ihren Filmen um Themen wie Rassismus, Diskriminierung und Mo’s Dialog mit Andersdenkenden.

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