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Petitionsausschuss „Jeder bekommt eine Antwort“

Ein Recht auf das Streben nach Glück oder ein Verbot von Jogginghosen in der Öffentlichkeit – solche Anliegen erreichen den Petitionsausschuss. Arite Rochlitz arbeitet dort im Sekretariat und hat uns von ihren Aufgaben erzählt.

Die Arbeit im Petitionsausschuss ist vielfältig, sagt Arite Rochlitz. Sie ist seit 2013 dort tätig. „Hier kann man Demokratie hautnah erleben.“ © DBT/Henning Schacht

Im Petitionsausschuss (PetA) werden regelmäßig Anliegen von Bürgerinnen und Bürgern besprochen. Im Hintergrund muss dafür vieles organisiert werden. Sie sind Referentin für Öffentlichkeitsarbeit im Sekretariat des PetA. Was genau machen Sie dort?

Mein Aufgabengebiet ist sehr vielfältig. Ich stelle zum Beispiel Info-Materialien über den Ausschuss zusammen und stehe mit den anderen Referaten im Haus im Austausch. Manchmal organisiere ich Bürgersprechstunden auf Messen. Außerdem findet jedes Jahr Anfang September der Tag der Ein- und Ausblicke im Bundestag statt. Dort hat der Petitionsausschuss einen Stand. Ich bin für die Organisation des Standes und der Betreuung zuständig.

Zudem bereite ich die Delegationsreisen des Ausschusses vor und organisiere Konferenzen, die der Ausschuss ausrichtet. Bei der Ausschussarbeit selbst bin ich vor allem in die Vor- und Nachbereitung der Sitzungen eingebunden. Und ich bin an der Zusammenstellung des Jahresberichts beteiligt, den der Petitionsausschuss veröffentlicht.

Einige Petenten möchten ihre Petition und die Unterschriften gerne öffentlich übergeben. Das zu organisieren, gehört ebenfalls zu meinen Aufgaben.

Können Sie uns dazu ein paar Daten und Fakten nennen: Mit wie vielen Petitionen hat der Ausschuss ungefähr pro Woche zu tun?

Im vergangenen Jahr sind täglich 52 Petitionen bei uns eingegangen. Das sind 260 pro Woche. Oft gibt es aber auch Nachträge zu bestimmten Petitionen oder die Bundesregierung reicht Berichte ein, weil wir etwa eine Stellungnahme zu einer Petition angefordert haben. Deshalb gab es 2022 neben den 260 Petitionen noch mehr als 330 weitere Posteingänge wöchentlich.

Gehen die meisten Petitionen online ein?

Nein, jedes Jahr gehen immer noch weniger als die Hälfte der Petitionen online ein. 2022 waren es 35 Prozent. Viele Menschen greifen immer noch auf Brief, Postkarte oder Fax zurück.

Jedermann kann sich mit Bitten oder Beschwerden an den Bundestag. So steht es im Grundgesetz. Was kommt denn häufiger vor: Bitten oder Beschwerden?

Bitten sind Anliegen, die sich auf die Bundesgesetzgebung beziehen, und Beschwerden sind Einzelfallanliegen. Bei uns gehen mehr Beschwerden ein.

Der Petitionsausschuss wurde 1949 gegründet und hat am Anfang überwiegend Einzelfälle betreut. Die Bitten zur Bundesgesetzgebung sind erst später hinzugekommen und haben, seit es das Online-Petitionssystem gibt, noch einmal zugenommen. Das Verhältnis bleibt aber unausgewogen: Im Jahr 2022 hatten wir 70 Prozent Beschwerden im Einzelfall und nur 30 Prozent Bitten zur Bundesgesetzgebung.

Gibt es bestimmte Themen, die gehäuft im Petitionsausschuss ankommen?

Wir sortieren die Bitten und Beschwerden nach den Ministerien. Das Ranking für das Jahr 2022 zeigt, dass die Anliegen, die sich an das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gerichtet haben, an der Spitze stehen. Danach kommt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), dann das Bundesministerium der Justiz (BMJ).

