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Entwicklungszusammenarbeit Wie geht nachhaltiger Tourismus?

Leonie Schlegel

Für Länder des globalen Südens kann Tourismus eine Chance sein, Armut und Ungleichheit zu bekämpfen. Im Tourismusausschuss diskutierten Abgeordnete mit Expertinnen und Experten über die Chancen und Herausforderungen nachhaltigen Reisens.

Tourist auf einer Straße in Bangkok

Wie lange bleibt ein Tourist an einem Ort? Und wer profitiert von dem Geld, das er ausgibt? Wichtige Fragen für die Entwicklungszusammenarbeit im Tourismus. © shutterstock.com/Twinsterphoto

Auf der ganzen Welt und insbesondere im globalen Süden kam es mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie im Jahr 2020 zu massiven Reiseeinschränkungen. Die Tourismus-Branche traf es besonders hart: Ihr Beitrag zur globalen Wirtschaftsleistung verringerte sich um beinahe die Hälfte. Mehr als 60 Millionen Menschen verloren weltweit ihre Arbeitsplätze.

Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit hilft ihren Partnerländern, die Krisen zu bewältigen und bietet Unterstützung für einen nachhaltigen Wiederaufbau. Zudem fördert sie die Zusammenarbeit mit der touristischen Privatwirtschaft. Ziel ist es, mit Projekten zu einer nachhaltigen Tourismusentwicklung in den Partnerländern beizutragen.

Datenerhebung im Tourismus: Was geht und was fehlt

Für Antje Monshausen, Leiterin der Arbeitsstelle Tourism Watch und Referentin für Tourismus und Entwicklung bei Brot für die Welt, stand fest: Die Datenerhebung im Tourismus habe in den vergangenen zehn Jahren erhebliche Fortschritte gemacht. Während früher nur Übernachtungszahlen gemessen worden seien, würden heute beispielweise auch die Aufenthaltsdauer der Reisenden oder die ausgestoßenen Emissionen pro Tag berücksichtigt.

Was jedoch fehle, sei ein Messen der sogenannten gesellschaftlichen Effekte. Dazu würden ökologische und soziale Kosten wie der Wasserverbrauch der Touristen vor Ort und deren Abfallproduktion sowie berufliche und Bildungsmöglichkeiten für den Einstieg in die Tourismus-Branche für Einheimische gehören. „Studien belegen, dass teilweise die Ausgaben für den Tourismus höher sind als die Einnahmen, die aus dem Tourismus entstehen. Ohne die genaue Erfassung solcher Daten kann jedoch nicht daran gearbeitet werden, die negativen Folgen zu verringern“, so Monshausen. Sie wies weiter darauf hin, dass Entwicklungszusammenarbeit dazu beitragen könne, diese Kosten überhaupt erst sichtbar zu machen.

Eine positive Entwicklung des Tourismus in der Vergangenheit sei, dass die Aufenthaltsdauer der Reisenden in den Urlaubsorten zugenommen habe. Dadurch erhöhe sich die Wertschöpfung der Unternehmen vor Ort.

Aus- und Weiterbildung als Schlüsselfaktor

Axel Klaphake, Abteilungsleiter für Wirtschaft, Soziales und Digitalisierung bei der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ), knüpfte daran an: „Generell ist es unumstritten, dass der Tourismus großes Potenzial hat, in die Wirtschaftsstrukturen vor Ort einzuwirken.“ Dies liege an der Größe der Tourismus-Branche, an den Firmen, die dort aktiv seien, sowie an den Einkommensmöglichkeiten, die sich für viele Bevölkerungsgruppen ergäben. Trotzdem seien gute Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten der Menschen in der Branche als Schlüsselfaktor für die Förderung lokaler Wertschöpfung notwendig.

