Europäische Kommission Zukunftsideen für Europa
Eric Matt
Jedes Jahr legt die EU-Kommission ein Arbeitsprogramm vor. Was steht drin? Und wie bewerten die Abgeordneten des Bundestages den Plan?
Corona-Pandemie, Klimawandel, Digitalisierung und Demokratieverfall – wie sieht die Antwort der EU auf diese Herausforderungen aus? Das steht im Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission. Außerdem rief sie das „Europäische Jahr der Jugend 2022“ aus.
Als die Abgeordneten des Bundestages das Programm am 18. Februar diskutierten, hatte der Krieg in der Ukraine noch nicht begonnen. Trotzdem schwang auch dieses Thema in der Debatte schon mit.
Während manche Abgeordneten die EU als das „beste politische Projekt des vergangenen Jahrhunderts“ bezeichneten, befanden sie andere als „unsolidarisch und eine Schande“.
Aus dem Lexikon
„Europäisches Jahr der Jugend“
Jedes Jahr legt die EU-Kommission ein Arbeitsprogramm vor, mit dem sie ihre Vorhaben erläutert. Die EU-Kommission ist vereinfacht gesagt so etwas wie die Regierung der EU, auch wenn sie offiziell nie so bezeichnet würde und es auch einige Unterschiede zu einer echten Regierung gibt. Das diesjährige Arbeitsprogramm trägt den Titel „Europa gemeinsam stärker machen“. Dabei soll ein besonderes Augenmerk auf der jungen Generation liegen, da die Kommission das Jahr 2022 zum „Europäischen Jahr der Jugend“ erklärte. Dadurch sollen junge Menschen nach der Pandemie wieder neue Perspektiven bekommen. Um dies umzusetzen, sind dieses Jahr beispielsweise Konferenzen, Initiativen für mehr Jugendbeteiligung oder Sensibilisierungskampagnen geplant. Außerdem möchte die EU die Interessen junger Menschen bei allen politischen Entscheidungen berücksichtigen.
Klimaschutz, Digitalisierung und weitere Ziele
Darüber hinaus setzt sich die EU-Kommission sechs Zukunftsziele. Dazu gehört beispielsweise der sogenannte European Green Deal, durch den die gesamte Europäische Union bis 2050 klimaneutral werden soll. Das bedeutet, dass die EU nicht mehr schädliches CO2 ausstößt, als sie beispielsweise durch Wälder aufnehmen kann. Um dieses Ziel zu erreichen, wolle die Kommission dieses Jahr „mit den Mitgliedstaaten ehrgeizige nationale Strategiepläne vereinbaren“.
Die Kommission treibe dieses Jahr außerdem die Digitalisierung und eine „Wirtschaft im Dienste der Menschen“ voran, heißt es im Programm. Weitere Ziele sind, sich außen- und verteidigungspolitisch stärker zu positionieren sowie für die „europäische Lebensweise“ und demokratische Werte zu werben.
Hier könnt ihr das komplette Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission nachlesen.
Soweit die Vorhaben der EU-Kommission. Doch wie kam das Arbeitsprogramm bei den Volksvertretern an?
Europa-Staatsministerin: „Europa des Rechts“
„Europa stärker machen heißt, dass wir die EU zukunftsfest machen und insbesondere klimaneutral“, erklärte Anna Lührmann (Bündnis 90/Die Grünen), die als Staatsministerin im Auswärtigen Amt für die Europäische Union zuständig ist. Eine klimaneutrale EU könne jedoch nur funktionieren, wenn das „Fundament unter unseren Füßen stabil bleibt“. Dieses Fundament basiere auf Demokratie, Menschenrechten und insbesondere der Rechtsstaatlichkeit. „Das ist es, was uns in Europa verbindet, das ist es, was uns von autoritären Gesellschaften unterscheidet“, so Lührmann. Die Rechtsstaatlichkeit der EU sei eine „zwingende Voraussetzung“ für das Funktionieren der Staatengemeinschaft. Wer diese jedoch in Frage stelle, der gefährde die Demokratie als Ganzes. Die Europa-Staatsministerin sagte: „Nur ein Europa des Rechts kann zu einem Europa des Fortschritts werden, und nur durch Fortschritt werden wir das europäische Haus zukunftsfest machen.“
CDU/CSU: „Es ist keine Strategie auf dem Weg“
Der Unionsabgeordnete Detlef Seif kommentierte, dass die Kommission zwar die richtigen Ziele verfolge, es aber schwierig sei, diese auch zu erreichen. Das zeige der European Green Deal. „Die Unternehmen sind zentraler Ort des Wohlstands. Es ist überhaupt nicht geklärt, wie sie die Klimaziele erreichen können. Es ist keine Strategie der EU dazu auf dem Weg“, kritisierte Seif.
Außerdem bemängelte er, dass sich in der „offiziellen Pressemitteilung der Kommission kein Wort zur Asyl- und Migrationspolitik“ finde. Eine EU-weite Regelung und ein „Paradigmenwechsel“ seien aber nötig, um auszuschließen, dass „autokratische Herrscher Migranten im Rahmen einer hybriden Kriegsführung instrumentalisieren“. Skeptisch äußerte er sich auch dazu, dass die EU Geld ausgebe, um die Corona-Folgen abzufedern, obwohl sie die finanziellen Mittel dafür gar nicht besitze. Wenn man hier nichts unternehme, setze man womöglich die „weitere Existenz der EU aufs Spiel“.