Wenn man sich also die Themen ansieht, dann geht es derzeit am häufigsten um Gesundheitsthemen, im Bereich Arbeit und Soziales geht es oft um Dinge wie Rente, Kinder- oder Krankengeld. Aktuell gibt es zusätzlich viele Petitionen, die sich rund um das Thema Heizen drehen.

Man hört oft, dass man im Petitionsausschuss besonders stark spüren kann, welche Themen die Bevölkerung beschäftigen. Sie teilen diesen Eindruck also?

Absolut. 2022 gab es zum Beispiel auch bemerkenswert viele Petitionen, die in den Bereich des Auswärtigen Amtes fielen. Das lag sicherlich am Ukraine-Krieg und an den Unruhen im Iran. Zum Vergleich: 2021 gab es für diesen Bereich nur 520 Petitionen, im vergangenen Jahr waren es 1.170. 

Und 2020 haben die Petitionen des BMG um 43 Prozent zugenommen: Allein zur Corona-Pandemie hatten wir damals 1.800 Eingaben. Oder wenn wir noch weiter zurückgehen: Im Jahr 2011 gab es eine Steigerung von 300 Prozent der Petitionen zum Thema Atomenergie. In dem Jahr passierte das Unglück in Fukushima. Das Weltgeschehen spiegelt sich also auch immer in den Petitionen wider.

Welches waren die skurrilsten Anliegen von Bürgern, von denen Sie gehört haben?

Im vergangenen Jahr hat jemand gefordert, ein Recht auf das „Streben nach Glück“ in das Grundgesetz aufzunehmen. Es gab auch mal jemanden – das fand ich wirklich skurril –, der das Tragen von Jogginghosen in der Öffentlichkeit verbieten wollte.

Oft wenden sich Kinder an uns, zum Beispiel wurde in einer Petition gefordert, dass es ein Verbot dafür geben solle, dass Kinder im Haushalt helfen müssen. Und ich hatte mal persönlich mit einem Bürgerschreiben zu tun, in dem es um zweieiige Zwillinge ging, ein Junge und ein Mädchen. Der Junge fand es unfair, dass er bessere Leistungen im Sport bringen muss, um die gleiche Zensur wie seine Schwester zu bekommen. Er wollte abschaffen, dass die Anforderungen für Jungen im Sport immer etwas höher liegen als die für Mädchen. Für solche Fälle sind wir allerdings nicht zuständig, da Bildung Ländersache ist. Aber wir beantworten alle Anfragen immer sehr ernsthaft, so auch seine.

Können Sie sich an Petitionen erinnern, die nachhaltig etwas bewirkt haben?

Es gibt einige, an die ich mich besonders gut erinnere. Da ist zum Beispiel die Anerkennung des Völkermords an den Êzîden durch die Terrororganisation Islamischer Staat (IS). Dazu hat es eine Petition gegeben, die öffentlich behandelt wurde. Das war sehr bewegend. Und Anfang dieses Jahres hat der Bundestag den Genozid anerkannt.

Außerdem gab es eine Petition im Zusammenhang mit dem Bundesprogramm „Sprach-Kitas“, ein Förderprogramm, das sich an Kitas richtet, die von einem überdurchschnittlich hohen Anteil von Kindern mit sprachlichem Förderbedarf besucht werden. Das Programm sollte auslaufen und man hat sich mithilfe einer Petition dafür eingesetzt, dass es weitergeht. Es gab zahlreiche Unterstützer, das Thema wurde öffentlich beraten. Ende des vergangenen Jahres wurde das Kitaqualitätsgesetz verabschiedet. Und in diesem Rahmen wurde auch festgelegt, dass das Programm zumindest bis Mitte dieses Jahres auf Bundesebene weiterläuft und anschließend die Möglichkeit besteht, das Programm mit Landesmitteln fortzusetzen.

Im Jahr 2019 ging es in einer Petition um den ermäßigten Mehrwertsteuersatz für Perioden-Produkte. Zum 1. Januar 2020 ist der ermäßigte Steuersatz von sieben Prozent dann in Kraft getreten.

