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Bundeswehr Noch immer nicht „bestmöglich ausgerüstet“

Alexandra Meister

Materialmangel, extremistische Verdachtsfälle und innere Strukturprobleme prägen die Kritik an der Bundeswehr. Nachzulesen ist das im aktuellen Wehrbericht, den der Bundestag diskutiert hat – und den wir euch hier vorstellen.

Bundeswehrrekruten bei der Ausbildung

Ist die Bundeswehr attraktiv genug für junge Menschen? © picture alliance/dpa | Nicolas Armer

„Der Jahresbericht ist immer auch eine Ansammlung von Mängeln, Fehlern und Versäumnissen.“ So stieg Dr. Eva Högl, die Wehrbeauftragte des Bundestages, nach Worten des Dankes in die Debatte zum Wehrbericht ein. Der sogenannte Jahresbericht der Wehrbeauftragten 2020 wurde im Bundestag in Erster Lesung debattiert. Die Abgeordneten forderten eine bessere Ausstattung, mehr politische Bildung in der Truppe und eine für junge Menschen attraktive Bundeswehr.

Seit über einem Jahr ist Högl als Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages die „Anwältin der Soldaten“: Mitglieder der Truppe können sich mit Problemen, Sorgen und Anliegen an sie wenden. Häufig besucht die Wehrbeauftragte auch die Soldaten. Und einmal im Jahr informiert sie die Abgeordneten des Bundestages über bestehende Missstände bei der Bundeswehr.

Was steht im Wehrbericht 2020?

Im Wehrbericht 2020 heißt es, dass die Bundeswehr während der Coronapandemie sehr bedeutend gewesen sei. Högl lobte im Bundestag den Einsatz der Truppe in der Krise: Anfang Februar dieses Jahres seien neben dem Sanitätsdienst rund 11.900 Soldaten „im Einsatz gegen das Virus“ gewesen.

Die Soldaten hätten in Gesundheitsämtern, beim Testen und bei der Nachverfolgung von Infektionsketten, bei der Logistik, in der Altenpflege und in Impfzentren geholfen. Viele von ihnen hätten Amtshilfe geleistet. Das heißt, dass eine Behörde oder Einrichtung einer anderen hilft. Als Symbol der „Wertschätzung und Anerkennung“ sprach sich die Wehrbeauftragte für eine Einsatzmedaille für die aktiv beteiligten Soldaten und Reservisten aus.

Außerdem wies Högl darauf hin, dass auch die Bundeswehr von den Auswirkungen der Coronapandemie betroffen sei. So seien etwa Lehrgänge abgesagt und Ausbildungen verkürzt worden.

Fehlende Ausrüstung

Als einen „Quell für Frustration“ bezeichnete Högl den Materialmangel bei der Bundeswehr: „Soldatinnen und Soldaten klagen berechtigterweise über fehlende Ausrüstung, Ausstattungsgegenstände, Kälteanzüge, Gehörschutz, Helme, Rucksäcke, aber auch über das große Gerät: Fahrzeuge, Boote, Schiffe, Hubschrauber und Werkzeug.“

Im Bericht heißt es, es sei absolut „inakzeptabel“ und „unverständlich“, dass den Soldaten in ihrer Ausbildung und in den Einsätzen noch immer in vielen Fällen nicht die „bestmögliche Ausrüstung“ zur Verfügung stehe. Das Geld aus dem Verteidigungshaushalt müsse dafür investiert werden, so Högl.

Extremistische Verdachtsfälle

Das Thema Rechtsextremismus beschäftige sie „das ganze Jahr intensiv“, so Högl. So lag die Zahl der Meldungen „extremistischer Verdachtsfälle“ im Berichtsjahr 2020 bei 229 – eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr, in dem es 197 Meldungen waren. Darüber hinaus meldete der Militärische Abschirmdienst (MAD) 477 neue Verdachtsfälle im Bereich Rechtsextremismus. Bei der Abwehr von Extremismus spiele der MAD eine bedeutende Rolle, sodass er laut Bericht mehr Personal benötige. Der MAD ist neben dem Bundesamt für Verfassungsschutz und dem Bundesnachrichtendienst einer der drei deutschen Nachrichtendienste auf Bundesebene.

