Zum Inhalt springen

Wehrbeauftragte Eva Högl „Die Bundeswehr kann uns verteidigen“

Sie empfiehlt eine Ausbildung bei der Bundeswehr und erklärt, warum sie Abschreckung wichtig findet und Aufrüstung in der aktuellen Situation der richtige Weg sei – die Wehrbeauftragte Eva Högl (SPD) im mitmischen-Interview.

„Wir alle wünschen uns eine Welt ohne Waffen, ohne Armeen und ohne Krieg“, sagt die Wehrbeauftragte Eva Högl (SPD) im Interview. Frieden gebe es jedoch nicht ohne verteidigungsbereites Militär. © Bundeswehr/Tom Twardy

Viele Jugendliche haben Angst vor einem Krieg in ganz Europa. Kann die Bundeswehr uns verteidigen?

Zunächst hoffen wir natürlich erstens, dass dieser entsetzliche Krieg in der Ukraine bald ein Ende findet und wir wieder den Frieden in den Blick nehmen können. Zweitens hoffen wir, dass der Krieg sich nicht ausweitet, weder auf weitere osteuropäische Länder noch auf Staaten, die zur Europäischen Union oder zum Verteidigungsbündnis Nato gehören. Denn das wäre wirklich dramatisch.

Um die Frage konkret zu beantworten: Ja, die Bundeswehr kann uns verteidigen. Das ist ihre Aufgabe und der kann sie auch nachkommen. Das macht sie natürlich nicht alleine, sondern gemeinsam mit den anderen EU-Staaten und mit den Ländern, die ebenfalls Teil des Verteidigungsbündnisses Nato sind. Denn die Nato hat sich ja zum Ziel gesetzt, ihre Mitgliedsstaaten gemeinsam zu verteidigen und darüber hinaus zur weltweiten Sicherheit beizutragen. Alle Maßnahmen werden deshalb eng abgestimmt mit unseren Partnern. Aber die Bundeswehr verteidigt unseren Frieden und sorgt für unsere Freiheit und unsere Sicherheit.

Oft hört man, dass die Bundeswehr in keinem guten Zustand sei. Nun soll sie 100 Milliarden Euro bekommen. Was passiert mit dem Geld?

Das ist Geld, das gut investiert wird in Frieden, Freiheit und Sicherheit und das die Bundeswehr dringend braucht, um zu einer modernen Armee zu werden, die tatsächlich gut verteidigen kann. Diese 100 Milliarden Euro werden investiert in Material, Ausstattung und Ausrüstung. Das beginnt bei der Ausstattung von Soldatinnen und Soldaten zum Beispiel mit Schutzwesten, Gefechtshelmen, Gehörschutz, Kälte- und Nässeschutz, geht weiter mit Nachtsicht- und Funkgeräten, bis hin zu ganz großem Gerät: Schiffe, Panzer, Flugzeuge. Dieses Geld wird schrittweise ausgegeben, damit die Bundeswehr wieder vollständig einsatzbereit ist.

100 Milliarden Euro klingt nach sehr viel Geld. Aber das sind natürlich auch große Ausgaben. Wird das Geld reichen?

Diese Summe ist ja nicht aus der Luft gegriffen, sondern es wurde eine Bestandsaufnahme gemacht: Was braucht die Bundeswehr? Daraus ergab sich der Betrag und er wird erst mal reichen. Zusätzlich soll es ja mehr als 50 Milliarden Euro für die Bundeswehr geben dieses Jahr, und zwar über den sogenannten Verteidigungsetat, der für jedes Jahr aufgestellt wird. Dieser ist Teil des Haushaltsplans für 2022, den der Deutsche Bundestag hoffentlich beschließen wird. Und daraus werden weitere Dinge finanziert, die die Bundeswehr braucht, zum Beispiel das Personal, die Infrastruktur, die Kasernen.

Insgesamt hat die Bundeswehr jetzt also wirklich viel Geld zur Verfügung. Das allein reicht aber noch nicht aus. Als Wehrbeauftragte mahne ich deshalb immer an, dass die Prozesse beschleunigt werden und die Bürokratie uns nicht daran hindert, modern, schlagkräftig und einsatzbereit zu sein.

Sie besuchen regelmäßig Soldaten und jeder kann Ihnen auch schreiben, wie ist die Stimmung in der Truppe?

Die Stimmung ist sehr angespannt vor dem Hintergrund des fürchterlichen Krieges in der Ukraine. Für Soldatinnen und Soldaten hat das noch mal eine ganz andere Bedeutung, denn sie fragen sich, welche ganz konkreten Auswirkungen das für sie persönlich hat, ob sie vielleicht in Nachbarstaaten verlegt werden, aber auch, welche Veränderungen der Bundeswehr insgesamt bevorstehen. Die Soldatinnen und Soldaten sind wie wir alle besorgt, aber auch noch mal ganz anders gefordert, weil die Bündnis- und Landesverteidigung sehr konkret wird und es unter Umständen sehr schnell gehen muss.

