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Bundeskanzler Scholz „Wir wissen, was wir verteidigen: Frieden, Freiheit und Recht“

In seiner Regierungserklärung zum Treffen des Europäischen Rats versicherte der Kanzler, die EU werde die Ukraine bei der Verteidigung und beim Wiederaufbau nach dem Krieg unterstützen. Aus der Opposition kam harsche Kritik am Kurs der Bundesregierung.

Bundeskanzler Olaf Scholz im Bundestag

„Putin denkt immer noch, dass er einen Diktatfrieden herbeibomben kann“, sagte der Bundeskanzler im Parlament. „Aber er irrt sich.“ © picture alliance/dpa/Kay Nietfeld

Ende Mai wird Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach Brüssel zu einem Treffen des Europäischen Rats reisen. Im Bundestag informierte er gestern die Abgeordneten in einer Regierungserklärung darüber, worum es bei dem Treffen gehen wird.

Der Europäische Rat bestimmt darüber, in welche Richtung die Politik der Europäischen Union gehen soll und welche Ziele damit verfolgt werden. Ihm gehören die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten, der Präsident des Europäischen Rates und die Präsidentin der EU-Kommission an. Am 30. und 31. Mai werden sie gemeinsam über den Krieg in der Ukraine beratschlagen.

„Die Europäische Union ist ein Friedensprojekt"

Der Krieg in der Ukraine sei die größte Krise, die die Europäische Union je erlebt habe. Das sagte der Bundeskanzler zu Beginn seiner Rede. Die EU sei ein Friedensprojekt. „Aber Frieden ist nur dann selbstverständlich, wenn wir bereit sind, ihn zu verteidigen“, so Scholz. Deshalb müsse Deutschland und die gesamte EU der Ukraine beistehen. „Wir wissen, was wir verteidigen: Frieden, Freiheit und Recht.“

Deshalb hätten die EU-Staaten gemeinsam Sanktionen gegen Russland verhängt und deshalb lieferten sie auch Waffen in die Ukraine, damit diese sich verteidigen könne. Das Ziel sei, den Krieg möglichst schnell zu beenden. Russland dürfe ihn aber nicht gewinnen. „Putin denkt immer noch, dass er einen Diktatfrieden herbeibomben kann“, sagte der Kanzler. Damit meint er einen Frieden nach den Bedingungen des russischen Präsidenten. „Aber er irrt sich“, stellte Scholz klar.

Die EU handele „entschlossen und vereint“. Deutschland trage dabei als größtes Mitgliedsland eine besondere Verantwortung. Um diese wahrnehmen zu können, wolle die Bundesregierung 100 Milliarden Euro „Sondervermögen“ für die Bundeswehr ausgeben.

Pläne zur EU-Erweiterung

In den letzten Wochen hat die Ukraine immer wieder den Wunsch geäußert, der EU beizutreten. Inzwischen gibt es auch einen Mitgliedsantrag. Das Beitrittsverfahren ist allerdings kompliziert und dauert in der Regel viele Jahre. Auch darauf ging Scholz in seiner Rede ein. „Die Ukraine ist Teil unserer europäischen Familie“, sagte er. Allerdings gebe es auf dem Weg in die EU „keine Abkürzungen“. Das wäre auch unfair gegenüber anderen Ländern, die schon sehr viel länger auf einen Beitritt warteten.

Die EU müsse der Ukraine jetzt unabhängig von einem EU-Beitritt schnell und pragmatisch helfen, so Scholz. Er forderte auch, schon jetzt einen europäischen Fond anzulegen, aus dessen Geldern die EU beim Wiederaufbau der Ukraine nach dem Krieg helfen solle.

Generell sprach der Kanzler sich aber für eine EU-Erweiterung aus: „Der westliche Balkan gehört in die EU.“ Als Westbalkan bezeichnet man die südosteuropäischen Staaten, die als nächste in die EU eintreten könnten: Serbien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro, Kosovo, Albanien und Nordmazedonien. Ohne Stabilität in dieser Region sei auch „unsere eigene Sicherheit nicht zu haben“.

Ziel: unabhängige Energieversorgung

Seit Beginn des Krieges wird viel darüber gesprochen, wie abhängig Deutschland und auch andere europäische Länder von Russlands Energie-Lieferungen sind. Die Preise für die Energieversorgung sind in den letzten Wochen stark gestiegen. Auch dieses Thema werde in Brüssel besprochen, versprach der Kanzler.

Der „von Russland verursachte Preisanstieg“ sei für viele Menschen schwer, so Scholz. Er versicherte: „Wir lassen niemanden allein.“ Deshalb habe die Bundesregierung Entlastungen geplant. Und auch europaweit wolle man dafür sorgen, dass „keine Engpässe“ entstehen. Langfristig sei „der einzig vernünftige Weg“, komplett auf erneuerbare Energien umzusteigen.

Im Anschluss an die Rede des Kanzlers kamen alle Fraktionen zu Wort.