Auch das Kommando Spezialkräfte (KSK) spielte, wie schon im Vorbericht 2019, eine Rolle: So stellte eine von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) eingesetzte Arbeitsgruppe fest, dass sich eine „fehlgeleitete Führungskultur, extremistische Tendenzen und ein nachlässiger Umgang mit Material und Munition entwickelt“ habe. Das KSK könne in der bestehenden Struktur so nicht erhalten bleiben, heißt es im aktuellen Wehrbericht. Allerdings stünde „die eindeutige Mehrheit“ der Soldatinnen und Soldaten „für unser Land, unsere Demokratie und unsere Sicherheit“ ein.

Verteidigungsministerin: Kein Platz für Rechtsextremismus

Die Vereidigungsministerin Kramp-Karrenbauer lobte die Soldatinnen und Soldaten in der Debatte im Bundestag. Sie machte deutlich, dass es weder in der Bundeswehr noch im KSK Platz für Rechtsextremismus geben dürfe. Aus diesem Grund begrüßte Kramp-Karrenbauer den angestoßenen Reformprozess des KSK.

Um die „richtigen Dinge anzugehen“, halte sie die Besuche vor Ort der Wehrbeauftragten für sehr hilfreich. Für die kommende Legislaturperiode möchte sie „entsprechende politische Entscheidungen“ treffen, denn „es gibt Analysen genug, es gibt Vorschläge genug, und jetzt erwartet die Truppe zu Recht, dass auch etwas umgesetzt wird, und zwar so umgesetzt wird, dass es auch besser wird.“

AfD: „Ohne erkennbare Verbesserungen“

Berengar Elsner von Gronow (AfD) sagte, dass sich der Bericht seit mehreren Jahren „mit denselben Themen“ befasse, ohne erkennbare Verbesserungen zu liefern. So gehe es beispielsweise schon seit Längerem um die Beschaffung von Ausrüstung. Laut ihm habe sich aber auch unter Kramp-Karrenbauer dieses Problem nicht verbessert. Es werde „auf die lange Bank geschoben“.

Er kritisierte außerdem, dass die Bundeswehr noch immer nicht mit bewaffneten Drohnen ausgestattet sei. Stattdessen würden „realitätsferne“ und „endlose, akademisch geführte Diskussionen zur Ethik einer Bewaffnung von Drohnen“ zulasten der Soldaten gehen.

SPD: Mehr politische Bildung bei der Bundeswehr

Die Bundeswehr sei „keine Armee des Bundespräsidenten“ und auch „keine Armee der Bundesregierung“, sagte der SPD-Abgeordnete Eberhard Brecht. „Sie ist eine Parlamentsarmee.“ Umso größer sei deshalb die gemeinsame Verantwortung der Abgeordneten für die Streitkräfte, betonte Brecht mit Blick auf die „Waffenfunde bei einigen KSK-Soldaten“.

Brecht sprach sich dafür aus, die Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für politische Bildung zu intensivieren. Denn politische Bildung stehe „ganz oben auf der Agenda der Inneren Führung“ bei der Bundeswehr.

FDP: „Attraktiver für junge Menschen“

Auch Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP-Fraktion dankte den Soldatinnen und Soldaten für ihren Corona-Einsatz „von Herzen“. Jedoch betonte sie, dass es nicht die Aufgabe der Soldaten sei, unbesetzte Stellen in Rathäusern und Gesundheitsämtern zu füllen. Die Hauptaufgabe sei die Landes- und Bündnisverteidigung, wofür der Grundbetrieb in den Kasernen sichergestellt werden müsse.

