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Pflichtdienst Fast zwölf Jahre ohne Wehrpflicht

Immer wieder wird in Deutschland über die Wehrpflicht diskutiert. Seit 2011 ist sie ausgesetzt. Aber was passiert eigentlich im Verteidigungsfall?

Soldaten in Camouflage-Kleidung stehen in einer Schlange zur Essensausgabe

Bis 2011 konnten junge Männer ab dem 18. Lebensjahr zum „Dienst an der Waffe“ einberufen werden. © picture alliance / photothek | Thomas Koehler

Bis zum Jahr 2011 gab es in Deutschland eine allgemeine Wehrpflicht. Alle Männer mit deutscher Staatsangehörigkeit konnten ab dem 18. Lebensjahr zum Wehrdienst einberufen werden. Damals wurden man zur sogenannten Musterung bestellt. Es wurde geprüft, ob die jungen Männer tauglich, also zum Wehrdienst geeignet, waren. Abhängig war das zum Beispiel von der körperlichen oder geistigen Gesundheit.

Zivildienst statt „Dienst an der Waffe"

Rund 55 Jahre lang mussten deutsche Männer so entweder einen Wehrdienst oder einen zivilen Ersatzdienst absolvieren. Denn wer nicht zur Bundeswehr wollte, konnte den „Dienst an der Waffe" verweigern und den sogenannten Zivildienst leisten – zum Beispiel im Altenheim oder Kindergarten helfen.

Schon seit den 1990er Jahren wurde in Deutschland immer wieder über Vor- und Nachteile der Wehrpflicht diskutiert. Im Sommer 2011 wurde die allgemeine Wehrpflicht dann schließlich ausgesetzt. Seitdem ist die Bundeswehr eine sogenannte Freiwilligenarmee.

Das Ende der Dienstpflicht gilt jedoch ausschließlich in Friedenszeiten. Im Spannungs- oder Verteidigungsfall kann sie wieder aktiviert werden. Deshalb bleibt Artikel 12a des Grundgesetztes unangetastet. Darin steht, dass jeder männliche deutsche Staatsbürger „vom vollendeten achtzehnten Lebensjahr an zum Dienst in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz oder in einem Zivilschutzverband verpflichtet werden“ kann.

Einführung des freiwilligen Wehrdienstes

Mit dem Wehrrechtsänderungsgesetz wurde auch ein freiwilliger Wehrdienst von sechs bis 23 Monaten eingeführt – dieser gilt für Männer und Frauen gleichermaßen. Er bietet die Möglichkeit, sich ein Bild von der Bundeswehr zu machen, ohne sich als Soldat auf Zeit zu verpflichten.

Mit Aussetzung der Wehrpflicht endete auch der Zivildienst. Eingeführt wurde aber stattdessen ein Bundesfreiwilligendienst: So sollen möglichst viele Menschen für ein soziales Engagement gewonnen werden. Der Bundesfreiwilligendienst steht Männern und Frauen jeden Alters nach Erfüllung der Schulpflicht offen. Zusätzlich gibt es auch Dienste wie das Freiwillige Ökologische Jahr (FÖJ) und das Freiwillige Sozialen Jahr (FSJ).

Gründung der Bundeswehr

Die Bundeswehr wurde 1955 gegründet. Viele Deutsche waren damals dagegen. Nach dem Zweiten Weltkrieg, den Deutschland ausgelöst hatte, waren viele Menschen der Meinung, es solle nie wieder eine deutsche Armee geben.

Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee: Das bedeutet, dass der Bundestag einem bewaffneten Einsatz immer zustimmen muss. Zwei Drittel der Abstimmenden müssen dafür sein, so steht es im Grundgesetz Artikel 115a. Auch der Bundesrat muss zustimmen.

Erklärfilm "Die Parlamentsarmee"

Handeln im Verteidigungsfall

Falls es plötzlich zu einem feindlichen Überfall kommt oder aus anderen Gründen Eile geboten ist, darf ein Gemeinsamer Ausschuss über den Einsatz der Bundeswehr entscheiden. Der Ausschuss besteht zu zwei Dritteln aus Bundestagsabgeordneten und zu einem Drittel aus Mitgliedern des Bundesrates und muss dann den Verteidigungsfall ausrufen. Kommt der Angriff auch für diesen Ausschuss zu schnell, verkündet der Bundespräsident den Verteidigungsfall.

Auslandsmissionen

Da für Auslandsmissionen normalerweise kein Angriff und kein Verteidigungsfall vorliegt, greift Artikel 115a hier nicht. Das Bundesverfassungsgericht sieht solche Einsätze im Rahmen von Nato- oder UN-Missionen von Artikel 24 gedeckt. Auch hier muss der Bundestag zustimmen. Mehr zu den aktuellen Auslandseinsätzen der Bundeswehr lest ihr hier.

Unter besonderen Umständen kann aber auch die Bundesregierung Truppen losschicken, zum Beispiel bei besonders schweren Unglücksfällen, Naturkatastrophen, gegen bewaffnete Aufständische oder bei Terrorgefahren – niemals jedoch gegen demonstrierende Menschenmengen.

Die Wehrbeauftrage

Die Schnittstelle zwischen Parlament und Bundeswehr ist die Wehrbeauftragte, aktuell Eva Högl (SPD). Sie wird auch die „Anwältin der Soldaten“ genannt und ist kein Mitglied des Deutschen Bundestages. Eine der Aufgaben der Wehrbeauftragten ist es, den jährlichen Wehrbericht an den Bundestag zu übergeben. Außerdem gehört es zu ihren Kernaufgaben, aufzupassen, dass die Grundrechte der Soldatinnen und Soldaten eingehalten werden.

Allgemeinen Dienstpflicht

Immer wieder wird auch die Einführung eines sogenannten sozialen Pflichtjahres statt einer Wehrpflicht gefordert, auch allgemeine Dienstpflicht genannt. Damit ist gemeint, dass Bürger und Bürgerinnen für eine bestimmte Zeit einen Dienst für die Allgemeinheit leisten. In diesem Modell wäre der Dienst bei der Bundeswehr eine Option neben vielen anderen. Einige Leute argumentieren, dass sich so der gesellschaftliche Zusammenhalt stärken ließe –so auch mitmischen-Autor Nikolaus in seinem Artikel.

Andere führen an, dass ein sozialer Pflichtdienst einen Eingriff in die individuelle Freiheit der Jugendlichen darstellen würde. Das sieht auch mitmischen-Autor Kolja so: Er erklärt, warum er gegen eine Wehrpflicht und gegen einen allgemeinen Pflichtdienst ist.

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