Gleichzeitig betonte Klaphake, dass die Corona-Pandemie in vielen Urlaubsorten für einen massiven Einbruch mit teilweise sehr ernüchternden und drastischen Auswirkungen gesorgt habe. „Bis heute haben sich viele Orte nicht von der Krise erholt“, so der Experte. Krisen seien nichts Einmaliges, sondern würden wieder kommen. Deshalb müssten touristische Unternehmen darüber nachdenken, wie sie krisenresilienter werden könnten. Es sei wichtig zu lernen, mit Krisen umzugehen, entsprechende Maßnahmen zu entwickeln sowie Risiken zu bewerten.

„Alle müssen mithelfen“

Volker Adams vom Branchendialog „Tourismus für nachhaltige Entwicklung“ unterstrich die Bedeutung des Tourismus: „Der Tourismus leistet einen großen Beitrag dazu, Schwellen- und Entwicklungsländer zu stabilisieren und nach vorne zu bringen.“ Dort, wo das Fundament für eine touristische Entwicklung gelegt werden solle, werde Unterstützung des Staates benötigt. Neben dem Staat müssten aber auch die Privatwirtschaft und Akteure der Branche mithelfen.

Zudem verwies Adams auf das Lieferkettengesetz, das seit dem 1. Januar 2023 in Kraft ist. Das Gesetz regelt die Verantwortung der Unternehmen, Menschenrechte in globalen Lieferketten einzuhalten. Beispiele dafür sind der Schutz vor Kinderarbeit, eine faire Bezahlung sowie der Schutz der Umwelt. Laut Adams seien kleine und mittelgroße Unternehmen bereits indirekt in weiten Teilen von diesem Gesetz betroffen. „Als Verband haben wir die Sorge, dass diesen Unternehmen nicht die Möglichkeiten zur Hand stehen wie den großen Konzernen“, so Adams.

Gerechte Verteilung von Tourismus-Einnahmen

Welche Auswirkungen die Corona-Pandemie auf Teile Südamerikas hat, zeigte Juan Victor Bejar vom Centro Bartolomé de las Casas in Peru. Vor der Corona-Pandemie habe Peru jährlich rund drei Millionen Touristen gehabt. Während der Pandemie seien keine Touristen mehr gekommen, aktuell liege der Wiederanstieg bei weniger als 70 Prozent.

In Bezug auf einen Flughafen, der in der Region Cusco gebaut werden solle, sprach Bejar darüber, wie trotz des Tourismus die Zerstörung von lokalen Strukturen und Gemeinschaften verhindert werden könne. Das wichtigste Thema in Cusco sei die gerechte Verteilung der Einnahmen aus dem Tourismus. „Die Gewinne der Tourismusindustrie gründen sich insbesondere auf die internationalen Tourismusagenturen, die Reiseagenturen, die Airlines und so weiter“, erklärte Bejar. Lokale Wertschöpfungen hingegen seien sehr gering. Der Bau des Flughafens würde sich beispielsweise auf die Landschaft auswirken, die von den Einwohnern betrieben werde. Es wäre nur gerecht, die Einwohner auch an den Einnahmen aus dem Tourismus zu beteiligen.

Gründertum fördern

Thomas Ellerbeck, Vorstandsvorsitzender der TUI Care Foundation, ging auf die Bedeutung der Förderung von Unternehmensgründungen ein. Das Fördern kleiner und mittlerer Unternehmen, aus denen die Tourismus-Branche hauptsächlich bestehe, sei besonders wichtig. Ellerbeck wies darauf hin, dass von Frauen gegründete Unternehmen nachhaltiger und langfristig erfolgreicher seien. Weiter erläuterte er: „Wenn wir die wirtschaftliche Substanz stärken, stärken wir auch die Arbeitsbedingungen in den Ländern. Wir stärken das Bewusstsein dafür und am Ende die Bereitschaft, für eine intakte Umwelt zu sorgen.“ Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit habe dabei einen enorm hohen Stellenwert.

Hier könnt ihr euch die Anhörung im Video anschauen:

Zur Person

mitmischen-Autorin

Leonie Schlegel

ist 2002 geboren, wohnt in Bremen und studiert dort Europäische Wirtschaft und Verwaltung. Sie ist sehr politikbegeistert und verfolgt regelmäßig das Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages.

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