Die Coronapandemie habe zudem gezeigt, dass „digitale Alternativen auch in der Bundeswehr dringend erforderlich“ seien. Vor der Bundestagswahl reiche es nicht, „den Mund zu spitzen“, jetzt müsse auch „gepfiffen werden“. Strack-Zimmermann forderte, die Bundeswehr müsse so finanziert werden, dass sie ihren Auftrag erfüllen kann. Für junge Menschen müsse die Bundeswehr zudem attraktiver werden.

Linke: Keine automatisierten Kriegsführung

Dass der Bundesregierung „jede neue Info aus der Nase“ gezogen werden müsse, mahnte Christine Buchholz (Die Linke) an. Die entscheidende Frage laute: „Wie sind die extremen Rechten in der Bundeswehr mit denen außerhalb der Bundeswehr miteinander vernetzt?“ Bisher „drückt man sich in der Bundesregierung“ um diese Antwort herum.

Zudem brachte sie zum Ausdruck, dass während der Coronapandemie „nicht alles rund gelaufen“ sei, da beispielsweise in Mali „Impfungen im deutschen Einsatzkontingent nur sehr schleppend vorangegangen sind“. Dies bezeichnete Buchholz als „fahrlässig und im Zweifel lebensgefährlich“. Darüber hinaus kritisierte sie bewaffnete Drohnen als „Schritt in Richtung der Automatisierung der Kriegsführung“. Diese Entwicklung müsse gestoppt werden.

Grüne: Nächste Regierung muss endlich Probleme lösen

„Außerordentliches“ leisteten die Soldatinnen und Soldaten bei der Bekämpfung der Coronapandemie, so Tobias Lindner von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Dies sollte aber „nicht der Regelfall“ sein. Denn „die Bundeswehr kann nicht der Dauernotnagel an dieser Stelle sein“. Hingegen müsse die Krisenvorsorge im Inland gestärkt werden.

Lindner stellte klar, dass im Hinblick auf die „altbekannten Probleme“ wie Personal, Infrastruktur und Material „eine künftige Bundesregierung und ein Deutscher Bundestag in der nächsten Legislaturperiode an diese Probleme endlich herangehen müssen“. Da reiche es nicht, wie in den letzten „acht Jahren Großer Koalition geschehen“, immer mehr Geld obendrauf zu werfen.

Union: Ausstattung trotz Fortschritte „unbefriedigend“

Anita Schäfer von der CDU/CSU-Fraktion sagte, dass der Bericht das Bild einer Bundeswehr „unter großem Druck“ zeichne. Sie lobte einerseits, dass die Bundeswehr geholfen habe, Afghanistan zu stabilisieren. Andererseits mahnte sie an, dass die internationale Staatengemeinschaft Afghanistan nicht aus dem Blick verlieren dürfe. Der dortige Auslandseinsatz wird noch in diesem Jahr beendet.

Der Druck auf die Bundeswehr zeige sich auch darin, so Schäfer, „dass im Jahr 2020 noch immer Mängel beim Material die Truppe belasten“. Trotz großer Fortschritte beim Verteidigungsetat, sei das „unbefriedigend“. Sie stimmte der Wehrbeauftragten Högl zu: „Wir müssen die Bundeswehr gut ausstatten und gut ausrüsten.“

Der Wehrbericht wurde nach der Debatte in den verantwortlichen Verteidigungsausschuss überwiesen. Ihr findet die komplette Sitzung auf bundestag.de und auch hier im Video.

Zur Person

mitmischen-Autorin

Alexandra Meister

ist 16 Jahre alt und Schülerin in Nordrhein-Westfalen. Sie interessiert sich für Politik und Weltgeschehen, aber auch für Pferde: Sie reitet aktiv und kümmert sich auch um ein eigenes Pferd. Seit Beginn der Coronapandemie desinfiziert sie alles, was nicht bei drei auf dem Baum ist.

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