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Ausbildung 68.900 unbesetzte Lehrstellen

Im aktuellen Berufsbildungsbericht ist die Lage am Ausbildungsmarkt beschrieben. Im Bundestag waren sich alle Fraktionen einig darüber, dass die Zahlen besorgniserregend sind.

Ausbilder erklärt drei Auszubildenden eine technische Apparatur

475.100 junge Menschen starteten 2022 in eine Ausbildung. © shutterstock.com/industryviews

Deutlich weniger Ausbildungsverträge als vor Corona

Der Ausbildungsmarkt stagniert weiter auf Krisenniveau. So kann man den Berufsbildungsbericht 2023 zusammenfassen, den die Abgeordneten am 24. Mai erstmals im Plenum debattierten.

2022 gab es mit 475.100 neuen Ausbildungsverträgen zwar einen ganz leichten Anstieg im Vergleich zum Vorjahr. Aber im Vergleich zu 2019, vor der Corona-Pandemie, waren es 2022 fast zehn Prozent weniger neue Ausbildungsverträge.

22.700 Jugendliche ohne Lehrstelle

Von den 544.000 angebotenen Lehrstellen blieben 2022 insgesamt 68.900 unbesetzt. Das sind laut Berufsbildungsbericht neun Prozent mehr als im Vorjahr und fast 30 Prozent mehr als 2019 – ein neuer Höchststand.

Gleichzeitig konnten 22.700 junge Menschen, die an einer Ausbildung interessiert waren, keinen Platz finden. Zum ersten Mal sei der „Anteil unbesetzter Stellen am betrieblichen Angebot“ höher gewesen als der „Anteil noch suchender Bewerberinnen und Bewerber an der Nachfrage“, heißt es im Bericht. Allerdings bestünden über Regionen und Berufe hinweg deutliche Unterschiede.

Der Bericht verweist darauf, dass die demografische Situation sich nicht verbessern werde: Die Zahl junger Menschen, die 2022 die allgemeinbildenden Schulen verlassen habe, sei erneut gesunken – gemäß der Prognosen der Kultusministerkonferenz um 4,7 Prozent im Vergleich zu 2019. Ein Tiefstand der Schulabgängerzahlen sei 2026 zu erwarten.

Parlamentarischer Staatssekretär für Bildung und Forschung: „Wir haben noch viel Arbeit vor uns“

Jens Brandenburg (FDP), Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung, sagte im Bundestag, der Abwärtstrends bei den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen sei „glücklicherweise gestoppt“. Eine „wahre Trendwende“ dadurch aber noch nicht gelungen. „Wir haben noch viel Arbeit vor uns“, räumte Brandenburg ein.

Die Ampel-Koalition sei deshalb dabei, die berufliche Bildung „individuell zu stärken“. So wolle sie unter anderem den Bereich Berufsorientierung voranbringen, eine weitere Reform des Aufstiegs-Bafög umsetzen, das Ausbildungspersonal stärken, die berufliche Bildung internationaler ausgestalten, mehr Azubi-Wohnheime bauen und mit dem Startchancen-Programm die Jugendlichen unterstützen, die die schlechtesten Bildungschancen hätten.

Union: „Wir kommen nicht voran“

Stephan Albani (CDU/CSU) kritisierte die Abwesenheit der Bildungsministerin im Bundestag als „unmöglich”. Dabei bestünden dringende „Handlungsnotwendigkeiten“. „Wir kommen nicht voran“, mahnte Albani.

Die rund 70.000 offenen Stellen bedeuteten „70.000 verpasste Chancen“. Zu den Gegenmaßnahmen meinte Albani: „Eine Ausbildungsgarantie ist sicher eine der dümmsten Lösungen dafür.“ Stattdessen brauche es eine „gezielte Berufsorientierung“ mit „neuen Mitteln und Methoden“.

SPD: „Trends sind alarmierend“

Jessica Rosenthal (SPD) räumte ein, die Trends des Berufsbildungsbericht seien „alarmierend“ und machten ihr Sorge – ganz besonders die Tatsache, dass mehr als 2,6 Millionen junge Erwachsene „ohne Fundament“, also ohne Bildungsabschluss, in den Beruf starteten.

Die Ampel-Koalition stelle sich diesem Trend dagegen, unter anderem mit dem geplanten Fachkräfteeinwanderungsgesetz, mit der Ausbildungsgarantie, die Rosenthal einen „echten Meilenstein“ nannte, mit der Mobilitätsförderung, die es jungen Menschen ermögliche, in einer anderen Stadt eine Ausbildung zu machen, und mit einer besseren Berufsorientierung. An die Unternehmen appellierte die Abgeordnete: „Wir müssen gute Löhne bezahlen, auch in der Ausbildung.“

AfD: „Deutschland braucht Meister“

Nicole Höchst (AfD) sagt eingangs in Richtung der Ampel-Koalition: „Wir teilen Ihren Enthusiasmus für die berufliche Bildung.“ Sie betonte: „Deutschland braucht Meister.“ Deshalb sei es alarmierend, dass der Anteil der jungen Menschen ohne Bildungsabschluss „seit dem Grenzöffnungsjahr 2015“ kontinuierlich gestiegen sei.

Höchst erörterte, dass Menschen mit Migrationshintergrund im Durchschnitt schlechter ausgebildet seien und häufiger eine Ausbildung abbrächen. Das Ergebnis sei, dass aktuell zwei Drittel der Bürgergeldbezieher einen Migrationshintergrund hätten. „Die Realitätsverweigerungsfraktionen in diesem Hause wollen das so“, behauptete Höchst.

Grüne: „Es gibt wirklich wenig Grund zur Freude“

Anja Reinalter (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, sie wolle den Berufsbildungsbericht nicht schönreden. Denn: „Es gibt wirklich wenig Grund zur Freude.“ Die Probleme, die der Bericht beschreibe, könnten nicht von heute auf morgen gelöst werden. Deshalb warf sie einen Blick in die Zukunft und sprach vom Berufsbildungsbericht 2030.

Bis dahin werde man es „endlich geschafft“ haben, „das passende Matching zwischen Angebot und Nachfrage hinzukriegen“, unterstützt durch Künstliche Intelligenz und eine Berufsorientierungsoffensive, die Eltern stärker einbeziehe. Bis 2030 werde es außerdem gelungen sein, „viel mehr Praxis“ an die Schule zu bringen und den Menschen die Gleichwertigkeit von Ausbildung und Studium zu vermitteln. „Packen wir’s an“, schloss Reinalter.

Linke: „Hier tut sich so gar nichts“

Nicole Gohlke (Die Linke) konstatierte zu Beginn ihrer Rede, der Berufsbildungsbericht enthalte einmal mehr „größtenteils deprimierende Zahlen“. „Hier tut sich so gar nichts“, bemängelte Gohlke. Dieser Zustand sei „absolut beschämend“.

Aus ihrer Sicht müssten mehr betriebliche Ausbildungsplätze geschaffen werden, führte die Abgeordnete aus. Unternehmen, die ausbildeten, müssten entlastet werden. Andere gehörten „zur Kasse gebeten“. Ohne eine solche „solidarische Umlagefinanzierung“ werde es nicht gehen.

Es sei „bizarr“, so Gohlke, dass im Bericht 120 Maßnahmen der Regierung aufgezählt würden, die die Situation aber offenbar nicht wesentlich verbesserten. Die Bundesregierung solle „endlich mal die großen Räder drehen“, statt „in einem Meer von wirkungslosen Einzelmaßnahmen zu versinken“.

Hier seht ihr die Debatte im Video:

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