Überall in Europa ist nun von Aufrüstung die Rede. Hilft das, den Frieden in Deutschland zu sichern?

Ich sehe das definitiv als den richtigen Weg an. Natürlich wünschen wir uns alle eine Welt ohne Waffen, ohne Armeen und ohne Krieg. Das ist zumindest meine Wunschvorstellung und war auch mal meine Motivation, als ich als Jugendliche anfing, mich politisch zu engagieren. Aber diesen Frieden gibt es nicht ohne ein gut ausgestattetes, verteidigungsbereites Militär. Putin greift derzeit unsere Werte an, unsere Freiheit und unsere Sicherheit. Und das macht er mit brutaler militärischer Gewalt. Wir müssen in der Lage sein, dieser militärischen Gewalt etwas entgegenzusetzen. Entweder ganz konkret im Gefecht, wie die Ukrainer das jetzt tun, oder durch eine entsprechende Abschreckung, damit andere gar nicht erst auf die Idee kommen. Das ist eine bittere Erkenntnis und wir würden uns das alle anders wünschen. Ja, Abschreckung ist wichtig und eine gut ausgestattete Armee hilft, unseren Frieden zu sichern, und deshalb ist sie dringend nötig.

Vor gut zehn Jahren wurde die Wehrpflicht für junge Männer ausgesetzt. Sollte es wieder eine allgemeine Dienstpflicht geben?

Ich habe es 2011 sehr bedauert, dass die Wehrpflicht ausgesetzt wurde. Ich rate dazu, mehr über soziales Engagement vor allem auch junger Menschen zu reden. Ich weiß, dass sich viele junge Leute engagieren und noch viel mehr Interesse dafür zeigen, ob im sozialen oder kulturellen Bereich, in der Klima- und Umweltbewegung oder eben auch bei der Bundeswehr. Wir müssen jungen Leuten ein gutes Angebot machen. Auch die Bundeswehr kann dazu einen Beitrag leisten. Vor dem Hintergrund unserer Sicherheitslage ist es gut und richtig, darüber nachzudenken, wie wir uns verteidigen können und wie noch mehr Menschen dazu beitragen können.

Heißt das, Sie wären für ein verpflichtendes Jahr, das junge Leute entweder bei der Bundeswehr oder bei einer sozialen Organisation leisten würden?

Je freiwilliger das ist, desto besser. Junge Leute sollen viel selbst entscheiden können. Aber wir als Staat und Gesellschaft müssen Angebote machen. Zum Beispiel sollten wir alle jungen Menschen mal ansprechen und sie fragen, ob sie sich engagieren wollen. Wir wissen, dass es bei den Bundesfreiwilligendiensten mehr Interessenten als Plätze gibt. Das heißt, wir haben auf der Basis der Freiwilligkeit noch ganz viele Möglichkeiten, bevor wir über ein verpflichtendes Jahr für alle reden. Und natürlich richten sich all diese Angebote nicht nur an junge Männer, sondern auch an junge Frauen beziehungsweise an alle Geschlechter.

Würden Sie einer oder einem Jugendlichen raten, eine Ausbildung bei der Bundeswehr zu machen?

Ich rate allen jungen Leuten sehr dazu, sich die Bundeswehr mal genau anzuschauen. Vor dem Hintergrund der Verteidigung unserer Werte und unserer Freiheit kann man sehen, wie notwendig die Bundeswehr ist. Als Ausbilder und Arbeitgeber kann ich die Bundeswehr sehr empfehlen. Hier gibt es eine ganz große Bandbreite an Angeboten, von der Verwaltung über Technik bis hin zu hochmoderner IT – und zwar sowohl im zivilen als auch im militärischen Bereich.

Ich kann jungen Leuten den Beruf Soldatin/Soldat nur empfehlen, auch wenn das eine herausfordernde Aufgabe ist. Unsere Bundeswehr ist wirklich prima. Die 184.000 Soldatinnen und Soldaten leisten täglich Großartiges, dafür können wir sehr dankbar sein – und die können junge Leute gut gebrauchen.

Zur Person

Eva Högl wurde 1969 in Osnabrück geboren. Sie studierte Rechtswissenschaften und promovierte zum Europäischen Arbeits- und Sozialrecht. Seit dem 25. Mai 2020 ist sie Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages. Seit 2009 ist sie Mitglied des Deutschen Bundestages, von 2013 bis 2020 war sie stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion. Mehr erfahrt ihr auf ihrem Profil auf bundestag.de.

(Julia Karnahl)

Mehr zum Thema