Außerdem erinnere ich mich an einen Großvater, der auf vielen Wegen für seine beiden Enkel gekämpft hat: Ihre Mutter war verstorben und sie bekamen eine Halbwaisenrente. Damals mussten Halb- und Vollwaisen noch Krankenversicherungbeiträge zahlen. Seit dem 1. Januar 2017 müssen sie das nicht mehr.

Im Petitionsausschuss kann man Demokratie also hautnah erleben

Das stimmt. Und der Petitionsausschuss leistet vieles, von dem man in der Öffentlichkeit nichts mitbekommt, weil es um persönliche Anliegen geht. Manchmal geht es zum Beispiel um Probleme mit der Rente: Eine Petentin ist bei der Rentenkasse mit ihrem Anliegen nicht weitergekommen. Nachdem der Petitionsausschuss sich der Sache angekommen hat, hat sie eine beträchtliche Summe erhalten. Über solche Fälle freue ich mich sehr und ich bin froh, dass die Menschen sich an uns wenden und nicht ganz allein kämpfen.

Rentenfragen, Krankenkassenbeiträge oder Genozid – es müssen viele Bereiche im Ausschuss abgedeckt werden. Gibt es Experten für jede Nische?

Es gibt hier vier Eingabereferate, die nach den Ministerien aufgeteilt sind. Und da haben wir jeweils Experten für die verschiedenen Bereiche sitzen, also beispielsweise Menschen, die auf Rente, Gesundheit oder Außenpolitik spezialisiert sind. Natürlich ist jeder Fall neu und auch die Expertinnen und Experten müssen sich immer wieder einarbeiten.

Was sind die größten Hürden, die man beim Einreichen einer Petition beachten mus

Eigentlich ist das Petitionsverfahren ein sehr niedrigschwelliges. Das Anliegen des Petenten muss klar formuliert sein und wir brauchen eine Adresse, über die wir mit der Person kommunizieren können. Außerdem ist eine Unterschrift unbedingt notwendig.

Aber selbst, wenn jemand die Petition hier an falscher Stelle einreicht, wird das Anliegen innerhalb des Hauses immer an uns weitergeleitet. Übrigens: Eine einfache E-Mail reicht nicht aus. Auch in diesen Fällen kontaktieren wir den Absender und teilen ihm mit, wie eine Petition eingereicht werden kann. Jeder, der uns schreibt, erhält eine Antwort.

Also kann man eigentlich kaum etwas falsch machen?

Wenig. Und was mir auch sehr wichtig ist: Jede Petition – und wenn sie nur eine Unterschrift hat – ist ein Anliegen, das bearbeitet wird. Häufig wird in den Medien falsch darüber berichtet. Dann heißt es etwa, dass eine Petition gescheitert ist, weil keine 50.000 Unterschriften erreicht wurden. Oder es heißt, dass sich der Bundestag mit einem Thema beschäftigen muss, weil 50.000 Unterschriften gesammelt wurden. Das stimmt nicht: Der Bundestag muss sich mit jeder einzelnen Petition beschäftigen. Petitionen, die das Quorum von 50.000 Unterschriften erreichen, haben einen Anspruch darauf, öffentlich beraten zu werden – es sei denn, die Mehrheit des Ausschusses spricht sich dagegen aus. Das Quorum hat aber nichts damit zu tun, dass die Petition anders bearbeitet wird.

Jede Petition wird, unabhängig davon, ob es sich um eine öffentliche Petition handelt oder wie viele Personen mitgezeichnet haben, sorgfältig geprüft, im Parlament beraten und beschieden. Das heiß, Petenten erhalten auf jeden Fall eine aussagekräftige Antwort auf ihre Eingabe.

Über Arite Rochlitz

Arite Rochlitz kommt von der Insel Rügen. Nach der Schule hat sie in Berlin Rechnungsführung und Statistik studiert und im Bundesamt für Statistik gearbeitet. 1999 wechselte sie zur Bundestagsverwaltung. Hier absolvierte sie berufsbegleitend eine Ausbildung zur Verwaltungsfachwirtin und den weiterbildenden Masterstudiengang „Master of Public Administration“. Seit 2013 arbeitet sie im Sekretariat des Petitionsausschusses und ist dort Referentin für Öffentlichkeitsarbeit.

(Mira Knauf)

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