Union: „Da muss mehr kommen!“

Friedrich Merz, Chef der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, sagte: „Wir begreifen täglich mehr, wie schrecklich dieser Krieg ist und welche tiefgreifenden Auswirkungen er hat.“ Deshalb sei es gut, dass der Europäische Rat zusammenkäme. Allerdings habe er „eine ganze Reihe von Fragen“ an den Kanzler. So wollte er wissen, ob Scholz nun für einen Beitritt der Ukraine in die EU sei oder nicht. Eine klare Haltung dazu habe er in der Rede vermisst.

Zu den Waffenlieferungen in die Ukraine behauptete Merz, „in Wahrheit“ sei „in den letzten Wochen aus Deutschland quasi nichts geliefert“ worden. Harsche Kritik übte er auch an Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD): „Trennen Sie sich von dieser Ministerin so schnell wie möglich!“

Insgesamt warf der Oppositionsführer dem Bundeskanzler vor, nicht entschlossen genug zu handeln und in der Krise nicht genug Antworten zu liefern. Er schloss mit den Worten: „Da muss mehr kommen!“

Grüne: „Nicht-Handeln kann keine Option sein“

Katharina Dröge (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, es sei „eine Zeit, in der es die EU so dringend braucht wie nie zuvor“. Es sei wichtig, dass die EU-Staaten gemeinsam handelten. Die anstehenden Entscheidungen seien keine leichten, aber: „Nicht-Handeln kann keine Option sein.“ Denn das hieße, „einen Krieg zuzulassen, der keine Grenzen kennt“. Deshalb befürwortete Dröge die Sanktionen gegen Russland.

„Es ist aber auch eine Zeit, in der die EU gezeigt hat, was sie kann“, so Dröge weiter. Die EU-Staaten hätten ihre Grenzen geöffnet, um den Geflüchteten aus der Ukraine unbürokratisch und schnell zu helfen. Das müsse in Zukunft der Maßstab sein, auch wenn Menschen aus anderen Regionen auf der Flucht zu uns kämen.

AfD: „Die Ursache der Krise ist eine fehlgeleitete Politik“

AfD-Fraktionschefin Alice Weidel konstatierte, Deutschland stecke „wirtschaftlich, politisch und finanziell in einer der schlimmsten Krisen seit dem Zweiten Weltkrieg“. Der Krieg in der Ukraine habe die Krise zwar verschlimmert, Ursache dafür sei aber die „fehlgeleitete Politik“ der Bundesregierung.

So sei der Ausstieg aus Atomkraft und Kohle ein Fehler gewesen. Er habe die Preise in die Höhe getrieben und Abhängigkeit von Russland erst ermöglicht. „Verlassen Sie den Irrweg der Energiewende!“, forderte Weidel den Kanzler auf.

Auch die Sanktionen gegen Russland halte Weidel für falsch, da sie Deutschland und Europa mehr schadeten als Russland. Im Krieg in der Ukraine müssten „Waffenstillstand und Frieden“ das Ziel Deutschlands sein, nicht eine Eskalation durch „ständige Waffenlieferungen“.

FDP: „Es geht um die Ernährungssicherheit auf der ganzen Welt“

Christian Dürr, Fraktionsvorsitzender der FDP, betonte, der Krieg sei eine „Tragödie“ und „für immer unentschuldbar“. Seine Auswirkungen gingen weit über die Grenzen Europas hinaus. „Es geht um die Ernährungssicherheit auf der ganzen Welt“, so Dürr. Der russische Präsident Putin nutze „den Hunger in der Welt als Waffe“. Deshalb sei es unsere „humanitäre Verpflichtung“, die Ukraine zu unterstützen – bei der Verteidigung gegen Russland ebenso wie später beim Wiederaufbau, „damit die Menschen dort in Zukunft in Freiheit und Wohlstand leben können“.

Linke: „Wir erwarten Diplomatie!“

Die Fraktionschefin der Linksfraktion Amira Mohamed Ali sprach sich dagegen klar gegen Waffenlieferungen an die Ukraine aus. „Wer ernsthaft glaubt, dass man Russland mit militärischen Mitteln in die Knie zwingen kann, der irrt“, sagte sie. „Das ist ein hochgefährlicher Kurs.“ Es gebe nicht nur die Optionen, die Gewalt zu eskalieren oder zu kapitulieren. Die Linke befürworte Friedensverhandlungen. Dafür brauche es „die Bereitschaft, einen Kompromiss zu finden“. In Richtung von Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) sagte Mohamed Ali: „Wir erwarten Diplomatie von Ihnen!“

SPD: „Weichen stellen, damit Europa auch morgen weiter stark ist“

Achim Post (SPD) kritisierte die Opposition dafür, über „innpolitische Scharmützel“ zu reden, wo es um viel mehr ginge – nämlich darum, „Europas Sicherheit und Frieden zu stärken“. Beim Treffen des Europäischen Rats müsse die EU „Handlungsfähigkeit und Zusammenhalt“ beweisen und in die Zukunft schauen, um die „zu Weichen stellen, damit Europa auch morgen weiter stark ist“. Dafür müsse die EU sich weiterentwickeln und verbessern.

Hier seht ihr die ganze Regierungserklärung im Video:

(jk)

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