SPD: „Wohlstand und Frieden sichern“
„Die EU ist das beste politische Projekt des vergangenen Jahrhunderts. Sie ist für uns Europäer, für uns Deutsche wichtig“, kommentierte der SPD-Abgeordnete Markus Töns. Daher sei auch das alljährliche Arbeitsprogramm der Kommission wichtig, wobei es aktuell „besonders schwierige Zeiten“ gebe. So sei die Pandemie noch nicht beendet und gleichzeitig drohe ein Krieg an der russisch-ukrainischen Grenze.
Töns sprach sich für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Pressefreiheit und Menschenrechte aus. „Wer in Europa davon träumt, eine illiberale Demokratie zu schaffen, dem muss gesagt sein, dass das mit uns nicht zu machen ist.“ Außerdem müsse sich die EU um einen guten wirtschaftlichen Handel mit anderen Staaten bemühen. Er erklärte: „Wir brauchen gut funktionierende Handelsnetzwerke, nicht nur um Wohlstand und Frieden zu sichern, sondern auch die Werte der Europäischen Union.“
AfD: „Fadenscheinige Selbst- und Scheinlegitimierung“
„Diese Kommission ist Überdehnerin und Aushöhlerin nicht nur der europäischen Idee im Allgemeinen, sondern selbst der europäischen Verträge im Besonderen“, sagte der AfD-Abgeordnete Harald Weyel. Die gesamte EU stehe für eine „einzigartige Antisubsidiaritätsorgie“. Was er damit meint? Eigentlich gilt in der EU das sogenannte Subsidiaritätsprinzip. Dieses besagt, dass die EU erst dann aktiv wird, wenn die Mitgliedsstaaten etwas nicht selbst regeln können. Weyel ist also der Meinung, dass die EU das Subsidiaritätsprinzip nicht ausreichend berücksichtigt. Er hoffe daher, dass die „Kommission komplett nach Hause geschickt“ werde. Die Kommission sei nämlich nicht „Dienstleisterin für Notwendiges, sondern eher Hohepriesterin für Überflüssiges bis hin zum höchst Schädlichen“. Auch die Corona-Politik innerhalb der EU sei zu kritisieren, da es dort lediglich eine „fadenscheinige Selbst- und Scheinlegitimierung“ gebe.
FDP: „Bauen wir Türme aus Ideen statt Stapeln aus Papier“
Die FDP-Abgeordnete Katja Adler kommentierte, dass sich die Europäische Kommission mit ihrem Arbeitsprogramm und den unterschiedlichen Zielen zwar viel vorgenommen habe. „Doch gemeinsam mit unseren europäischen Partnern und Freunden werden wir als Fortschrittskoalition die EU fit für die Zukunft machen“, zeigte sich Adler optimistisch. Sie erklärte, dass der europäische Binnenmarkt das „Herzstück der europäischen Integration“ sei. Zur Erklärung: In einem Binnenmarkt sind vor allem vier Freiheiten garantiert: freier Personenverkehr, freier Dienstleistungsverkehr, freier Warenverkehr und freier Kapitalverkehr. Adler forderte, „überbordende bürokratische Regeln“ abzubauen, da diese sonst Innovationen hemmten. „Bauen wir Türme aus Ideen statt Stapeln aus Papier“, so die Abgeordnete. Da die EU-Kommission das Europäische Jahr der Jugend ausrief, müsse man dies nun beispielsweise durch Austauschmöglichkeiten mit Leben füllen.
Linke: „Solch ein Europa braucht niemand“
„Europa und Deutschland sind während der Corona-Krise keine guten Partner. Es ist unsolidarisch und eine Schande, wie wir den afrikanischen Kontinent im Stich lassen“, kritisierte Alexander Ulrich von der Fraktion Die Linke. Dabei meint Ulrich die unterschiedliche Impfquote in westlichen und afrikanischen Ländern. So waren nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation Mitte Februar in Afrika nur knapp zwölf Prozent der Menschen vollständig geimpft. Viele westliche Länder hingegen verabreichen der eigenen Bevölkerung schon länger Booster-Impfungen – anstatt Impfdosen nach Afrika abzugeben. „Wir können Corona nicht in Europa besiegen, sondern nur weltweit und damit auch in Afrika“, so der Linken-Abgeordnete. Ebenso kritisierte Ulrich einen Vorschlag der EU-Kommission, die Mehrwertsteuer für Rüstungsgüter abzuschaffen. Seine Meinung: „Grundnahrungsmittel werden besteuert, aber Rüstungsgüter sollen befreit werden. Solch ein Europa braucht niemand.“
Grüne: „Starkes, geeintes, handlungsfähiges Europa“
Anton Hofreiter von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erklärte: „Nur wenn wir nach innen unsere Rechtsstaatlichkeit verteidigen, sind wir in der Lage, nach außen stark aufzutreten.“ Kriegerische Auseinandersetzungen, Klimakrise und diktatorische Staaten machten es erforderlich, „ein geeintes, handlungsfähiges Europa zu bekommen“. Nur dann sei es möglich, gegen Russland und China anzukommen. Die neue Bundesregierung setze sich daher mit aller Kraft für ein geeintes Europa ein. „Jahrelang stand man mit einer Mischung aus Verblüffung und Desinteresse vor der chinesischen Regierung“, so Hofreiter. Dies müsse sich nun ändern, da China auch wichtig sei, um den Klimawandel zu bekämpfen. In der Zusammenarbeit bedürfe es daher „einer Mischung aus Klugheit und Selbstbewusstsein“. Auch wenn die Herausforderungen groß seien, könne ein souveränes Europa sie erfolgreich umsetzen.
Die komplette Bundestagsdebatte seht ihr hier im Video, das Protokoll findet ihr wie immer auf bundestag.de.
Eric Matt
... ist 22 Jahre alt und studiert an der Universität Konstanz Politik- und Verwaltungswissenschaften. Zurzeit macht er ein Auslandssemester in Israel.